SN75 Positionspapier Fahrpersonalmangel_Neu

Reform der Berufskraftfahrer-Ausbildung „2 in 1“

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) e.V. ist der Spitzenverband der deutschen Busbranche und vertritt die Interessen der rund 3.000 privaten und mittelständischen Unternehmen aus den Bereichen Personennahverkehr, Bustouristik und Fernlinienverkehr gegenüber Politik und Öffentlichkeit.

I. Ausgangssituation

Der Fahrpersonalmangel hat bei den privaten und mittelständischen Busbetrieben ein existenzbedrohliches Ausmaß angenommen. Umfragen des bdo unter seinen Mitgliedsunternehmen haben ergeben, dass sich die Situation immer weiter zuspitzt: Bestand im Oktober 2021 noch bei 85,1 Prozent der deutschen Busunternehmen ein akuter Fahrpersonalmangel, sind es im September 2022 bereits 93,5 Prozent. Über 95 Prozent der befragten Unternehmen gehen davon aus, dass sich das Problem zukünftig weiter verschärfen wird. Schon im Oktober 2021 waren 67,4 Prozent der befragten Busbetriebe aufgrund des Fahrpersonalmangels nicht in der Lage, ihre Leistungen vollständig zu erbringen. Im September 2022 können bereits über 80 Prozent der Busunternehmen geplante Fahrten nicht durchführen, nicht an Ausschreibungen teilnehmen oder müssen Kundenanfragen ablehnen. 30,8 Prozent der Busunternehmen können mit dem zur Verfügung stehenden Fahrpersonal das Volumen zwar noch bedienen, als Unternehmen aber nicht mehr wachsen. Dies hat zur Folge, dass 58,3 Prozent der Betriebe aufgrund des Fahrpersonalmangels in ihrem Wachstum gehindert werden. Sie können daher ihr umfangreiches Angebot nicht mehr halten und auch nicht weiter ausdehnen.

Leidtragende sind die Verbraucherinnen und Verbraucher: 29,9 Prozent der befragten Busunternehmen haben Schwierigkeiten, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Dadurch reduziert sich zwangsweise das Angebot an Mietomnibussen und in der Bustouristik. Zusätzlich ist die öffentliche Daseinsvorsorge gefährdet: Die geplante Verkehrswende mit einer angestrebten Verdoppelung der Fahrgastzahlen wird ohne den Bus, das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, nicht gelingen. Dadurch wird aber der Fahrpersonalbedarf im öffentlichen Nah- und Fernverkehr zusätzlich steigen. Hinzu kommen die Schienenersatzverkehre, welche für die zahlreichen Bau- und Bahninfrastrukturmaßnahmen erforderlich sein werden. Ohne zusätzliche Busfahrer:innen können weder die Verkehrswende, noch die öffentliche Grundversorgung sichergestellt werden.

Derzeit fehlen rund 5.000 Busfahrer:innen. Über die Hälfte des bestehenden Fahrpersonals ist älter als 50 Jahre alt (Stand 2018). Altersbedingt werden daher immer mehr Fahrer:innen wegfallen, ohne dass genügend Nachwuchskräfte nachrücken. Für die nächsten acht bis zehn Jahre fehlen allein bei den bdo-Mitgliedsunternehmen 36.000 Busfahrer:innen. Mit der Verkehrswende wird der Personalbedarf um mindestens weitere 40.000 Fahrer:innen auf insgesamt 76.000 Busfahrer:innen in 2030 steigen.

