SN91 Positionspapier Lenk- und Ruhezeiten
I. Ausgangslage
Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 regelt die Lenk- und Ruhezeiten im Transportgewerbe für Bus und LKW. Derzeit läuft eine Gesetzesinitiative der EU-Kommission zur Entwicklung spezifischer Lenk- und Ruhezeitvorschriften für den Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass einheitliche Lenk- und Ruhezeiten-Regelungen für den Gelegenheitsverkehr mit Bussen und dem Güterverkehr mit LKW nicht den tatsächlichen Bedürfnissen von Fahrgästen und Fahrpersonal von Busreisen entsprechen und damit die Verkehrssicherheit gefährden können. Die spezifischen Bedürfnisse sowie die Tätigkeitsprofile von Busfahrerinnen und Busfahrern werden mit den geltenden Regelungen nicht berücksichtigt. Zudem kann die Beförderung von Busfahrgästen nicht mit dem Warentransport gleichgestellt werden. Der bdo begrüßt daher das Bestreben der EU-Kommission, nunmehr den Besonderheiten des Gelegenheitsverkehrs Rechnung zu tragen. Denn im Personenverkehr stehen die Bedürfnisse der Fahrerinnen und Fahrer, der Fahrgäste und die Verkehrssicherheit im Mittelpunkt.
Hierzu im Einzelnen:
II. 12-Tage-Regelung auch für innerdeutsche Reisen
Derzeit ist die sog. 12-Tage-Regelung für Busreisen rein auf den grenzüberschreitenden Personenverkehr (Art. 8 Abs. 6a VO (EG) Nr. 561/2006) begrenzt. Die wöchentlichen Ruhezeiten können nur im grenzüberschreitenden Verkehr auf bis zu 12 aufeinanderfolgende Tage verschoben werden. Der bdo hat diese Regelung von jeher stark kritisiert, da sie Sinn und Zweck der Verordnung insgesamt nicht zu erreichen vermag. So wirkt es sich in keinem Fall auf die Verkehrssicherheit aus, ob die Fahrt ausschließlich im Inland oder auch grenzüberschreitend stattfindet. Allerdings haben die letzten Jahre gezeigt, dass Unternehmen und Fahrgäste in flächenstarken Mitgliedstaaten wie Deutschland durch diese Regelung massiv benachteiligt wurden, schließlich finden zahlreiche Reisen allein in Deutschland statt. Der bdo begrüßt daher die seitens der EU-Kommission vorgeschlagene Ausweitung des Anwendungsbereichs auf den innerstaatlichen Verkehr. Mit einer Ausweitung könnten die derzeit bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zwischen internationalen und inländischen Anbietern effektiv beseitigt werden. Denn die aktuelle Beschränkung auf den grenzüberschreitenden Verkehr benachteiligt deutsche Bustouristikunternehmen gegenüber ausländischen Wettbewerbern.
Gegenwärtig besteht die Pflicht, die „aufgeschobene“ wöchentliche Ruhezeit unmittelbar nach Anwendung der 12-Tage-Regelung im Ausmaß von 90 Stunden bzw. 69 Stunden nachzuholen. Genaugenommen müssen die Fahrerinnen und Fahrer zwei regelmäßige Wochenruhezeiten von insgesamt 90 Stunden im Monat einnehmen. Alternativ dürfen diese regelmäßigen Wochenruhezeiten in eine ordentliche (45 Stunden) und eine reduzierte (24 Stunden), auf insgesamt 69 Stunden zusammenhängend aufgeteilt werden. Der Ruhezeitausgleich gilt für alle Reisen, die den Zeitraum von 6x24 Stunden überschreiten (= Anwendung der 12-Tage-Regelung). Der bdo spricht sich dafür aus, die Nachholpflicht für die „aufgeschobene“ wöchentliche Ruhezeit neu zu evaluieren. Denn bedauerlicherweise berücksichtigt diese Regelung den saisonalen Charakter des Bustourismusgeschäftes nicht ausreichend. Der bdo schlägt daher eine flexible Lösung vor, wonach der Ruhezeitausgleich zukünftig spätestens 3 Wochen nach Ende des Aufschubs vollzogen werden muss.
