SN61 bdo-Impulse für einen starken ÖV mit Bussen - Bundestagswahl 2021

Für mehr nachhaltige Mobilität und einen starken Busmittelstand: Handlungsempfehlungen des privaten Omnibusgewerbes für die nächste Legislaturperiode.

Rund 42.000 Busse, mehr als 50.000 Fahrerinnen und Fahrer und über 4.000 Unternehmen – dafür steht das private Busgewerbe. Lokal verwurzelt als wichtiger Arbeitgeber gerade im ländlichen Raum erbringen die privaten Busunternehmen rund ein Viertel der Verkehrsleistung im ÖPNV. Mit einer Brut-towertschöpfung von 14,3 Milliarden Euro und fast 40 Millionen gewerblichen Übernachtungen pro Jahr ist die Bustouristik in Deutschland von der Größe her mit dem gesamten Schweizer Tourismussektor vergleichbar. Im Fernbusbereich befördern die Linienbusse annähernd so viele Reisende wie inner-deutsch fliegen.

Busse sind das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs. Kein anderes Verkehrsmittel ermöglicht mehr Men-schen Mobilität und damit gesellschaftliche Teilhabe. Und das mit hervorragenden Umweltwerten. Das Umweltbundesamt kommt regelmäßig zu dem Befund, dass Reise- und Fernbusse die geringsten Treib-hausgasemissionen verursachen. Auch im Nahverkehr punkten Busse mit Klimafreundlichkeit.

Gleichzeitig haben die Folgen der Corona-Pandemie kaum eine Branche so sehr getroffen wie die Bus-unternehmen. Wegbrechende Fahrgastzahlen im ÖPNV, mindestens acht Monate Busreiseverbot für die Touristik-Unternehmen, ohne dass zurzeit ein Ende absehbar ist und auch im Fernlinienverkehr nutzt Corona-bedingt nur noch ein Bruchteil der Reisenden den Bus.

Es gibt also viele gute Gründe, den Busverkehr und die vielen, kleinen und mittleren zumeist familien-geführten Unternehmen zu unterstützen – für die Verkehrswende und eine starke mittelständische Wirt-schaft. Wie dies gelingen kann, zeigt der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) mit seinen Handlungsempfehlungen für die nächste Legislaturperiode auf. Die Vorschläge des bdo kreisen in drei Kapiteln um den Bus, seine Bedeutung für die Verkehrswende und wie sein Potenzial besser gehoben werden kann; Fördermöglichkeiten für den Erfolg der Antriebswende und wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Gewerbe angepasst werden müssten.

1. WIRTSCHAFTLICHE RAHMENBEDINGEN VERBESSERN, UNTERNEH-MERTUM FÖRDERN.

Die Bedingungen für ein erfolgreiches Wirtschaften des Busmittelstands haben sich in den letzten Jah-ren kontinuierlich verschlechtert. Gleichzeitig hat die Corona-Pandemie kaum eine Branche so sehr getroffen wie die Busunternehmen. Der öffentliche Personenverkehr mit Bussen ist in seiner Substanz akut bedroht. Busunternehmen brauchen daher weiter wirksame Hilfen, damit sie ihre Rolle für den Klimaschutz im Verkehrssektor und die Mobilität im Land auch in Zukunft übernehmen können. Hierfür bedarf es konkret direkter Hilfen, die über das Ende des Lockdowns hinausgehen, sowie Verbesserun-gen der Rahmenbedingungen für das wirtschaftliche Agieren der vielen Unternehmen. Der bdo schlägt daher die folgenden Maßnahmen vor:

CORONA-HILFEN ÜBER ENDE DES LOCKDOWNS HINAUS VERLÄNGERN.

Selbst wenn Busreisen wieder möglich sind, werden die Unternehmen die Auswirkungen der Pandemie auf das Reiseverhalten der Menschen noch lange spüren. Eine Fortsetzung der Hilfen für besonders betroffene Branchen über das Ende des Lockdowns hinaus ist unbedingt erforderlich – etwa eine Sen-kung der Mehrwertsteuer auf Fahrten im Fernlinien- und Gelegenheitsverkehr mit Bussen.

VORRANG DER EIGENWIRTSCHAFTLICHKEIT BEWAHREN.

