SN66 Stellungnahme RefE Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnisverordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften
des bdo zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur „Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften“
Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) ist der Spitzenverband der deutschen Busbranche und vertritt die Interessen der privaten und mittelständischen Unternehmen aus dem Bereich Personennahverkehr, Bustouristik und Fernlinienverkehr gegenüber Politik und Öffentlichkeit.
Der bdo bedankt sich für die Übersendung des vorbenannten Referentenentwurfs und nimmt Stellung wie folgt:
I. Ausgangslage
Mit den im vorliegenden Referentenentwurf vorgesehenen Änderungen soll sich die zunehmende Verbreitung von Fahrerassistenzsystemen auch in der Fahrerausbildung abbilden. Der bdo begrüßt diese Anpassung ausdrücklich. Die privaten Busbetriebe haben ihre modernen Fahrzeugflotten zum Schutz der Fahrgäste, des Fahrpersonals und der übrigen Verkehrsteilnehmer bereits mit modernsten Assistenzsystemen ausgestattet. Mit den vorgesehenen Anpassungen werden die Fahrerausbildung und die Praxis im Berufsalltag optimal miteinander verknüpft. Allerdings darf für die Busbetriebe die Bereitstellung der Ausbildung und für die Fahrschüler/-innen das Erlangen der Busfahrerqualifikation nicht erschwert werden. In der Busbranche besteht ein erheblicher Fahrermangel. Viele Betriebe suchen händeringend nach neuen Mitarbeitern/-innen. Die Corona-Pandemie hat die Lage zusätzlich verschärft, weil bestehendes Personal aufgrund der Arbeitsausfälle durch die Busreiseverbote in andere Tätigkeiten abgewandert ist und die Perspektiven für potentielle Nachwuchskräfte coronabedingt derzeit noch eingeschränkt sind. Steigen durch die vorgesehenen Anpassungen nun die Anforderungen oder Investitionskosten für die Ausbildungsbetriebe, steigen damit auch die Ausbildungskosten und potentielle Fahrschüler/-innen werden abgeschreckt. Eine moderne, zukunftsorientierte Ausbildung für Busfahrer/-innen, wie sie im Referentenentwurf vorgesehen ist, darf daher die Bereitstellung der Fahrerausbildung und das Erlangen der Berufskraftfahrerqualifikation nicht erschweren oder verteuern. Mit der grundsätzlichen Zulassung eines digitalen Fahrschulunterrichts würde ein attraktives und effizientes Mittel zur Gewinnung von Fahrschüler/-innen, zur Kostenreduktion und zur Minderung des Busfahrermangels geschaffen werden.
II. Stellungnahme zum Referentenentwurf
- Artikel 1: Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung
Anlage 7 Nr. 2.2 7 (zu § 16 Absatz 2, § 17 Absatz 2 und 3): Assistenzsysteme Prüfungsfahrzeuge der Klassen D1 und D sollen ab 2028 mit aktiven Spurhalte- und Abstandsregeltempomaten ausgestattet sein. Der bdo begrüßt die Anpassung der Prüfungsstandards, weil Busfahrer/-innen nach der Prüfung diese Systeme am Arbeitsort in den modernen Bussen vorfinden werden. Die Ausstattung der Fahrzeuge mit den entsprechenden Assistenzsystemen führt allerdings zu Mehrkosten für die Fahrschulen. Grund ist, dass die Zusatzausstattung den Kaufpreis der Fahrzeuge erhöht oder hohe Kosten für die Nachrüstung der Systeme entstehen. Wo keine Nachrüstung möglich ist, muss das Fahrzeug (u.U. vorzeitig) ersetzt werden. In A. VI. 4.2 der Begründung wird davon ausgegangen, dass die Vorgaben im Rahmen der regelmäßigen Neuanschaffungen erfüllt werden und keine (zusätzlichen) Kosten für Neufahrzeuge anfallen. Das trifft nur auf die wenigsten Busbetriebe zu. Fernbusse werden nach ca. 4 Jahren ersetzt, ÖPNV- Busse nach 10 bis 