SN57 Auf den Punkt Reisesicherungsfonds
Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds: Mittelstand nicht für Risiken der Konzerne zur Kasse bitten.
Bustouristiker sind kleine, meist familiengeführte Anbieter von Reisen. Mit dem bislang auf 110 Millionen Euro begrenzten Insolvenzschutz konnten sie ihre Risiken adäquat und eigenständig absichern. Da dieses Versicherungssystem bei größeren Anbietern jedoch nicht annähernd ausreicht, ist es zu begrüßen, dass die Bundesregierung eine Reform des Systems plant. Der Entwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) weist jedoch erhebliche Mängel auf. Mittelständische Reiseveranstalter werden unverhältnismäßig zur Kasse gebeten. Gleichzeitig drohen Wettbewerbsverzerrungen: während große An-bieter ohne größere Schwierigkeiten den Betriebssitz ins Ausland verlegen können, um hohe Kosten durch den Sicherungsfonds zu umgehen, bleibt KMU dieser Ausweg versperrt. Das Preisniveau des deutschen Fonds muss daher mit den Absicherungskosten im Ausland vergleichbar sein.
Bustouristik durch massive Steigerungen bei Prämien und Sicherungsleistungen nicht aus dem Markt drängen.
Wesentlicher Kostentreiber der Kundengeldabsicherung ist die Rückbeförderung von im Ausland gestrandeten Reisenden. Die Thomas-Cook-Pleite hat dies eindringlich vor Augen geführt. Bustouristiker nehmen hier jedoch eine Sonderstellung ein. Die Heimreise ist durch den eigenen Bus garantiert. Trotzdem sollen Busun-ternehmen unverhältnismäßig zu Kasse gebeten werden – ohne ihr geringeres Kostenrisiko zu berücksichtigen. Durch den Sicherungsfonds würden sich die Prämien im Vergleich zum jetzigen System verfünffachen. Auch die zu erbringenden Sicherungsleistungen steigen dramatisch. Während derzeit 0,5-1,5 Prozent (in Einzelfällen, insbesondere nach Corona-bedingten Anpassungen auch höher) als Sicherheit zu hinterlegen sind, wären es künftig mindestens 7 Prozent. Ein erhebliches Problem für die Liquidität der Unternehmen, das vor dem Hintergrund der pandemiebedingt extrem angespannten finanziellen Situation viele Unter-nehmen zum Marktaustritt zwingen würde.
Umsatzgrenze für Pflichtbeiträge in Sicherungsfonds anheben.
Entsprechend wichtig ist es, klug zu regeln, welche Unternehmen Teil des Sicherungsfonds werden müssen. Der Gesetzentwurf des BMJV sieht vor, dass sich Unternehmen bis 3 Millionen Euro Jahresumsatz mit Pau-schalreisen weiterhin selbst versichern können. Diese Umsatzgrenze ist jedoch viel zu niedrig angesetzt. Selbst Kleinstreiseanbieter mit fünf Reisebussen werden so erfasst. Über 60 Prozent der Busmittelständler im Gelegenheitsverkehr haben aber 6 und mehr Busse. Dabei ist das Ziel des Sicherungsfonds eindeutig, die dramatische Unterversicherung großer Touristiker zu beheben. Entsprechend muss die Umsatzschwelle auf mindestens 20 Millionen Euro angehoben werden. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass allen Unternehmen der Weg in den Fonds möglich ist. Wer sich über den Fonds absichern möchte, sollte dies auch können. Kein Unternehmen darf ohne Schutz bleiben, wenn sich weitere Versicherungsanbieter aus dem Markt zurückziehen sollten.
Neuen Fonds nicht mit alten Risiken belasten.
Spätestens die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass das bisherige Versicherungsmodell bei Pauschalreisen für schwere Krisen unzureichend ist. Mehrfach mussten Reisekonzerne mit milliardenschweren Hilfspaketen von der öffentlichen Hand vor der Insolvenz gerettet werden. Die Haftung für die Kredite zur Rettung von Großkonzernen darf aber nicht auf den neuen Reisesicherungsfonds und die inhabergeführten Reiseveranstalter abgewälzt werden. Wir brauchen klare Regeln, dass diese Corona-Altlasten weiterhin durch staatli-che Garantien abgesichert werden und der Fonds nicht für das Ausfallrisiko dieser Hilfen geradestehen muss.
Gesellschafterstruktur des Sicherungsfonds: Transparenz herstellen, Interessenkonflikte vermeiden.
Der bdo fordert für die Gründung und Beauftragung der Fondsgesellschaft ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren unter Einbeziehung aller betroffenen Verbände. Denn neben Verbraucherschutz geht es beim Umstieg hin zum Sicherungsfonds um erhebliche wirtschaftliche Interessen. Er darf gerade nicht nur von Gesellschaften oder Verbänden getragen werden, die von großen Reiseanbietern dominiert werden. Reisekonzerne haben ein natürliches Interesse daran, dass möglichst viele kleine Reiseanbieter mit ihren Beiträgen das Risiko der großen Veranstalter mitabsichern und dafür sorgen, dass deren Prämien verhältnismäßig niedrig bleiben. Gleichzeitig muss der Zeitraum zur Auffüllung des Fonds erheblich verlängert werden. Laut Entwurf des BMJV sind hierfür fünf Jahre geplant. Die Niederlande, wo ein vergleichbares Modell zum geplanten Sicherungsfonds zum Einsatz kommt, haben ohne Coronapandemie 20 Jahre benötigt.
Für den Systemwechsel braucht es Mechanismen, die den Mittelstand nicht zum Zahlmeister für unterver-sicherte Konzerne machen.