SN58 Barrierefreiheitsgesetz
Stellungnahme des bdo zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (Barrierefreiheitsgesetz − BFG)“
Der bdo bedankt sich für die Übersenndung des Referentenentwurfs und nimmt Stellung wie folgt:
I. Ausgangslage
Mit dem Barrierefreiheitsgesetz (BFG) soll die Richtlinie (EU) 2019/882 vom 17. April 2019 (nachfolgend Richtlinie) national umgesetzt werden. Ziel ist es, das Recht von Menschen mit einer Behinderung auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu stärken und EU-weit vereinheitlichte Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen festzulegen. Der bdo begrüßt EU-weit einheitliche Standards. Diese sind insbesondere im internationalen Busreise- und Fernlinienverkehr ein wichtiger Schritt zur umfassenden Integration von Personen mit einer Behinderung in das gesellschaftliche Leben und deren Mobilität innerhalb Europas.
II. Stellungnahme zum Referentenentwurf
Europäische Harmonisierung – Umsetzung ohne nationale Abweichungen Eines der Hauptziele der Richtlinie ist es, EU-weit einheitliche Anforderungen an die Barrierefreiheit einzuführen. Die Erwägung 1 der Richtlinie hebt hervor, dass es aufgrund der derzeit unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedsstaaten Hindernisse für den freien Verkehr von barrierefreien Produkten und Dienstleistungen gibt. Abweichende Bestimmungen bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie sind deshalb zu vermeiden. Der Referentenentwurf darf daher lediglich die EU-Richtlinie unverändert in das nationale Recht übernehmen, ohne Regelungen oder Interpretationsspielräume zu enthalten, welche einen Alleingang Deutschlands in Europa bewirken.
Konkrete Ausgestaltung – praxistaugliche Rechtsverordnung durch Miteinbezug der Branchen
Die konkrete Ausgestaltung der Detailregelungen, beispielsweise welche Anforderungen eine barrierefreie Website erfüllen muss, soll im Nachgang mit einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geregelt werden. Für eine praxistaugliche Umsetzung der Richtline ist es unverzichtbar, die Belange der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen. Bei der Erarbeitung der Rechtsverordnung müssen daher die Branchen umfassend miteinbezogen werden. Der bdo möchte dem BMAS hierzu die umfassende Unterstützung des Verbandes und der Busunternehmen zusichern.
§ 14: Pflichten des Dienstleistungserbringers
Gemäß Artikel 13 Abs. 1 der Richtlinie müssen die Dienstleistungserbringer gewährleisten, dass die von Ihnen erbrachten Dienstleistungen den Barrierefreiheitsanforderungen der EU-Richtlinie entsprechen. Entspricht eine Dienstleistung nicht den Anforderungen, muss der Dienstleistungserbringer dies den zuständigen Behörden melden und die getroffenen Korrekturmaßnahmen erläutern (Artikel 13 Abs. 4 der Richtlinie). Das Anbieten und die Erbringung der Dienstleistung sind nach der EU-Verordnung in diesem Fall aber nicht verboten. Der Referentenentwurf hingegen lässt nach § 14 Abs. 1 das Anbieten und Erbringen einer Dienstleistung nur zu, wenn die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt sind. Im Gegensatz zur EU-Richtlinie wird damit ein Verbot ausgesprochen. Diese nationale Abweichung von der EU-Richtlinie widerspricht zum einen der Absicht, europäisch einheitliche Bestimmungen zu treffen. Zum anderen ist diese Regelung praxisfern, da sie ein generelles Verbot enthält und weder eine Einzelfallbeurteilung, noch Bagatellfälle berücksichtigt. Kann zum Beispiel bei einer technischen Störung eine einzelne Anforderung der Barrierefreiheit vorübergehend nicht erfüllt werden, darf die komplette Dienstleistung weder angeboten, noch erbracht werden. Damit wären direkt alle Dienstleistungsnehmer von der Nichterbringung betroffen, auch wenn sich die Störung allein auf die Kriterien der Barrierefreiheit beschränkt. Fällt zum Beispiel die Sprachbedienung eines einzelnen Ticketautomat aus, müsste in der Folge der Betrieb auf der kompletten