II. Ursachen des Fahrpersonalmangels – auf „2 in 1“ Ausbildung umstellen

Hauptursache des enormen Fahrpersonalmangels und der unzureichenden Gewinnung neuer Busfahrer:innen ist die komplizierte Umsetzung der europäischen Berufskraftfahrer-Richtlinie: In Deutschland werden die Fahrausbildung und die für die Personenbeförderung erforderliche Berufskraftfahrerqualifikation getrennt unterrichtet und geprüft. Obwohl sich die Ausbildungsinhalte überschneiden, müssen Busfahrer:innen daher zwei Unterrichtseinheiten mit vielen Pflichtstunden sowie zwei Theorie- und zwei Praxisprüfungen absolvieren. Die Fahrausbildung und die Berufskraftfahrerqualifikation müssen deshalb zusammen unterrichtet und zusammen geprüft werden. Mit einer „2 in 1“-Ausbildung wären Busfahrer:innen nach einer Unterrichtseinheit, einer Theorie- und einer Praxisprüfung einsatzbereit. Der europäische Vergleich zeigt, dass die derzeitige Ausbildung in Deutschland erheblich teurer und zeitaufwändiger ist: Die Führerscheinkosten belaufen sich auf 8.000 bis 10.000 Euro, hinzu kommen bis zu 244 Pflichtstunden. Viele potenzielle Auszubildende scheitern an dieser finanziellen Hürde. Viele Busbetriebe übernehmen die Ausbildungskosten, aufgrund der Vielzahl benötigter Fahrer:innen entstehen dadurch aber hohe betriebliche Kosten. Die hohen wirtschaftlichen Verluste infolge der Busfahrverbote und Stornierungen wegen der Corona-Pandemie haben die Lage verschärft. Aufgrund unzureichender Prüfungstermine bestehen derzeit für prüfungsreife Busfahrerinnen und Busfahrer zudem lange Wartezeiten. Der steigende Fahrpersonalbedarf wird dieses Problem zusätzlich verschärfen. Hinzu kommt, dass junge, potentielle Busfahrer:innen nach der Schule eine hohe Arbeitsmotivation mitbringen: Sie sind gewillt, beruflich durchzustarten. Die lange, bürokratische und der Schule sehr ähnliche Ausbildung zum Busfahrenden schreckt diese Nachwuchskräfte ab.

Unter diesen Bedingungen kann der Busfahrermangel in Deutschland von den Busunternehmen allein nicht entschieden bekämpft werden. Der Fahrermangel gefährdet die weitere Sicherstellung der öffentlichen Grundversorgung im Schüler-, Personennah- und -fernverkehr sowie im Besonderen die angestrebte Verkehrswende. Auch bei Freizeitverkehren und der klassischen Urlaubsreise spielt der Bus als umweltfreundlichstes Verkehrsmittel eine elementare Rolle, da er die umweltfreundliche und preisgünstige Alternative zum Flugverkehr und dem erheblich überlasteten Schienenverkehr darstellt und insbesondere den ländlichen Raum ohne ausreichende öffentliche Verkehrsanbindung erschließt.

Nicht zuletzt wird auch der Wirtschaftsstandort Deutschland geschwächt, weil ein ganzer Wirtschaftszweig mit über 2.000 kleinen und mittelständischen Busbetrieben in seinem Fortbestand gefährdet ist. Es müssen dringend EU-weit vergleichbare Ausbildungsstandards geschaffen werden, damit wieder gleiche Wettbewerbsbedingungen mit dem europäischen Ausland bestehen. Andernfalls wird der traditionelle Busmittelstand in Deutschland verstärkt mit Großbetrieben und ausländischen Wettbewerbern konkurrieren müssen.

Für die aktive Akquise potenzieller Busfahrer:innen haben der bdo und seine Landesverbände eine Fahrergewinnungskampagne (www.diebusunternehmen.de) ins Leben gerufen. Zusätzlich haben der bdo und seine Landesverbände in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Lösungen erarbeitet, wie der Fachkräftemangel bei den Busfahrer:innen in Deutschland bekämpft werden kann. Die konkreten Lösungsvorschläge möchten wir Ihnen im Nachfolgenden erläutern:

III. Maßnahmen der Busbranche zur Behebung des Fahrpersonalmangels

1. Führerscheinerwerb erleichtern

a. Reduzierung der Führerschein-Pflichtstunden unter Beibehaltung des Leistungsprinzips und der Ausbildungsqualität Die Anzahl der in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben Theorie- und Pflichtlektionen für den Busführerschein bemisst sich an der bisherigen Pkw-Fahrpraxis. Busfahrschüler:innen, die bereits über zwei Jahre einen Pkw-Führerschein (Führerscheinklasse B) haben, benötigen weniger Praxislektionen als Fahrschüler:innen mit unter zwei Jahren Fahrerfahrung im Pkw. Die Anzahl der verpflichtenden Theorie- und Praxislektionen unterscheidet sich zudem zwischen den Fahrzeugklassen: Für Busse der Klasse D („normale“ Busse, wie sie im ÖPNV, Reise- und Fernverkehr eingesetzt werden) sind mehr Pflichtlektionen vorgeschrieben als für Busse der Klasse D1 (kleinere Busse für bis zu 16 Fahrgäste und maximal acht Metern Länge).

Die Anzahl der Pflichtlektionen (jeweils 45 Min.) beträgt für die Klasse D1 mindestens 32 Theorielektionen und je nach Fahrerfahrung (s.o.) 32 bis 79 Praxislektionen. Für die Klasse D sind es 48 Theorie- und 58 bis 89 Praxislektionen. Insgesamt fallen, abhängig von der bisherigen Pkw-Fahrerfahrung, für die Klasse D1 mindestens 64 bis 111 verpflichtende Theorie- und Praxislektionen an, was einem Zeitaufwand von 48 bis 83,25 Stunden (60 Min.) entspricht. Für die Klasse D sind insgesamt mindestens 106 bis 137 Theorie- und Praxislektionen vorgeschrieben, was einen Zeitaufwand von 79,5 bis 102,75 Stunden bedeutet. Zum Vergleich: In Österreich müssen für die Klasse D1 und die Klasse D nur 32 Theorie und 8 Praxislektionen (jeweils 50 Min.) und somit 33,3 Stunden für den Busführerschein aufgewendet werden.

Der bdo schlägt daher vor, dass die gesetzlich vorgeschriebene Mindestanzahl der Theorie- und Praxislektionen der Führerscheinklasse D auf die Anzahl der Lektionen der Führerscheinklasse D1 gesenkt wird, d.h. 32 Theorielektionen und je nach Fahrpraxis im Pkw 32 bis 79 Praxislektionen. Die Fahrausbildung würde damit der Praxis gerecht, weil einerseits die Führerscheinklasse D gefragter ist als die Klasse D1 und weil viele gute Fahrschüler:innen bereits vor Erreichen der Pflichtstunden prüfungsreif sind. Der Busführerschein könnte damit mit insgesamt 64 bzw. 111 Lektionen innerhalb von 48 bis 83,25 Stunden erworben werden. Der bdo betont ausdrücklich, dass lediglich die Anzahl der mindestens zu absolvierenden Pflichtstunden reduziert werden, jedoch keinesfalls alle Busfahrschüler:innen zwingend auch mit dieser reduzierten Stundenzahl den Führerschein erhalten sollen. Wie bisher soll die individuelle Eignung der einzelnen Fahrschüler:innen die Anzahl der benötigten Stunden bemessen. Mit einer Reduktion der Pflichtstunden wird es aber möglich, talentierte Fahrer:innen früher zur Prüfung zuzulassen. Diese Reduktion der Pflichtstunden ist dringend erforderlich, weil derzeit viele prüfungsreife Busfahrschüler:innen die verbleibenden Pflichtstunden „absitzen“ müssen, bis sie endlich zur Prüfung zugelassen werden. Der dadurch entstehende, zusätzliche Zeit- und Kostenaufwand belastet die Fahrschüler:innen und die ausbildenden Busunternehmen enorm.