Die Sicherstellung von Mobilität ist grundgesetzlich festgelegter Teil der Daseinsvorsorge und damit eine der Kernaufgaben der öffentlichen Hand. Der bdo ist jedoch der festen Überzeugung, dass dies nicht meint, dass Mobilitätsdienstleistungen direkt von Kommunen über ihre Unternehmen erbracht wer-den. Vielmehr muss der Grundsatz gelten: Erst wenn unternehmerische Daseinsvorsorge nicht in der Lage ist, ein angemessenes Angebot für die Bürger zu schaffen, rechtfertigt dies ein Engagement der öffentlichen Hand. Der Wesensgehalt von Eigenwirtschaftlichkeit ist, dass das Busunternehmen seine Verkehre und das Mobilitätsangebot so planen und gestalten muss, dass sein Produkt, in diesem Fall die Beförderungsdienstleistung, von den Kundinnen und Kunden angenommen wird. Nur so kann sich das Unternehmen am Markt behaupten. Entsprechend ist unternehmerische Daseinsvorsorge oft das beste Instrument, das Bedürfnis der Menschen nach bezahlbarer Mobilität zu bedienen. Wenn sich kommunale Unternehmen im ÖPNV betätigen, ist entscheidend, dass Chancengleichheit beim Marktzugang besteht.

AUSGLEICHSLEISTUNGEN DISKRIMINIERUNGSFREI AUSZAHLEN

Der Busmittelstand will seinen Beitrag zur Verbesserung von Umweltschutz und Arbeitsbedingungen leisten. Um dies auch für die Zukunft sicherzustellen, muss klar im PBefG verankert werden, dass auch eigenwirtschaftliche Verkehre über den verpflichtenden Erlass allgemeiner Vorschriften Ausgleichsleis-tungen für aus sozialen oder ökologischen Gründen festgelegte Fahrpreise (Tarife) erhalten. Dem Bus-mittelstand müssen die Werkzeuge an die Hand gegeben werden, damit er weiterhin seinen Beitrag zu noch nachhaltigerer Mobilität leisten kann und es den vielen Familienunternehmen auch künftig möglich ist, das Wohl ihrer Arbeitnehmer*innen in den Fokus ihres Wirtschaftens zu stellen – ohne dass ein ruinöser Preis- und Verdrängungswettbewerb zum Nachteil aller geführt wird.

MEHRWERTSTEUER SENKEN.

Umfragen zeigen: Corona schwächt die Öffentlichen Verkehrsmittel und stärkt den Pkw. Busse und Bahnen müssen attraktiver gemacht werden. Für eine Belebung der Bus-Branche und den Neustart nach Corona braucht es die Mehrwertsteuersenkung – egal ob für Tickets im Fernbus oder für Fahrten im Gelegenheitsverkehr. Eine Senkung würde deutlich unter 100 Millionen Euro kosten. Gut investiertes Geld: Vor der Pandemie beförderten Reise- und Fernbusse klimafreundlich fast 100 Millionen Reisende jährlich. Eine Mehrwertsteuersenkung würde helfen, die Corona-bedingten Einbrüche bei den Fahrgastzahlen auszugleichen und den Bus attraktiver für das Reisen zu machen.

DIGITALISIERUNG FÖRDERN.

Das überarbeitete Personenbeförderungsgesetz verpflichtet Busunternehmen, bereits erhobene Echt-zeitdaten, etwa zu Auslastung oder Verspätungen, dem Nationalen Zugangspunkt (NAP) zur Verfügung zu stellen. Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind aber zurzeit häufig aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten nicht in der Lage, diese Daten zu erheben. Will man also mehr Daten in den Nationalen Zugangspunkt bekommen, braucht es ein entsprechendes Förderprogramm, um gerade die Digitalisierung im ländlichen Raum zu verbessern. Denn wer fordert, muss auch die finanziellen Mittel bereitstellen. Für die Ertüchtigung der Verkehrsunternehmen und deren Busse, die geforderten Echt-zeitdaten bereitstellen zu können, muss laut einem bislang unveröffentlichten Gutachten des BMVI mit Investitionskosten von über 400 Millionen Euro gerechnet werden.

BÜROKRATIE BEIM EU-MEHRWERTSTEUERREGIME ABBAUEN.

Es gibt kaum größere Herausforderungen als den Überblick bei den unterschiedlichen Mehrwertsteuer-regelungen in der EU zu behalten. Selbst professionelle und auf solche Fragen spezialisierte Steuerbe-rater kommen hier an ihre Grenzen. Von Busmittelständlern, die Reisen in verschiedene Nachbarländer anbieten, wird jedoch genau dieses erwartet. Die von der EU-Kommission geplante Überarbeitung des Mehrwertsteuerregimes muss endlich genutzt werden, um Bürokratie abzubauen und die Regeln zu vereinfachen.

