SN41 Positionspapier - Nationale Umsetzung der Clean Vehicle Directive

Nationale Umsetzung der Clean Vehicle Directive: Umwelt schonen, Technologieoffenheit bewahren, Mittelstand schützen

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busu-nternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernli-nienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.

I. Ausgangssituation

Im Rahmen der EU-Straßenverkehrsinitiativen der EU-Kommission wurde die Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (sog. Clean-Vehicle-Directive) grundlegend überarbeitet. Die neue Richtlinie 2019/1161/EU (im Nachfolgen-den CVD) ist am 1. August 2019 in Kraft getreten. Für die Mitgliedstaaten hat damit die zweijäh-rige Umsetzungsfrist in nationales Recht begonnen.

Mit der Richtlinie soll der Übergang der Europäischen Union zu emissionsarmer Mobilität geför-dert werden. Da die Vorgängerrichtlinie die Akzeptanz sauberer Fahrzeuge auf dem Markt in der Union nicht beschleunigen konnte, definiert die RL 2019/1161 nun Mindestziele für die öffentliche Auftragsvergabe, indem sie den Mitgliedstaaten Quoten für die Beschaffung von „sauberen“ Fahr-zeugen vorschreibt.

Der bdo begrüßt grundsätzlich die Ziele der EU-Kommission, die Verbreitung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zu fördern und die Emissionen des Verkehrssektors zu senken. Busse sind jedoch Teil der Lösung und nicht des Problems. Unter Verkehrsexperten ist es mittlerweile einhellige Meinung, dass die Verkehrswende allein mit einer Antriebswende nicht gelingen kann, sondern es vielmehr eines massiven Anstiegs der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bedarf. Die Zahlen des Umweltbundesamtes zeigen ganz klar: Der effektivste Weg zur Emissionseinsparung im Personenverkehr ist es, die Menschen von einem Umstieg vom Pkw hin zum ÖPNV zu überzeugen. Für dringend benötigte Veränderung des Modal Split ist eine deutliche Qualitätssteigerung des öffentlichen Verkehrs erforderlich. Dies impliziert in erster Linie einen Angebotsaus-bau - d.h. Taktverdichtung auf bestehenden Linien, Einrichtung neuer Linien, Aufbau und Weiter-entwicklung von On-Demand-Verkehren - und in zweiter Linie attraktive Fahrpreise.

Daher begrüßt der bdo die Festlegung des europäischen Gesetzgebers, dass die Vorgaben der o.g. Richtlinie nicht zu einer Ausdünnung des Angebotes oder zu einer Verteuerung für die Fahr-gäste führen dürfen. Um dies zu erreichen, ist die Bereitstellung ausreichender Mittel zur Kompensation der Mehrkosten durch den Staat unumgänglich. Leider verkennt der europäische Gesetzgeber das Ausmaß der Mehrkosten, indem er nur auf die Fahrzeuge abstellt. Die notwendige Infrastruktur und ihre Implikationen bergen jedoch weitere erhebliche Mehrkosten, die von den Verkehrsunternehmen nicht getragen werden können. Hierfür ist eine staatli-che Förderung dringend notwendig.

Zur anstehenden Umsetzung der Richtlinienvorgaben in nationales Recht nehmen wir Stellung wie folgt:

I. Geltungsbereich

Durch konsequente Effizienzsteigerungen und verbesserte Technik konnten die CO2-Emissionen von Bussen von 1990 bis heute um 87 Prozent gesenkt werden. Busse gehören im ÖPNV schon heute zu den klimafreundlichsten Verkehrsmitteln. Im Gelegenheitsverkehr liegen sie ganz klar an der Spitze. Laut Zahlen des Umweltbundesamtes verursacht ein Linienbus im Durchschnitt 75 Gramm Treibhausgase pro Personenkilometer. Dies sind nur 11g/Pkm mehr als bei elektrisch betriebenen Straßen-, Stadt- und U-Bahnen, aber ganze 64g/Pkm weniger als bei Pkw. Reisebusse emittieren sogar nur 32g/Pkm.

Insgesamt sind Busse nicht einmal für ein Prozent der CO2-Emissionen des Verkehrs verantwortlich.