Sofern die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtstunden nicht reduziert werden, muss alternativ eine staatliche Förderung die Führerscheinkosten senken. Auf anderen Wegen können diese Kostentreiber nicht effektiv beseitigt werden und die Nachwuchsgewinnung im deutschen Busgewerbe bleibt weiterhin erschwert. Dass die Anzahl der Pflichtstunden für Fahrschüler:innen mit weniger als zwei Jahren Fahrpraxis im Pkw höher bemessen ist, sollte aus Sicht des bdo beibehalten werden.

b. Reform der Berufskraftfahrerqualifikation

Nach dem Erwerb des Busführerscheins (Klasse D1 oder D) dürfen Busfahrer:innen zwar Busse lenken, jedoch noch keine Fahrgäste befördern. Dazu müssen sie zusätzlich zur Fahrausbildung die Berufskraftfahrerqualifikation erwerben. Die Berufskraftfahrerqualifikation kann durch eine Berufsausbildung und bei einer Industrie- und Handelskammer (IHK) als („normale“) Berufskraftfahrerqualifikation oder als beschleunigte Berufskraftfahrerqualifikation erlangt werden. Die „normale“ Berufskraftfahrerqualifikation umfasst eine Theorie- (4 h) und eine Praxisprüfung (3,5 h) bei einer IHK, wobei sich die Busfahrer:innen die Prüfungsinhalte vorab selbst erarbeiten müssen. Der für das Selbststudium erforderliche Zeitaufwand ist nicht reglementiert oder erhoben. Bei der beschleunigten Berufskraftfahrerqualifikation werden 140 verpflichtende Unterrichtsstunden besucht und eine Theorieprüfung (1,5 h) bei einer IHK absolviert.

i. Integration in die Fahrausbildung („2 in 1“)

Dass die Berufskraftfahrerqualifikation in Deutschland zusätzlich zur Fahrausbildung absolviert wird, verlängert und verteuert den Ausbildungsprozess enorm. In Zahlen ausgedrückt, müssen Busfahrer:innen nach 48 bis 83,25 (Klasse D1) bzw. 79,5 bis 102,75 (Klasse D) Stunden Fahrausbildung (siehe II. 1.) entweder ein zeitlich undefinierbares Selbststudium oder weitere 140 Pflichtstunden aufwenden. Insgesamt dauert die Ausbildung zum/r Busfahrer:in bei der „normalen“ Berufskraftfahrerqualifikation 55,5 bis 90,75 Stunden (Klasse D1) bzw. 87 bis 110,25 Stunden (Klasse D) zzgl. des Selbststudiums. Im Falle der beschleunigten Berufskraftfahrerqualifikation beträgt der Zeitaufwand 189,5 bis 224,75 Stunden (Klasse D1) bzw. 221 bis 244,25 Stunden (Klasse D). Zum Vergleich: In Österreich werden für den Busführerschein und die Berufskraftfahrerqualifikation insgesamt weniger als 40 Stunden aufgewendet.

Aus Sicht des bdo muss die Berufskraftfahrerqualifikation daher am Vorbild Österreichs in die Fahrausbildung integriert werden. Der bdo schlägt vor, dass die Prüfungsinhalte der Fahrausbildung und der Berufskraftfahrerqualifikation zusammen in einer Theorie- und einer Praxisprüfung geprüft werden. Dazu würde die Variante der „normalen“ Berufskraftfahrerqualifikation (Theorie- und Praxisprüfung ohne Pflichtunterricht) in die Fahrschulausbildung eingegliedert werden. Alle Prüfungsinhalte könnten im Fahrschulunterricht vermittelt und zusammen geprüft werden. Die Zusammenführung der Lerninhalte wäre unkompliziert zu bewerkstelligen, weil bereits jetzt thematische Überschneidungen zwischen der Fahrschul- und der Berufskraftfahrerausbildung bestehen, bspw. das Verhalten im Straßenverkehr und bei Notfällen, die Fahrtauglichkeit oder umweltbewusstes Fahrverhalten. Die Kosten- und Zeitersparnis wäre enorm, weil der Zeitaufwand für die Klasse D1 von 189,5 bis 224,75 Stunden auf 55,5 bis 90,75 und für die Klasse D von 221 bis 244,25 Stunden auf 87 bis 110,25 Stunden sinken würde. Die qualitativ hochwertigen Standards bleiben weiterhin sichergestellt, weil weiterhin die EU-rechtlich erforderlichen Prüfungshinhalte vermittelt und dieselben Prüfungsinhalte geprüft werden.