CO2-PREIS KOMPENSIEREN.

Der bdo begrüßt grundsätzlich die Einführung eines CO2-Preises als Maßnahme, um Emissionen des Straßenverkehrs zu senken. Allerdings treffen die steigenden Benzin- und Dieselpreise auch den Bus-sektor und das zu einer Zeit, in der die Zahl der Busreisenden sinkt und die Fahrleistung beim Pkw weiterhin steigt. Durch den CO2-Preis wird Kapital gebunden, was bei den dringend benötigten Investi-tionen in die Antriebswende – den Kauf von Elektro-Bussen und den Aufbau der Tank- und Ladeinfrastruktur – fehlt. Ein Desaster für die Verkehrswende.

Gleichzeitig kämpfen die Unternehmen der Branche Corona-bedingt um ihr Überleben. Es müssen da-her unbedingt Maßnahmen ergriffen werden, um die Preissteigerungen beim Diesel für Busse zu kom-pensieren. Nur so kann die Attraktivität des klimafreundlichen Buses gegenüber dem Pkw gesteigert werden.

Denkbar wäre eine Kompensation des CO2-Preises über den bereits existierenden Mechanismus der Steuerrückerstattung über die Hauptzollämter (§56 Energiesteuergesetz). Derzeit können sich ÖPNV-Unternehmen fünf Eurocent pro verbrauchtem Liter Diesel erstatten lassen. Der Erstattungsbetrag pro Liter sollte in Anlehnung an den steigenden CO2-Preis schrittweise erhöht und die Erstattungsfähigkeit auch auf Reisebusse im Fern- und Gelegenheitsverkehr ausgeweitet werden. 2025 sollte eine Evalua-tion des Rabatts für Fern- und Gelegenheitsverkehr im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Reisebussen mit alternativen Antrieben erfolgen. Bei Verfügbarkeit von markttauglichen Modellen, die wirtschaftlich zu betreiben sind, wird der Rabatt dann phasenweise beendet.

FAHRERMANGEL ENTGEGENTRETEN: KOSTEN REDUZIEREN, MINDESTALTER SENKEN UND GELTUNGSBEREICH DES D1-FÜHRERSCHEINS AUSWEITEN.

Eines der drängendsten Probleme der Busbranche ist der Fahrermangel. Ein Großteil des Fahrpersonals wird in den kommenden Jahren altersbedingt aus dem Beruf ausscheiden. Um hier gegenzusteuern und mehr Menschen für die Profession des Busfahrens zu gewinnen, sind dringend die folgenden Schritte in Berlin und Brüssel erforderlich:

Die Kosten eines Bus-Führerscheins sind in Deutschland erheblich höher als beispielsweise in Öster-reich und betragen in der Regel rund 10.000 Euro. Diese Summe stellt eine erhebliche Hürde für die Busunternehmen dar. Hier muss nach Wegen gesucht werden, die Kosten zu senken – natürlich ohne Kompromisse bei der Sicherheit einzugehen.

Busfahrer*innen können außerdem erst mit 24 Jahren in allen Bereichen des Busgewerbes eingesetzt werden. Erst dann können sie bei grenzüberschreitenden Busreisen fahren. National sind Fahrten im Gelegenheitsverkehr erst mit 21 Jahren möglich. Diese Altersgrenzen sind viel zu hoch und müssen herabgesetzt werden – vor allem, weil der Nachwuchs für den Beruf des Busfahrens die Schule in der Regel mit 16 Jahren verlässt. Dies bedeutet, dass es derzeit rund 8 Jahre dauert, bis der Schritt vom Auszubildenden zur unbeschränkten Einsatzfähigkeit erreicht ist.

Darüber hinaus sieht die EU-Führerschein-Richtlinie für den D1-Führerschein vor, dass maximal 16 Passagiere befördert werden dürfen. Mit dieser Vorgabe droht der D1-Führerschein jedoch praktisch bedeutungslos zu werden. Dies liegt daran, dass in der sogenannten „Sprinterklasse“ kaum noch Fahr-zeuge für 16 Passagiere angeboten werden. Der Trend geht klar zu Kleinbussen mit 22 Sitzen. Ent-sprechend plädiert der bdo dafür, die maximale Zahl der Fahrgäste beim D1-Führerschein auf 22 anzu-heben.