Die Vorgaben der Richtlinie 2019/1161 zielen also in erster Linie darauf ab, einen ohnehin schon sauberen Verkehrsträger noch sauberer zu machen – leider ohne die damit verbundenen gigantischen Kosten gesamthaft im Blick zu haben. Nach Schätzungen der Bundesregierung kostet ein Elektrobus alleine in der Anschaffung rund 2,5 Mal so viel wie ein Dieselbus – ohne die notwendige Ladeinfrastruktur.

Neben dem ÖPNV findet die CVD auch Anwendung auf Verkehre nach der Freistellungsverordnung (Schüler-, Behinderten- und Kindergartenverkehr).

Die Vorgaben der CVD gelten nicht für eigenwirtschaftliche Verkehre i.S.d. Personenbeförderungsgesetzes. Bei der eigenwirtschaftlichen Verkehrserbringung handelt es sich um eine autonome unternehmerische Betätigung unter Marktbedingungen. Diese steht im Gegensatz zur Systematik der öffentlichen Auftragsvergabe.

II. Fahrzeuge

Es werden klare Vorgaben gemacht, dass die Vorgaben der CVD nur Fahrzeuge der Klasse M3 Unterklasse I (d.h. mit Stehplätzen für Strecken mit zahlreichen Haltestellen, dazu gehören Niederflur- und Low-Entry-Busse) sowie Fahrzeuge der Klasse M1 und M2 betreffen. Fahrzeuge der Klasse M3 Unterklasse II sind nicht vom Geltungsbereich erfasst.

Als „sauber“ im Sinne der Richtlinie gelten Fahrzeuge, die alternative Kraftstoffe nutzen. Laut Art. 2 der Richtlinie 2014/94/EU über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID) sind dies Kraftstoffe oder Energiequellen, die zumindest teilweise als Ersatz für Erdöl als Energieträger dienen und zur Reduzierung der CO2-Emissionen beitragen. Hierzu zählen - Elektrizität, - Wasserstoff, - Biokraftstoffe gemäß der Definition in Artikel 2 Buchstabe i der Richtlinie 2009/28/EG, - synthetische und paraffinhaltige Kraftstoffe, - Erdgas, einschließlich Biomethan, gasförmig (komprimiertes Erdgas (CNG)) und flüssig (Flüssigerdgas (LNG)), und - Flüssiggas (LPG).

Ausgenommen sind Kraftstoffe, die aus Rohstoffen mit einem hohen Risiko indirekter Landnutzungsänderungen erzeugt wurden, für die gemäß Artikel 26 der Richtlinie (EU) 2018/2001 eine erhebliche Ausweitung des Erzeugungsgebiets auf Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand zu verzeichnen ist. Bei Fahrzeugen, die mit flüssigen Biobrennstoffen oder synthetischen oder paraffinhaltigen Kraftstoffen betrieben werden, dürfen diese Kraftstoffe nicht mit konventionellen fossilen Brennstoffen vermischt werden.

Bedauerlicherweise wurde vom europäischen Gesetzgeber völlig ignoriert, welche Emissionen von „Well-to-Wheel“ (WTW) tatsächlich entstehen.

Bereits jetzt ist bekannt, dass die EU-Kommission plant, zu einem späteren Zeitpunkt „saubere“ Fahrzeuge anhand von CO2-Emissionen zu klassifizieren. Dies schafft Unsicherheit bezüglich der zur Erfüllung der Vorgaben der Richtlinie 2019/1161/EU erforderlichen Investitionen. Wenn heute in ein als „sauber“ definiertes System aus Fahrzeugen und Infrastruktur investiert wird und sich vor der Amortisierung dieser Investition herausstellt, dass die Fahrzeuge bei Berücksichtigung aller CO2-Emissionen doch nicht „sauber“ sind, kann dies die wirtschaftliche Existenz der Unternehmen bedrohen. Hier gilt es, den Unternehmen verlässliche Investitionsperspektiven zu schaffen.

Für die für 2020 angekündigte Überarbeitung der AFID ist aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Investitionsverlässlichkeit seitens der Mitgliedstaaten zwingend sicherzustellen, dass die Liste der als sauber geltenden Antriebstechnologien nicht reduziert wird. Zudem sollte eine größere Kohärenz dieser Richtlinie mit der Richtlinie 2019/1161/EU hergestellt werden.