ii. Beseitigung der Sprachbarrieren

Die Berufskraftfahrerqualifikation kann derzeit nur in deutscher Sprache absolviert werden. Viele ausländische Fachkräfte haben trotz der erforderlichen Deutsch-Kenntnisse Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Prüfungsfragen, was teilweise auf die anspruchsvollen Formulierungen zurückzuführen ist. Aus Sicht des bdo muss das Sprachniveau auf ein verständlicheres, dem alltäglichen beruflichen Sprachgebrauch von Busfahrer:innen angepasst werden. Zudem muss die Berufskraftfahrerqualifikation auch in Fremdsprachen abgelegt werden können. Neben Englisch als internationale Sprache müssen auch die bei den Prüfungskandidat:innen häufig vertretenen Sprachen, insbesondere aus dem osteuropäischen Sprachraum, angeboten werden. Für die übrigen Fremdsprachler muss es wie in Österreich möglich sein, einen Dolmetscher zu der Prüfung mitzunehmen.

2. Unbürokratische Anerkennung ausländischer Führerscheine

Ausländische Fachkräfte sind für die Bekämpfung des Fahrermangels in Deutschland unerlässlich. Die angestrebte Verkehrswende wird den Bedarf an ausländischen Busfahrer:innen zusätzlich verstärken. Ausländische Führerscheine, insbesondere aus Drittstaaten, müssen daher leichter und schneller in Deutschland anerkannt werden. Der bdo schlägt vor, dass auch Busfahrer:innen aus Bosnien-Herzegowina, der Ukraine und aus Belarus ihre Fahrerlaubnis in einen EU-Führerschein umtauschen können, ohne erneut eine Theorie- und Praxisprüfung ablegen zu müssen. Für Busfahrer:innen aus diesen Staaten gilt dann die Besitzstandsregelung des § 4 BKrFQG: Wurde ihre Fahrerlaubnis vor dem 10. September 2008 ausgestellt, müssen die Busfahrer:innen keine neue Berufskraftfahrerqualifikation in der EU ablegen, sondern erlangen diese durch eine Weiterbildung gemäß § 5 BKrFQG.

Zusammen mit dem Abbau der Sprachbarrieren in der Ausbildung ermöglichen unbürokratische Rahmenbedingungen zur Anerkennung ausländischer Führerscheine eine zügige Integration erfahrener Fahrer:innen aus dem Ausland. Für eine erleichterte Eingliederung ausländischer Fachkräfte müssen zudem die Verfahren zur Anerkennung beschleunigt und bürokratische Hürden, zum Beispiel auch bei der Wohnsitzverlegung, abgebaut werden.

3. Senkung des Mindestalters für Busfahrer:innen auf europäischer Ebene

Durch das gesetzlich vorgeschriebene Mindestalter für Busfahrer:innen ist es erst ab einem Alter von 23 Jahren möglich, die Fahrer:innen vollständig und flexibel einzusetzen. Jüngere Busfahrer:innen dürfen entweder nur kleine Busse lenken, nur Strecken im Linienverkehr von maximal 50 Kilometern Länge bewältigen oder keine Fahrgäste mitführen. Viele Nachwuchskräfte gehen aufgrund dieser Altersbeschränkung verloren, weil sie in andere Branchen abwandern oder sich erst gar nicht für eine Ausbildung zum/r Busfahrer:in entscheiden. Die Busbetriebe sind daher auf ältere Quereinsteiger angewiesen. Deren Anwerbung wird jedoch durch die hohen Kosten und die lange Dauer der Ausbildung erschwert.