2. BUS ALS TRAGENDE SÄULE DER VERKEHRSWENDE WÜRDIGEN.

Für das Gelingen der Verkehrswende kommt dem Bus eine entscheidende Bedeutung zu. Zwar ist es richtig, den Schienenverkehr auszubauen und für seine Rolle als Rückgrat der Verkehrswende vorzubereiten, aber nur mit dem Bus kann den Menschen zeitnah, kostengünstig und flexibel ein Angebot gemacht werden, vom MIV auf den ÖV zu wechseln. Schienenprojekte sind schlicht und einfach nicht kurzfristig zu realisieren. Verkehrswende heißt auch nicht, die bald 48 Millionen Pkw auf Elektromotoren umzustellen. Vielmehr braucht es eine massive Verlagerung weg vom Auto hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln und es muss JETZT gehandelt werden, um den drohenden Klima-kollaps zu verhindern. Dazu gehört auch, jegliche Maßnahmen zu unterlassen, welche die Attraktivität des Busfahrens senken. Entsprechend ist eine Busmaut abzulehnen. Für das Gelingen der Verkehrs-wende schlägt der bdo folgende Maßnahmen vor:

FINANZIERUNG DES ÖPNV AUFSTOCKEN.

Um die Verkehrswende zum Erfolg zu führen, braucht es unbedingt ein Mehr an Busverkehr – egal ob im ländlichen Raum, in Ballungsgebieten oder im Stadtverkehr. Für die Ausweitung des Angebots sind erhebliche zusätzliche Mittel erforderlich. Zwar wurden die Bundesmittel für den ÖPNV in den letzten Jahren beständig erhöht, allerdings kamen diese vorwiegend dem Schienenverkehr zu Gute.

Wir brauchen einen Systemwechsel dahin, dass der Bund größere Verantwortung bei der Finan-zierung des straßengebundenen ÖVs übernehmen kann und damit verbunden deutlich höhere Zuwendungen für den ÖPNV mit Bussen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass diese Mittel von den Ländern nicht zweckentfremdet oder „für schlechte Zeiten gespart“ werden.

BUSINFASTRUKTUR FÖRDERN.

Ein Vorteil von Bussen gegenüber anderen öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Fähigkeit, existierende Infrastrukturen mit zu nutzen. Allerdings kommt es hier oftmals zu Nutzungskonflikten. Von Pkws aus-gelöste Staus behindern nur zu oft den öffentlichen Verkehr mit Bussen. Abhilfe können Busspuren oder auch spezielle Schnellbus-Infrastrukturen (Bus Rapid Transit Systeme) schaffen, wodurch Busse getrennt vom Pkw-Verkehr schnell und pünktlich Mobilität ermöglichen. Darüber hinaus ist die Haltestelleninfrastruktur bei Omnibusbahnhöfen oftmals unzureichend – insbesondere auch im Be-reich der Barrierefreiheit. Abhilfe kann eine Reform des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) schaffen. Bus-Infrastruktur muss endlich mit Mitteln des GVFG gefördert werden können und darüber hinaus müssen die Mittel aufgestockt werden.

FERNBUSVERKEHRE UNTERSTÜTZEN.

Die Liberalisierung des Fernbusmarktes hat gezeigt, dass erhebliche Nachfrage nach dieser Mobilitäts-form besteht. Die einseitige Förderung des Schienenpersonenfernverkehrs hat jedoch zu einem Einbre-chen der Fahrgastzahlen in diesem Bereich geführt. Nachdem die Zahl der Fernbusnutzer*innen von 2015-2018 bei 23 Millionen stagnierte, sank sie 2019 um rund 2 Millionen. Gewinnen bei der Bahn standen damit erhebliche Verluste beim Fernbus gegenüber. Der Verkehrswende wird damit nicht ge-holfen. Es braucht endlich ein klares Bekenntnis der Politik zum Fernbus. Es ist nicht zielführend, alleine eine Verdopplung des Bahnverkehrs bis 2030 zu fordern. Für mehr nachhaltige Mobilität braucht es auch den Fernbus. Das Ziel muss daher lauten: Wir wollen die Zahl der Reisenden mit Bus und Bahn bis 2030 verdoppeln. Einseitige, wettbewerbsverzerrende Förderungen der Bahn sind daher abzulehnen. Darüber hinaus sollte sich Deutschland auch in Brüssel dafür einsetzen, das Potenzial des Fernbusses zu heben – über die Strategie für smarte und nachhaltige Mobilität und eine Neuauflage der Reform der Marktzugangsverordnung für den Fernbusverkehr.

NACHHALTIGEN TOURISMUS FÖRDERN.