III. Beschaffungsquote

Die CVD eröffnet den Mitgliedstaaten gemäß Erwägungsgründen 19 und 22 einen Spielraum dahingehend, sich bei der Umsetzung der nationalen Mindestziele besonders auf Gebiete, die eine vergleichsweise hohe Luftverschmutzung und Lärmbelastung aufweisen, zu konzentrieren oder auch Faktoren wie Wirtschaftskraft, Bevölkerungsdichte sowie Merkmale der Verkehrssys-teme zu berücksichtigen. Von diesem Spielraum sollte Gebrauch gemacht werden. Ziel muss es zunächst sein, an Brennpunkten mit besonders hohen Schadstoffwerten Verbesserungen zu schaffen. Gleichzeitig muss vermieden werden, kleine Unternehmen finanziell zu überfordern o-der im ersten Schritt, Unternehmen im ländlichen Raum ohne Luftreinhalteproblematik in die Mit-haftung für den Dieselbetrug der Autokonzerne zu nehmen, der für die Überschreitung der NOX-Grenzwerte in Ballungsräumen maßgeblich verantwortlich ist. Entsprechend plädiert der bdo ganz entschieden für eine bundesweite Beschaffungsquote. Eine Quote pro Beschaffungsvor-gang wird den regionalen Besonderheiten vor Ort nicht gerecht.

IV. Ausnahmen

Gemäß Artikel 3 Absatz 1 b der Richtlinie 2019/1161 ist für öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne der VO (EG) 1370/2007 der Schwellenwert für KMU-Direktvergaben (Art. 5 Abs. 4 der VO (EG) 1370/2007) als möglicher nationaler Schwellenwert benannt.

Öffentliche Dienstleistungsaufträge, die den Schwellenwert des Art. 5 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 1370/2007 nicht übersteigen, sollten vom Geltungsbereich ausgenommen werden. Gerade im ländlichen Raum ist die erforderliche Infrastruktur (sowohl für Elektrobusse und Wasserstoff-brennstoffzellenbusse, aber auch hinsichtlich anderer alternativer Kraftstoffe) oftmals schlichtweg nicht vorhanden. An diesem Zustand wird sich nach aktuellem Kenntnisstand auch in den nächs-ten Jahren nichts ändern. Zur Aufrechterhaltung bzw. zum Ausbau des ÖPNV-Angebots in der Fläche ist daher eine Umsetzung der CVD mit Augenmaß unerlässlich.

V. Finanzielle Förderung

Wie oben ausgeführt, erfordert der Umstieg auf alternative Antriebe erhebliche finanzielle Res-sourcen. Hier ist es essentiell, dass die Antriebswende mit passenden Förderprogrammen be-gleitet wird. Die Förderinstrumente sind im Einklang mit dem Small Business Act der EU mittel-standsfreundlich zu gestalten. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass es durch unter-schiedliche Fördersätze nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen kommt. Gerade vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Sofortprogramm „Saubere Luft in Städten 2017 bis 2020“ bittet der bdo, die Fördersystematik auf den Prüfstand zu stellen, die Antragsformalitäten zu vereinfachen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen pri-vaten und kommunalen Unternehmen zu vermeiden.

In diesem Zusammenhang muss sichergestellt werden, dass auch Unternehmen, die zwar nicht in „belasteten Gebieten“ ansässig sind und u. U. deshalb nicht unter die CVD fallen, aber dennoch gemäß dieser Richtlinie Fahrzeuge beschaffen wollen, eine Förderung erhalten können. Dies ist vor allem im Hinblick auf eine Fortschreibung der Richtlinie und eine evtl. Ausweitung der Anfor-derungen geboten, um der Entstehung künftiger „Schieflagen“ vorzubeugen.

Im Hinblick auf mögliche beihilferechtliche Konflikte regen wir die Prüfung einer gesetzlichen Ver-ankerung der Förderung und eine frühzeitige Notifizierung an.

VI. Infrastruktur

Die CVD fokussiert sehr stark auf die Fahrzeuge selbst und lässt die erforderliche Infrastruktur nur nebensächlich anklingen. Zur Erreichung der durch diese Richtlinie vorgegebenen Ziele ist es jedoch unerlässlich, dass auch die Infrastruktur zur Verfügung steht bzw. deren Bereitstellung intensiv, in ausreichender Höhe und mit vertretbarem bürokratischem Aufwand gefördert wird.