Weil Deutschland mit seinen Altersbeschränkungen bereits den EU-rechtlich möglichen Spielraum ausnutzt, setzt sich der bdo, zusammen mit Verbänden aus anderen Staaten, auf europäischer Ebene für eine Reduktion des Mindestalters für Busfahrer:innen ein. Aus Sicht der Busbranche müssen bereits 21-Jährige uneingeschränkt mit einer beschleunigten Berufskraftfahrerqualifikation Busse führen dürfen. Wird die Berufskraftfahrerqualifikation durch eine Berufsausbildung erworben, soll bereits ab 18 Jahren ein uneingeschränkter Busführerschein ausgestellt werden. Der bdo hofft hier auf Unterstützung der Bundesregierung, um die europäischen Rahmenbedingungen an den Bedarf der Praxis anzupassen, und bittet die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für eine Senkung des Mindestalters für Busfahrer:innen einzusetzen.

4. Senkung der Mindestverdienstgrenze für Busfahrer:innen aus Drittstaaten

Fachkräfte aus Drittstaaten benötigen für die Ausübung einer Beschäftigung in Deutschland einen Aufenthaltstitel. Ab dem 45. Lebensjahr wird ein erstmaliger Aufenthaltstitel nur erteilt, wenn das Gehalt mindestens 55 Prozent der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung entspricht oder eine angemessene Altersvorsorge nachgewiesen wird. Dieses Mindestgehalt wird jährlich durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat festgelegt. Für das Jahr 2022 beträgt das Mindestgehalt in den alten Bundesländern 46.530 Euro und in den neuen Bundesländern 44.550 Euro. Zum Vergleich: Das bundesweite, durchschnittliche Bruttojahresgehalt lag in 2021 über alle Branchen bei 49.200 Euro.

Aufgrund dieser hohen Mindestgehälter profitieren vorwiegend akademische Berufsfelder von dieser Regelung. Der Großteil der Arbeitnehmer:innen, dringend benötigte Fachkräfte, wird von einer Beschäftigung in Deutschland ausgeschlossen. Dies obwohl das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Zuwanderung unter Berücksichtigung der „wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ regulieren soll (§ 1 Abs. 1 AufenthG). Deshalb kann in begründeten Ausnahmefällen, wenn ein „öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Beschäftigung“ von Ausländer:innen besteht, auch von diesen Mindestgehältern abgesehen werden (§ 18 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG). Aufgrund des gravierenden Mangels an Busfahrer:innen ist ein solches Interesse gegeben. Bereits jetzt fallen bundesweit immer mehr Schülerverkehre und Busfahrten im öffentlichen Personenverkehr aus. Die Lage wird sich, auch ohne die Verkehrswende, weiter verschärfen. Dadurch ist die öffentliche Daseinsvorsorge ernsthaft gefährdet. Hinzu kommen enorme wirtschaftliche Einbußen für die Busbranche aufgrund fehlender Nachwuchskräfte. Um dem Fachkräftemangel in Deutschland beizukommen, müssen aus Sicht des bdo über 45-Jährige Busfahrer:innen aus Drittstaaten auch unterhalb dieser Gehaltsschwellen zu einer Tätigkeit in Deutschland zugelassen werden.

IV. Erforderliche Gesetzesänderungen

1. Reduzierung der Führerschein-Pflichtstunden unter Beibehaltung des Leistungsprinzips und Ausbildungsqualität

Fahrschüler-Ausbildungsordnung (FahrschAusbO)

  • Anlage 2.8 FahrschAusbO ist wie folgt zu ändern: o Die Spalte „D1 10 Doppelstunden“ ist in „D1, D 10 Doppelstunden“ abzuändern. o Die Spalte „D1 (Vorbesitz C1) 4 Doppelstunden“ ist in „D1, D (Vorbesitz C1) 4 Doppelstunden“ abzuändern. o Die Spalte „D1 (Vorbesitz C) 4 Doppelstunden“ ist in „D1, D (Vorbesitz C) 4 Doppelstunden“ abzuändern. o Die Spalte „D 18 Doppelstunden“ ist zu streichen. o Spalte „D (Vorbesitz C) 8 Doppelstunden“ ist zu streichen. o Spalte „D (Vorbesitz C1) 12 Doppelstunden“ ist zu streichen. o Die Spalte „D (Vorbesitz D1) 8 Doppelstunden“ ist zu streichen.