Buslinie eingestellt werden. Das ist nicht verhältnismäßig. In der Regel kann den Betroffenen anderweitig geholfen werden. Zum Beispiel kann der Fahrgast bei einer Störung des Ticketautomaten das Buspersonal ansprechen. Bei einer Störung der Website kann alternativ über die Hotline Hilfestellung eingeholt oder die Buchung telefonisch vorgenommen werden. Da der Dienstleistungserbringer dazu verpflichtet ist, die erforderlichen Korrekturmaßnahmen vorzunehmen, werden auftretende Störungen schnellstmöglich behoben. Zusätzlich kann die Marktüberwachungsbehörde dem Dienstleistungserbringer eine angemessene Frist für Korrekturmaßnahmen setzen und notfalls das Angebot und die Erbringung der Dienstleistung untersagen (§ 30 Abs. 1 bis 3). Diese Durchsetzungsmechanismen bieten aus Sicht des bdo genügend Wirkung, um barrierefreie Dienstleistungen mit verhältnismäßigen Mitteln sicherzustellen. Ein ausnahmsloses Dienstleistungsverbot hätte gravierende Auswirkungen auf die Busunternehmen. Insbesondere im Großstadtbetrieb mit einer Vielzahl von Ticketautomatischen besteht beispielsweise ein hohes Risiko für kurzzeitige Bagatellfälle. Insbesondere an Knotenhaltestellen wären direkt mehrere Buslinien von einem Dienstleistungsverbot betroffen. Die wirtschaftlichen Folgen für die Busbetriebe wären gravierend. Das Barrierefreiheitsgesetz darf deshalb kein Verbot enthalten und § 14 des Referentenentwurfs muss den exakten Wortlaut des Artikel 13 Abs. 1 der Richtlinie übernehmen.
§ 38 Abs. 1: Übergangsbestimmungen für Produkte
Artikel 2 Abs. 1 der Richtlinie führt jene Produkte auf, welche von der Richtlinie erfasst sind. Die Übergangsregelung von Artikel 32 Abs. 1 enthält eine Ausnahme: Die Dienstleistungserbringer können bis zum 28. Juni 2030 alle bisher genutzten Produkte weiterhin einsetzen. Der Referentenentwurf weicht in seinen Übergangsbestimmungen hiervon ab und erlaubt nur die Nutzung jener Produkte, welche bereits vor dem 28. Juni 2025 eingesetzt wurden. Damit weicht der Referentenentwurf erneut von dem Ziel ab, EU-weit einheitliche Regeln zu schaffen. Aus Sicht des bdo ist die Übergangsregelung in der EU-Richtline abschließend formuliert, weshalb keine nationalen Abweichungen vorgenommen werden können. Selbst wenn eine abweichende Übergangsregelung zulässig wäre, würde durch diese Übergangsregelung eine unfaire Mehrbelastung für die Busunternehmen in Deutschland entstehen. Denn anders als ihre ausländische Konkurrenz könnten die hiesigen Unternehmen ihre Produkte nicht gleich lange einsetzen. Das Senkt die Kosteneffizienz aufgrund des kürzeren Nutzungszeitraums und führt zu früheren, hohen Anschaffungskosten für neue Produkte. Aus wettbewerblicher Sicht ist das sehr bedenklich. Hinzu kommt, dass sich die wirtschaftlichen Langzeitfolgen der Corona-Pandemie für die Busunternehmen derzeit noch nicht absehen lassen. Die zusätzlichen Mehrbelastungen durch die unfairen Übergangsbestimmungen würden die finanzielle Erholung und die internationale Wettbewerbsposition der Busunternehmen erschweren. Deshalb muss der Wortlaut aus Artikel 32 Abs. 1 der Richtlinie wörtlich in § 38 Abs. 1 des Referentenentwurfs übernommen werden.
§ 38 Abs. 2: Übergangsbestimmungen für Selbstbedienungsterminals
Nach Artikel 32 Abs. 2 der Richtlinie können die EU-Mitgliedsstaaten anordnen, dass Selbstbedienungsterminals, welche vor dem 28. Juni 2025 in Betrieb genommen wurden, ab diesem Datum für maximal 20 Jahre eingesetzt werden können. Der Referentenentwurf sieht nur eine Nutzungsdauer von 10 Jahren vor. Diese Frist ist aus wirtschaftlicher und nachhaltiger Sicht zu kurz, weil die Anschaffungskosten und die Lebensdauer von Selbstbedienungsterminals sehr hoch sind. § 38 Abs. 2 sollte daher, entsprechend der EU-Richtlinie, eine Übergangsfrist von 20 Jahren vorsehen.
Für weitere Auskünfte steht Ihnen der bdo jederzeit zur Verfügung. Wir behalten uns vor, bei Bedarf Änderungen und Ergänzungen nachzureichen.