12 Jahren und Reisebusse werden oft über 12 Jahre von einem Betrieb genutzt. Der kurze Umsetzungszeitraum der Vorgaben bis 2028 führt dazu, dass viele Betriebe mit Fahrschulen vorzeitig neue Fahrzeuge beschaffen oder ihre Fahrschule aufgeben müssen. Hinzu kommt, dass die Busbetriebe aufgrund der Corona-Pandemie derzeit kaum Reserven haben. Die Fahrgastzahlen und Einnahmen im öffentlichen Verkehr gingen enorm zurück, weil viele Fahrgäste im Homeoffice waren oder auf das Auto umgestiegen sind. Die Busreiseverbote und die Corona-Beschränkungen, welche zum Beispiel durch Kapazitätsbeschränkungen oft keinen wirtschaftlichen Betrieb erlauben, führten zu einem Rückgang der Umsätze im Bustourismus um 70 Prozent. Busunternehmen mit Fahrschulen haben daher kaum finanzielle Mittel und werden Jahre benötigen, um ihre Reserven wieder aufzubauen. Daher werden einige Betriebe ihre Fahrzeugbeschaffung hinausschieben müssen. Dies einerseits, weil die Bestandsfahrzeuge coronabedingt kaum genutzt wurden und daher nicht so schnell ersetzt werden müssen, andererseits um sich ein Neufahrzeug überhaupt erst leisten zu können. Bereits ein Bus ohne Fahrschulausstattung kostet etwa 450.000 Euro, viele Fahrschulen besitzen zudem mehrere Fahrzeuge und Fahrlehrer/-innen. Die neuen Vorschriften schränken diesen unternehmerischen Spielraum enorm ein, weil Fahrzeuge ohne die entsprechenden Assistenzsysteme zwingend ersetzt oder teuer nachgerüstet werden müssen. Bei einigen Systemen und Fahrzeugen sind u.U. gar keine Nachrüstungen möglich. Können sich die Fahrschulen die Neufahrzeuge nicht leisten, werden sie aus dem Markt gedrängt. Daher müssen für die Busfahrschulen die Mehrkosten für die Zusatzausstattungen beim Neuerwerb, notwendigerweise vorgezogene Neuanschaffungen und die Nachrüstung der vorgeschriebenen Assistenzsysteme in den Bestandsfahrzeugen finanziell gefördert werden.
Ohne einen finanziellen Ausgleich werden die Bereitstellungskosten für die verbleibenden Fahrschulen steigen und in der Folge auch höhere Kosten auf die Fahrschüler zukommen. Das obwohl die Kosten für den Busführerschein bereits hoch und damit einer der Gründe für den Fahrermangel sind. Den Fahrschulen und den Fahrschüler/-innen dürfen daher keine Mehrkosten durch die neuen Anforderungen entstehen.
- Artikel 2: Änderung der Fahrschüler-Ausbildungsordnung
§ 4 Abs. 1b: Digitaler Unterricht Mit dem neuen Absatz 1b soll in Ausnahmefällen der digitale Unterricht in Fahrschulen ermöglicht werden. Der bdo begrüßt die Möglichkeit für einen digitalen Fahrschulunterricht ausdrücklich, weil damit die Nachwuchsförderung von Busfahrer/-innen auch in Situationen wie der Corona-Pandemie sichergestellt bleibt. Offen ist, wann ein begründeter Ausnahmefall für einen digitalen Unterricht vorliegt. Sind hier nur außerordentliche Ereignisse wie eine Pandemie gemeint oder zum Beispiel auch Unwetterereignisse mit erschwerter Anfahrt? Muss die gesamte Fahrschülergruppe betroffen sein oder gilt die Regelung auch für einzelne Teilnehmer/-innen, zum Beispiel bei Krankheit oder für Alleinerziehende ohne Kinderbetreuung? § 4 Abs. 1 b muss mit einem abschließenden Katalog der möglichen Ausnahmefälle konkretisiert werden. Mindestens sind jedoch beispielhafte Fälle aufzuführen, um den Landesbehörden eine Richtschnur für die Festlegung der Ausnahmefälle zu geben. Ohne eine Konkretisierung der begründeten Ausnahmefälle kann es zu regionalen Unterschieden kommen, die aus Fairness gegenüber den Fahrschülern/-innen und für faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Fahrschulen nicht zu vertreten sind.