III. Verbesserung der Pausenregelung
Nach einer Lenkzeit von 4,5 Stunden muss ein Fahrer eine Pause von mindestens 45 Minuten einlegen. Zwar kann diese Zeit gesplittet werden, jedoch ist die Reihenfolge verbindlich vorgeschrieben. Erst sind 15 Minuten Pause zu nehmen, gefolgt von 30 Minuten (Art. 7 VO (EG) Nr. 561/2006). Diese starre Vorgabe ist praxisfern, weil sie nicht die Bedürfnisse von Fahrer:innen und Fahrgästen berücksichtigt. Die Pausen müssen oft an unattraktiven Haltestellen auf der Strecke eingelegt werden oder um dies zu vermeiden, müssen die Pausen zeitlich vorgezogen werden.
Der bdo schlägt vor, dass die Fahrer:innen die Reihenfolge und die Länge der Pausen selbst festlegen dürfen (bspw. 15:30 und 30:15 oder auch 15 Minuten, 20 oder 25 Minuten). So kann das Fahrpersonal besser auf die Bedürfnisse der Fahrgäste eingehen und sich den etwaigen Verkehrsbedingungen (z.B. Staus oder überfüllte Rastplätze) anpassen. Diese Entlastung des Fahrpersonals steigert die Reisesicherheit und die Arbeitsqualität der Fahrer:innen. Zudem wird der Fahrgastkomfort nochmals gesteigert.
IV. Möglichkeit, den Beginn der täglichen Ruhezeit zu verschieben
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass bei Fahrten von mind. 8 Tagen Dauer Reisebusfahrerinnen und Reisebusfahrer unter der Auflage der jeweiligen täglichen Gesamtlenkzeit (von 7 oder 5 Stunden) ausnahmsweise die Verschiebung des Beginns der täglichen Ruhezeit um ein oder zwei Stunden möglich sein soll (vgl. Art. 8 neuer Abs. (2 a)-E). Die Regelung darf nur ein einziges Mal während einer Fahrt von mindestens 8 Tagen angewendet werden.
Die meisten touristischen Touren sind jedoch kürzer als 8 Tage. Die durchschnittliche Distanz einer touristischen Reise beträgt 300 km oder hat eine Dauer von 4,5 Stunden. Gegenstand einer typischen Busreise ist der Besuch von Sehenswürdigkeiten oder anderen touristischen Attraktionen, bei denen der Bus nicht benötigt wird und das Fahrpersonal nicht im Einsatz ist und Freizeit hat.
Auf der anderen Seite kann es vorkommen, dass das Reiseprogramm länger als geplant andauert, etwa der Konzertbesuch oder das Essen im Restaurant. Heute muss in diesen Fällen das Programm vorzeitig abgebrochen werden, um vor Beginn der Tagesruhezeit noch rechtzeitig ins Hotel fahren zu können. Dadurch zieht das Fahrpersonal den Unmut der Reisenden auf sich. Der Stressfaktor von Fahrerinnen und Fahrern steigt. Gerade bei eintägigen Ausflugsfahrten (z.B. 7 - 23 Uhr oder 8 - 24 Uhr) sind die Fahrer und Fahrerinnen oft nur ein paar Stunden unterwegs und verbringen den Großteil der Zeit damit auf ihre Fahrgäste zu warten. Der damit ermöglichte zeitliche Spielraum würde Zeitdruck vermeiden und die Beförderung der Fahrgäste im Falle von unvorhergesehenen Umständen sicherstellen. Daher plädiert der bdo für eine Anpassung der Regelungen, so dass die Fahrer und Fahrerinnen auf die jeweilige Situation vor Ort oder während der Fahrt reagieren und damit besser auf die Bedürfnisse der Fahrgäste eingehen können.
Der bdo plädiert daher für eine Überarbeitung und Anpassung der Regelung. In der Bustouristik soll generell die Möglichkeit bestehen, 1x pro Woche den Beginn der täglichen Ruhezeit um 1 Stunde aufzuschieben, wenn die Gesamtlenkzeit an diesem Tag 7 Stunden nicht überschreitet. Die Schaffung dieser Möglichkeit unter der Auflage der Nichtüberschreitung der Gesamtlenkzeit von 7 Stunden ist folgerichtig und aus Sicht des bdo zu unterstützen. Im Übrigen ist eine Abschwächung der Straßenverkehrssicherheit mit dieser Sonderregelung durch die reguläre Wochenruhezeit zuvor und die doppelte Wochenruhezeit danach ausgeschlossen.