  • Anlage 5 FahrschAusbO ist wie folgt zu ändern: o In der Spalte „Vorbesitz der Klasse(n) C mehr als 2 Jahre“ ist die erste Unterspalte „D“ zu streichen und in der Unterspalte „D1“ die Angabe „D1“ durch die Angabe „D1, D“ zu ersetzen. o In der Spalte „Vorbesitz der Klasse(n) C bis 2 Jahre“ ist die erste Unterspalte „D“ zu streichen und in der Unterspalte „D1“ die Angabe „D1“ durch die Angabe „D1, D“ zu ersetzen. o In der Spalte „Vorbesitz der Klasse(n) B/C1 mehr als 2 Jahre“ ist die erste Unterspalte „D“ zu streichen und in der Unterspalte „D1“ die Angabe „D1“ durch die Angabe „D1, D“ zu ersetzen. o In der Spalte „Vorbesitz der Klasse(n) B/C1 bis 2 Jahre“ ist die erste Unterspalte „D“ zu streichen und in der Unterspalte „D1“ die Angabe „D1“ durch die Angabe „D1, D“ zu ersetzen. o Die Spalte „Vorbesitz der Klasse(n) D1“ (Erwerb der Klasse D) sind die Angaben „20, 5, 5, 5“ durch die Angaben „4, 3, 1, 1“ zu ersetzen. o Die Spalte „Vorbesitz der Klasse(n) D“ (Erwerb der Klasse DE) ist zu streichen. o In der Spalte „Vorbesitz der Klasse(n) D1“ (Erwerb der Klasse D1E) sind die Angaben „D1“ durch die Angabe D1, D“ und die Angabe „D1E“ durch die Angabe „D1E, DE“ zu ersetzen.

2. Integration der Berufskraftfahrerqualifikation in die Fahrausbildung

Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz (BKrFQG)

  • In § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BKrFQG werden nach den Wörtern „bei einer Industrie- oder Handelskammer“ die Wörter „oder einer Fahrschule“ eingefügt.

  • In § 2 Abs. 2 BKrFQG werden nach den Wörtern „bei einer Industrie- oder Handelskammer“ die Wörter „oder einer Fahrschule“ eingefügt.

  • In § 18 Abs. 4 BKrFQG werden jeweils nach den Wörtern „bei einer Industrie- oder Handelskammer“ die Wörter „oder einer Fahrschule“ eingefügt.
  • In § 19 BKrFQG werden nach den Wörtern „bei einer Industrie- oder Handelskammer“ die Wörter „oder einer Fahrschule“ eingefügt.

Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung (BKrFQV)

  • § 1 Abs. 3 BKrFQV wird wie folgt gefasst:

„Die Prüfung wird bei der für den Wohnsitz des Prüfungsteilnehmers zuständigen Industrie- und Handelskammer oder einer Fahrschule abgelegt. Die Industrie- und Handelskammern und die Fahrschulen können für den praktischen Teil amtlich anerkannte Sachverständige oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr hinzuziehen. Die Industrie- und Handelskammern und die Fahrschulen müssen für den praktischen Teil in Satz 2 bezeichnete Sachverständige oder Prüfer hinzuziehen, soweit sie nicht über eigenes Personal mit gleichwertiger Qualifikation verfügen. Bei Bedarf müssen die zuständigen Industrie- und Handelskammern und die Fahrschulen mindestens einmal im Vierteljahr einen Prüfungstermin festsetzen. Der Prüfungsteilnehmer kann mit seiner Zustimmung an eine andere Industrie- und Handelskammer oder Fahrschule verwiesen werden, wenn innerhalb eines Vierteljahres weniger als drei Prüfungsteilnehmer zur Prüfung anstehen oder dem Prüfungsteilnehmer andernfalls wirtschaftliche Nachteile entstehen.“

  • § 2 Abs. 7 BKrFQV wird wie folgt gefasst:

„Die Prüfung wird bei der für den Wohnsitz des Prüfungsteilnehmers zuständigen Industrie- und Handelskammer oder einer Fahrschule abgelegt. Bei Bedarf müssen die zuständige Industrie- und Handelskammer und die Fahrschulen mindestens einmal im Vierteljahr einen Prüfungstermin festsetzen. Der Prüfungsteilnehmer kann mit seiner Zustimmung an eine andere Industrie- und Handelskammer oder Fahrschule verwiesen werden, wenn innerhalb eines Vierteljahres weniger als drei Prüfungsteilnehmer zur Prüfung anstehen oder dem Prüfungsteilnehmer andernfalls wirtschaftliche Nachteile entstehen.“

3. Beseitigung der Sprachbarrieren bei der Berufskraftfahrerqualifikation

Berufskraftfahrerqualifikationsverordnung (BKrFQV)

  • § 1 BKrFQV wird um folgenden Abs. 6 ergänzt:

„Die Prüfung über die Grundqualifikation kann in deutscher und englischer Sprache absolviert werden. Die Industrie- und Handelskammer und die Fahrschulen sind befugt, die Prüfungen in weiteren Fremdsprachen durchzuführen. Die Prüfungsteilnehmer sind befugt, während der Prüfung einen Dolmetscher beizuziehen und sich die Prüfungsfragen übersetzen zu lassen.“

  • § 2 BKrFQV wird um folgenden Abs. 10 ergänzt:

„Die Prüfung über die beschleunigte Grundqualifikation kann in deutscher und englischer Sprache absolviert werden. Die Industrie- und Handelskammer und die Fahrschulen sind befugt, die Prüfungen in weiteren Fremdsprachen durchzuführen. Die Prüfungsteilnehmer sind befugt, während der Prüfung einen Dolmetscher beizuziehen und sich die Prüfungsfragen übersetzen zu lassen.“

4. Unbürokratische Anerkennung ausländischer Führerscheine

Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)

  • Anlage 11 FeV ist wie folgt zu ändern: o Die Staaten Ukraine und Belarus müssen in die Anlage 11 aufgenommen werden. Bei allen drei Staaten sind als die anzuerkennenden Führerscheine die Klassen „D1, D1E, D, DE“ einzufügen. Bei dem Erfordernis einer theoretischen oder praktischen Prüfung ist jeweils „nein“ einzufügen. o Beim Staat Bosnien-Herzegowina sind die anerkannten Führerscheinklassen um die Angabe „D1, D1E, D, DE“ zu ergänzen.

5. Senkung des Mindestalters für Busfahrer:innen

Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20 Dezember 2006

  • In Art. 4 Abs. 4 k) RL 2006/126/EG ist die Angabe „24 Jahre“ durch die Angabe „21 Jahre“ zu ersetzen.

Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003

  • Art. 5 Abs. 3 a) i) RL 2003/59/EG EG ist wie folgt zu fassen:

„Jeder Mitgliedstaat kann einem Fahrer das Führen von Fahrzeugen der Führerscheinklassen D1 und D1+E sowie D und D+E ab dem Alter von 18 Jahren gestatten, wenn dieser den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 1 besitzt;“

  • Art. 5 Abs. 3 a) ii) RL 2003/59/EG EG ist wie folgt zu fassen:

„Jeder Mitgliedstaat kann einem Fahrer das Führen von Fahrzeugen der Führerscheinklassen D und D+E auf seinem Hoheitsgebiet ab dem Alter von 20 Jahren gestatten, wenn dieser den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 Absatz 1 besitzt. Das Alter darf auf 18 Jahre herabgesetzt werden, wenn der Fahrer diese Fahrzeuge ohne Fahrgäste führt.“

  • Art. 5 Abs. 3 b) RL 2003/59/EG ist wie folgt zu fassen:

„ab 21 Jahren: von Fahrzeugen der Führerscheinklassen D sowie D+E, sofern er den Befähigungsnachweis gemäß Artikel 6 besitzt.“