Der digitale Unterricht muss die Anforderungen der Anlage 2a zu § 4 der Durchführungsverordnung zum Fahrlehrergesetz erfüllen. Als neue Anforderung schreibt die Anlage 2 A zu § 4 eine „ausreichende Internetverbindung“ vor. Konkretere Anforderungen an eine ausreichende Internetverbindung sind nicht enthalten. Das ist einerseits zu begrüßen, weil die Netzleistung regional variiert und beispielsweise mit einer gesetzlich festgelegten Mindestleistung der Internetverbindung Fahrschulen in Regionen mit schlechterer Infrastruktur benachteiligt oder gar aus dem Markt gedrängt werden. Andererseits kann eine entsprechende Internetverbindung nur dann gefordert werden, wenn den Fahrschulen auch die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung steht. Im Hinblick auf die Digitalisierung in sämtlichen Branchen und Bereichen, nicht nur den Fahrschulen, muss auch der Ausbau der Netze vorangetrieben werden. Sofern auf die Fahrschulen, zusätzlich zum DSL-Vertrag, finanzielle Belastungen hinzukommen, beispielsweise für bauliche Maßnahmen für den Internetanschluss oder aufgrund der zusätzlichen Anforderungen für den digitalen Fahrschulunterricht durch die Landesbehörden (s.u.), muss eine finanzielle Förderung bereitgestellt werden. Wie bereits unter Punkt II. 1. erläutert, können Busfahrschulen, Busbetriebe und Fahrschüler/-innen keine Mehrkosten tragen. Im Hinblick auf den Mangel an Busfahrer/-innen dürfen daher keine finanziellen und anderweitigen Hürden für die Berufskraftfahrerqualifikation aufgebaut werden.
Nach § 4 Abs. 1b können die Landesbehörden weitere Anforderungen an die Genehmigung des digitalen Fahrschulunterrichts stellen. Diese Anforderungen müssen für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlich sein, sind aber nicht weiter definiert. Diese offene Regelung riskiert regionale Unterschiede in der Fahrerausbildung und den Markt- und Wettbewerbsbedingungen für die Fahrschulen, beispielsweise durch zusätzliche Aufwände oder Kosten. Nach der Begründung zu § 4 und Anlage 2a sollten bundeseinheitliche Vorgaben für den digitalen Unterricht geschaffen werden. Daher muss § 4 Abs. 1b Satz 5 gestrichen oder mindestens um eine abschließende Aufzählung der Befugnisse der Landesbehörde ergänzt werden. Die möglichen, zusätzlichen Anforderungen dürfen weder die Bedingungen, noch die Kosten für die Fahrschüler/-innen oder die Fahrschulen negativ beeinflussen.
- Artikel 3: Änderung der Durchführungsverordnung zum Fahrlehrergesetz
§ 4 Abs. 2: Digitaler Unterricht Zu § 4 Abs. 2 kann auf das Gesagte zu § 4 Abs. 1b der Fahrschüler-Ausbildungsordnung verwiesen werden, insbesondere zu den Anordnungsbefugnissen der Landesbehörden und den Anforderungen der Anlage 2a zu § 4 Abs. 2 Durchführungsverordnung zum Fahrlehrergesetz.
III. Weiterer Regelungsbedarf aus Sicht der Busreiseveranstalter
- Digitalen Unterricht in Fahrschulen grundsätzlich ermöglichen Aus Sicht des bdo muss der digitale Fahrschulunterricht nicht nur in Ausnahmefällen, sondern grundsätzlich ermöglicht werden. Die Digitalisierung schlägt in sämtlichen Branchen und Bereichen durch. Das gilt auch für die Busbranche, beispielsweise bei den Buchungsprozessen, den Fahrassistenzsystemen, dem Board-Entertainment, den Zahlungsvarianten oder der Fahrtenplanung. Auch die Busfahrer/-innen werden in diese digitalen Lösungen involviert. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass digitales Lernen neben Schulen, Fachhochschulen oder Universitäten und auch in den Fahrschulen funktioniert. An die Systeme für den digitalen Unterricht sind konkrete Vorgaben gestellt, beispielsweise muss die Interaktion zwischen den Fahrschüler/-innen und dem Fahrlehrer sichergestellt sein. Anwesenheitspflichten können bei digitalen Systemen ebenfalls überprüft werden. Damit ist ein gleichwertiger Lernerfolg wie im Präsenzunterricht sichergestellt. Aus Sicht der Praxis sollten die Vorteile der Digitalisierung daher auch im Fahrschulunterricht genutzt werden können:
a. Kostenreduktion für Fahrschulen Durch den digitalen Unterricht können die Fahrschulen enorme Kosten einsparen. Sie benötigen weniger oder gar keine Unterrichtsräume und damit auch weniger Raumausstattung wie zum Beispiel Stühle, Tische, Bildschirme oder Unterrichtsmaterialien für die Fahrschüler/-innen. Die Fahrlehrer/-innen können den digitalen Unterricht aus ihrem normalen Büro oder aus dem Homeoffice durchführen.