V. Anpassung der wöchentlichen Ruhezeit
Der bdo plädiert dafür, die bereits für das Fahrerpersonal im grenzüberstreitenden Güterverkehr geltenden Ausnahmeregelungen bezüglich der Wochenruhezeiten auch auf das Fahrpersonal im nationalen Personengelegenheitsverkehr auszuweiten. Demnach sollte es den Busfahrern und Busfahrerinnen gestattet sein, zwei aufeinanderfolgende reduzierte Wochenruhezeiten (2x24 Stunden) zu nehmen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Fahrer und Fahrerinnen in vier aufeinanderfolgenden Wochen mindestens vier Wochenruhezeiten eingelegt haben, von denen mindestens zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten sind. Eine solche Ausnahmeregelung würde es den Busunternehmen ermöglichen, z.B. besser auf die saisonbedingte und kurzfristige Nachfrage im Tourismusgeschäft zu reagieren. Es ist auch kein Grund erkennbar, warum diese Regelung bislang ausschließlich dem Güterverkehr vorbehalten ist.
VI. Verbesserung der Notstandsregelung bei außergewöhnlichen Umständen
Bei außergewöhnlichen Umständen ermöglicht die Verordnung (Art. 12 VO (EG) Nr. 561/2006) es den Busfahrern und Busfahrerinnen, die zulässige Höchstlenkzeit zu überschreiten und die Pausen sowie Ruhezeiten zu verschieben, damit die Sicherheit von Personen, Fahrzeug oder Ladung gewährleistet werden kann. Die Notstandsregelung wurde lediglich unter Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse des Güterverkehrs verfasst. Der bdo plädiert dafür, die Notstandsregelung für den Personengelegenheitsverkehr anzupassen. Daher schlägt der bdo vor, den Artikel 12 um eine weitere Formulierung zu ergänzen, die es den Verkehrsunternehmen im Gelegenheitsverkehr ermöglicht, auf während der Fahrt auftretende Ausnahmesituationen (z.B. Unfälle, Schlechtwetterlagen, Staus) zu reagieren und dabei die Bedürfnisse der Fahrgäste adäquat zu berücksichtigen. Es ist wichtig, dass der Aspekt der Sicherheit im Gelegenheitsverkehr um den des Wohlbefindens der Fahrgäste ergänzt wird. Damit können grade Verzögerungen bei Tagesfahrten, die oftmals eine späte Rückreise zum Hotel beinhalten, aus Gründen des Wohlbefindens der Fahrgäste gesetzlich legitimiert werden.
VII. Fazit
Ziel ist die Schaffung rechtssicherer und mittelstandsfreundlicher Rahmenbedingungen für den privaten Busgelegenheitsverkehr. Die Öffnung der Lenk- und Ruhezeiten soll keinesfalls zu Lasten der Sicherheit und der Erholungsphasen des Fahrpersonals gehen. Denn die Verkehrssicherheit und Arbeitsbedingungen haben oberste Priorität für alle bdo-Mitgliedsunternehmen.
Der bdo ist überzeugt, dass die Vorschläge der EU-Kommission sowie die Ergänzungen des bdo die sozialen Bedingungen für Busfahrer und Busfahrerinnen verbessern und gleichzeitig die Zufriedenheit der Fahrgäste und damit die Dienstleistungsqualität erhöhen. Gegenwärtig stehen Busfahrerinnen und Busfahrer unter ständigem Druck, die in erster Linien für den Güterverkehr konzipierten Lenk- und Ruhezeitenregelungen punktgenau einhalten zu müsse, obwohl menschliche Bedürfnisse von Fahrgästen dagegen stehen. Das führt zu unnötigen Belastungen für die Fahrerinnen und Fahrer. Ein frühzeitiger Abbruch von geplanten und für die Reise wichtigen Programmpunkten, wie Museumsbesuche, Restaurantbesuche usw., bedingt durch unpassende gesetzliche Vorgaben hat auch Konsequenzen auf das Buchungsverhalten bei zukünftigen Busreisen, da Fahrgäste durch diese Negativerfahrung von zukünftigen Reisen abgeschreckt werden. Insoweit ist die Gesetzesinitiative und frühzeitige Befassung durch die Politik aus Sicht des bdo zu begrüßen, um sinnvolle Verbesserungen für das Fahrpersonal und deren Fahrgäste herbeizuführen.