Busreisen sind ein wesentlicher Bestandteil von nachhaltigem Tourismus. Klimaschonend wie kaum ein anderes Verkehrsmittel ermöglicht der Bus Besuche auch von Zielen abseits der Hauptrouten. Leider wird diese Rolle bislang zu wenig gewürdigt. Ein wesentlicher Hemmschuh für eine positivere Ent-wicklung der Bustouristik sind Regelungen zu Lenk- und Ruhezeiten, die sich im Wesentlichen an den Erfordernissen des Güterverkehrs orientieren und die Besonderheiten des Gelegenheitsverkehrs ignorieren. Die EU hat dies Problem erkannt und die Kommission mit einer Überprüfung der aktuellen Regelungen betraut. Deutschland muss sich an diesem Projekt konstruktiv beteiligen, um längst überfällige Verbesserungen zu erreichen – im Interesse der Reisenden, der Fahrer*innen und der Unternehmen.

Neben einer Anpassung der Lenk- und Ruhezeiten plädiert der bdo dafür, endlich die Liegendbeförde-rung in Bussen zu ermöglichen. Deutschland und Europa erleben derzeit eine Renaissance des Nacht-zugs. Abends losfahren und morgens erholt ankommen – mit diesem Rezept wird es gelingen, in er-heblichem Umfang Flugreisen zu vermeiden. Neben der Bahn kann der Bus eine wesentliche Rolle in diesem Konzept spielen. Allerdings stehen regulatorische Hindernisse der Liegendbeförderung in Bussen entgegen. Im Interesse des Klimaschutzes muss es auch in Deutschland möglich sein, entsprechende „Schlafbusse“ anzubieten. Die erforderlichen technischen Vorrichtungen zum Schutz der Reisenden sind vorhanden.

3. ANTRIEBSWENDE VORANTREIBEN, ELEKTROMOBILITÄT FÖRDERN.

Der Umstieg auf alternative Antriebe im öffentlichen Busverkehr ist ein klares politisches Ziel. Allerdings werden Elektrobusse oder Systeme mit Brennstoffzellenantrieb auf absehbare Zeit mit erheblichen Mehrkosten gegenüber konventionellen Antrieben verbunden sein. Daher begrüßt der bdo, dass von Seiten der Bundesregierung ein entsprechendes Förderprogramm aufgelegt wurde, das richtigerweise auch Reisebusse umfasst. Nichtsdestotrotz besteht bei den Mehrkosten immer noch eine Deckungslü-cke von mindestens 20 Prozent. Bei einem Preisunterschied von rund 300.000 Euro pro Fahrzeug be-deutet dies ungedeckte Mehrkosten von mindestens 60.000 Euro – ohne Infrastrukturkosten, notwen-dige Batterie-Wechsel oder die erforderlichen Schulungen des Personals. Dabei ist klar: Fahrpreiserhö-hungen stehen nicht zur Debatte. Entsprechend muss durch Nachjustierungen bei den Betriebskosten sichergestellt werden, dass sich die höheren Investitionskosten über die Lebensdauer des Busses amortisieren. Die Senkung der EEG-Umlage für Linienbusse war ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sind noch weitere Maßnahmen erforderlich. Der bdo schlägt daher folgende zusätzliche Maßnahmen vor:

FÖRDERUNG MITTELSTANDSFREUNDLICH AUSGESTALTEN.

Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde die Beschaffung von Elektrobussen gefördert. Allerdings waren die Hürden für die Förderung so hoch, dass der Busmittelstand quasi leer ausgegangen ist. Fi-nanzielle Unterstützung erst bei einer Beschaffung von fünf Bussen, überbordende Bürokratie oder die verpflichtende Einbettung in Forschungsvorhaben waren von KMU nicht zu leisten. Alle kommenden Fördervorhaben müssen einem Mittelstandscheck unterzogen werden. Hauptkriterien müssen immer eine Förderung ab dem ersten Bus, niedrige Schwellenwerte und eine pragmatische, unbürokratische Herangehensweise sein.

GENEHMIGUNGSZEITRÄUME VERLÄNGERN.

Um die erheblichen Kosten der Antriebswende hin zur Elektromobilität wirtschaftlich darstellen zu kön-nen, muss die Geltungsdauer der Genehmigung für den ÖPNV-Linienverkehr dringend auf 15 Jahre verlängert werden. In Anbetracht der langen Amortisationsdauer notwendiger Investitionen halten wir es für unabdingbar, die Geltungsdauer der Genehmigung für Linienverkehre mit Kraftomnibussen zu verlängern. Die verlängerte Genehmigungsdauer muss dabei genauso und erst recht für eigenwirt-schaftliche Genehmigungen gelten, auch wenn bzw. weil es mit E-Bussen noch schwieriger sein wird, ohne spezifischen Zuschuss den Verkehr darzustellen.