b. Kostenreduktion für Fahrschüler/-innen Die durch die Fahrschulen weitergegebenen Kostenersparnisse führen zu Kostensenkungen für die Fahrschülern/-innen. Zusätzlich entfallen für die Schüler/-innen die Anfahrtskosten und oft langen Anfahrtszeiten. Busfahrschulen sind nicht so zahlreich verbreitet wie PKW-Fahrschulen. Insbesondere im ländlichen Raum fehlt vielerorts ein ausreichendes Angebot. Künftige Busfahrer/-innen müssen daher lange Wege mit entsprechend höheren Fahrtkosten in Kauf nehmen. Je nach Distanz oder Ausgestaltung des Unterrichts sind tägliche Anfahrten gar nicht möglich und es kommen zusätzliche Kosten für die Unterkunft und die Verpflegung hinzu. Mit dem Entfall der Anfahrtskosten sinken die finanziellen Hürden für den Busführerschein. Das wäre ein entscheidender Fortschritt, weil die Kosten für den Busführerschein im Vergleich zu den übrigen EU-Staaten in Deutschland sehr viel höher sind.
c. Steigerung von Attraktivität und Wettbewerb Durch die Möglichkeit, den Fahrschulunterricht digital bereitzustellen, können zusätzliche Busbetriebe als Fahrschule gewonnen werden. Zum Beispiel jene Betriebe, welche keine oder nicht genügend Räumlichkeiten für einen Präsenzunterricht haben oder nicht genügend Kapital für die Einrichtung physischer Unterrichtsräume. Für die Einrichtung von Fahrschulräumen bestehen hohe Auflagen, beispielsweise hinsichtlich der Raumgröße. Der Entfall dieser Anforderungen würde die Bereitstellungskosten für Fahrschulen deutlich senken. Zusätzlich entfällt der für den wirtschaftlichen Betrieb zwingende Bedarf an genügend potentiellen Fahrschüler/-innen in der Umgebung der Fahrschule, weil die räumliche Distanz beim digitalen Unterricht keine Rolle spielt. Eine höhere Zahl an Marktanbietern wirkt sich zudem positiv auf den Wettbewerb zwischen den Fahrschulen aus, indem die Fahrschulen sich mit hoher Qualität, innovativen Angeboten, attraktiven Preisen und modernen Fahrzeugen voneinander abgrenzen.
d. Höhere Attraktivität für Fahrschüler/-innen und positive Effekte für Fahrermangel Digitale Fahrschulen steigern die Zahl der Ausbildungsplätze und, aufgrund der nicht notwendigen räumlichen Nähe, das Ausbildungsangebot in allen Regionen. Viele Interessierte haben in ihrer Region keinen Zugang zu einer Berufskraftfahrerausbildung und müssen teilweise sehr lange Anfahrtswege in Kauf nehmen. Hinzu kommen potentielle Fahrschüler/-innen, welche aus zeitlichen Gründen keine Fahrausbildung antreten können, zum Beispiel bei einer berufsbegleitenden Fahrausbildung oder alleinerziehende Eltern ohne sichergestellte Kinderbetreuung. Durch den digitalen Unterricht werden potentielle Busfahrer/-innen erreicht, für die eine Fahrausbildung aus räumlichen oder zeitlichen Gründen zuvor gar nicht möglich war. Das wachsende Angebot und der intensivere Wettbewerb zwischen den Fahrschulen wird den Fahrschüler/-innen eine viel breitere Auswahl an attraktiven Fahrschulausbildungsangeboten bieten.
Mit der durch den digitalen Fahrschulunterricht gesteigerten Zahl der Fahrschüler/-innen könnte der Mangel an Busfahrer/-innen entscheidend gemindert werden.
bdo, 24.09.2021