In diesem Zusammenhang plädieren wir für die Verlängerung der Geltungsdauer der PBefG-Ge-nehmigungen. Diese beträgt derzeit gemäß § 16 Abs. 2 PBefG höchstens zehn Jahre. Die Ge-nehmigung kann für einen längeren Zeitraum festgelegt werden, wenn die Voraussetzungen des Artikels 4 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vorliegen. Damit wären für öffentliche Dienstleistungsaufträge im Busbereich 15 Jahre Laufzeit möglich, wenn Investitionen in entspre-chende Wirtschaftsgüter (hier z. B. Ladeinfrastruktur auf Betriebshöfen) getätigt werden müssen. Um eine Amortisierung dieser Investitionen zu ermöglichen, muss von dieser Möglichkeit dringend Gebrauch gemacht werden.

Da es sich bei den für die Ladeinfrastruktur erforderlichen finanziellen Aufwendungen um sehr hohe und außergewöhnliche Investitionen handelt, sollte nach unserer Auffassung hier sogar eine noch weitergehende Verlängerung möglich sein; vgl. dazu auch Erwägungsgrund 15 der VO (EG) 1370/2007.

VII. Praktische und steuerliche Förderung synthetischer Dieselkraftstoffe

Klimaschutz kann, wie oben ausgeführt, durch eine Verlagerung vom motorisierten Individualver-kehr hin zum öffentlichen Verkehr erreicht werden. Allerdings müssen dabei die Kosten für den öffentlichen Verkehr im Auge behalten werden. Eine schnelle flächendeckende Umstellung auf Elektro- und Wasserstoffbusse ist nach derzeitigem Stand der technischen Entwicklung, der in Deutschland vorhandenen Infrastruktur und der Verfügbarkeit von Wasserstoff weder realistisch noch finanziell darstellbar.

Synthetische Treibstoffe können hier – zumindest für einen Übergangszeitraum – eine sinnvolle Alternative sein. Die Verwendung synthetischer Kraftstoffe macht Dieselbusse gemäß den Vor-gaben der CVD in Verbindung mit der AFID zu „sauberen“ Fahrzeugen. Diese Kraftstoffe sind jedoch derzeit an den Zapfsäulen nicht in reiner Form erhältlich, sondern nur als Beimischung. Wir unterstützen daher den Antrag der Länder Baden-Württemberg, Brandenburg und Hamburg zur Änderung der Verordnung zum Bundesimmissionsschutz-Gesetz, um Power-to-Liquid (PtL)-Kraftstoffe an den Tankstellen künftig als Reinkraftstoffe vermarkten zu können. Im Unterschied zu anderen regenerativ gewonnenen Kraftstoffen ist ein Vertrieb unter Nutzung der vorhandenen Tankstellen-Infrastruktur möglich und dieser Vorteil sollte nutzbar gemacht werden.

Darüber hinaus ist es unumgänglich, mit Steuererleichterungen Anreize für alternative Kraftstoffe zu setzen. Die Dekarbonisierung des öffentlichen Verkehrs kann nicht durch eine Verteuerung des Dieselkraftstoffes – die mit einer Erhöhung des CO2-Preises einhergeht – erreicht werden. Ohne eine entsprechende Förderung von alternativen Kraftstoffen, oder Ausnahmen für im ÖV genutzten Treibstoffs, hätte die Verteuerung von Diesel den Effekt einer Kostenexplosion im ÖPNV, die weder von den Unternehmen noch von den Fahrgästen getragen werden kann.

VIII. Fazit

Die Senkung der Emissionen des Verkehrssektors ist zwingend geboten, um die Klimaziele zu erreichen. Aber ebenso klar ist, dass Busse Teil der Lösung und nicht des Problems sind. Ein Ausbau des ÖPNV und die Schaffung attraktiver, verlässlicher und nachhaltiger Angebote sind die Grundvoraussetzung, um Menschen vom Verzicht auf die Pkw-Nutzung zu überzeugen. Dies erfordert sehr hohe Investitionen. Vor diesem Hintergrund muss die Umsetzung der Richtlinie 2019/1161/EU mit Augenmaß erfolgen und gerade die besonderen Gegebenheiten im ländlichen Raum und die heterogene Wirtschaftskraft der im ÖPNV engagierten Unternehmen berücksichtigen.

Als Vertretung der privaten mittelständischen Busunternehmen fordern wir daher: - Bundesweite Quote - Unbürokratische Kompensation der Mehrkosten - Wettbewerbsneutrale Förderung der Fahrzeuge und Infrastruktur - Laufzeitverlängerung von PBefG-Genehmigungen