INFRASTRUKTURKOSTEN STÄRKER FÖRDERN.

Der wesentliche Kostentreiber bei der Elektrifizierung des öffentlichen Verkehrs mit Bussen ist die Inf-rastruktur. Gleichzeitig werden hier nur 40 Prozent der Mehrkosten gefördert. Die Förderprogramme müssen erheblich aufgestockt werden, um der Elektromobilität zum Erfolg zu verhelfen. Darüber hinaus muss es eine Pflicht der lokalen Versorger geben, die erforderlichen Leitungskapazitäten für Elektrobus-Betriebshöfe bereitzustellen und diese anzuschließen.

BUSSE BEI DER NOVELLE DER EU-ENERGIESTEUERRICHTLINIE BERÜCKSICHTIGEN.

Bislang sind nur Stromsteuerrabatte für Oberleitungsbusse möglich. Die anstehende Novelle der Richt-linie muss genutzt werden, um Rabatte bei der Traktionsenergie für Busse zu ermöglichen – egal ob diese im ÖPNV, Fern- oder Gelegenheitsverkehr fahren. Wer mehr ÖV will, muss seine preisliche At-traktivität gegenüber dem MIV steigern.

EEG-UMLAGE AUCH FÜR REISEBUSSE SENKEN.

Mit der jüngsten Novelle des EEG wurde die Senkung der Umlage für Linienbusse beschlossen. Aber auch bei Reisebussen wird die Antriebswende in den nächsten Jahren an Fahrt aufnehmen. Entsprechend wichtig ist es, die EEG-Umlage auch für Reisebusse zu senken, um den Systemwechsel hin zu CO2-neutralen Antrieben zu unterstützen.

ENTWICKLUNG VON REISEBUSSEN MIT ALTERNATIVEN ANTRIEBEN FÖRDERN.

Bislang existieren keine markttauglichen Fahrzeuge für Busverkehr auf der Mittel- und Langstrecke. Die öffentliche Hand muss hier verstärkt Mittel bereitstellen, um die Entwicklung geeigneter Fahrzeuge zu unterstützen. Dieser Schritt ist insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten schärferen EU-Abgas-normen für Busse von erheblicher Bedeutung.

REISBUSSE BEI AUFBAU DER ALTERNATIVEN TANK- UND LADEINFRASTRUKTUR BERÜCK-SICHTIGEN.

Busse können wie kein anderes öffentliches Verkehrsmittel auch abgelegene Gegenden erschließen und quasi jeden Winkel Europas erreichen. Damit dies auch in Zukunft gewährleistet ist, muss eine öffentliche Tank- und Ladeinfrastruktur für alternative Antriebe zeitnah aufgebaut werden. Busse müs-sen unbedingt bei der geplanten Reform der „Alternative Fuels Infrastructure“-Richtlinie der EU mitge-dacht werden.

WEG FREI MACHEN FÜR SAUBERE KRAFTSTOFFE.

Heute ist noch unklar, welche Technologien im Busverkehr auf der Mittel- und Langstrecke genutzt werden. Brennstoffzellen, Oberleitungen, Batterien oder synthetische Kraftstoffe stehen im Wettbewerb miteinander. Klar ist jedoch, dass jede dieser Optionen eine Lösung sein kann. Es braucht daher eine technologieoffene Regulierung, die nicht von vorneherein eine der oben genannten Technologien aus-schließt. Die bisherige Steuersystematik macht es jedoch nahezu unmöglich, dass synthetische Kraftstoffe in naher Zukunft zu marktfähigen Preisen angeboten werden können. Hier muss nachgebessert werden. Darüber hinaus ist eine Überarbeitung der 10. Bundesimmissionsschutzverordnung dringend erforderlich. Sie verhindert, dass etwa GTL, ein synthetischer Diesel aus Erdgas, der sauberer verbrennt als herkömmlicher Diesel, von ÖPNV-Unternehmen genutzt werden kann. Um die Ziele der „Clean Ve-hicles Richtlinie“ ohne finanzielle Überforderung der öffentlichen Hand und der Unternehmen zu errei-chen, braucht es jedoch diesen Kraftstoff.

bdo, 20.04.2021