SN70 bdo Neustart – Perspektiven für den Tourismus Perspektive für die Bustouristik

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) ist der Spitzenverband der deutschen Busbranche und vertritt die Interessen der privaten und mittelständischen Unternehmen aus dem Bereich Personennahverkehr, Bustouristik und Fernlinienverkehr gegenüber Politik und Öffentlichkeit.

Ist-Zustand

Die mittelständische und privat geführte Bustouristik ist nun seit mehr als zwei Jahren stark von der Corona-Pandemie gebeutelt. Nach dem Aufruf zum Tourismus-Verzicht sanken die Fahrgastzahlen dramatisch. Hinzu kommen nun die schwerwiegenden Auswirkungen des furchtbaren Kriegsgeschehens in der Ukraine. Die in dieser Stellungnahme aufgerührten unternehmensschädlichen Konsequenzen gefährden einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Vor der Pandemie beförderten die Reise– und Fernbusse fast 100 Millionen Reisegäste im Jahr. Doch zwei Jahre Pandemie und Abstandgebote sind bei den Kunden nicht spurlos vorbeigegangen. Auch wenn die Unternehmen bei den Gästen wieder einen merklichen Anstieg des Wunsches nach Reisen spüren, wird es, laut Bundesamt für Güterverkehr, trotzdem noch bis 2024 dauern, bis sich das Busreisegeschäft wieder vollkommen erholt hat. Der immer wiederkehrende Stillstand gefährdet Arbeitsplätze, derzeit rund 42.000 direkt in der Busbranche und insgesamt knapp 240.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt bei ihren Zulieferern. Mit mittlerweile insgesamt 14,3 Milliarden Euro Bruttoumsätzen im Jahr, ist die Busbranche ein unverzichtbarer Wirtschaftszweig.

Bereits im Mai des vergangenen Jahres sollte für die Bustouristik und die gesamte Tourismuswirtschaft wieder eine Perspektive für die erfolgreiche Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit ermöglicht werden. Der bdo hatte hierfür bereits ein Restart-Konzept eingereicht und branchennahe sowie praxisorientierte Rahmenbedingungen aufgezeigt, die für die Erholung der mittelständischen Busbranche notwendig sind. In der Tourismusbranche bieten Busse, unter anderem Personen ohne Zugang zum Individualverkehr, auch in Pandemiezeiten sichere Mobilität. Außerdem ist der Bus mit seiner hervorragenden Umweltbilanz nach wie vor fast alternativlos wenn es um motorisiertes und klimafreundliches Reisen geht. Damit der von Ihnen thematisierte „Neustart“ in dem geplanten Fachgespräch eine Chance hat, nehmen Sie sich bitte den nachfolgenden Punkten an, um ganzheitliche und branchenübergreifende Lösungen auf den Weg zu bringen. Die Bustouristik benötigt diese Perspektive, um diese auch an die Reisegäste weitergeben zu können.

Corona-Pandemie

Im Zuge der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Schließungsanordnungen stand die nationale und internationale Bustouristik still. Zeitweise galt ein Busreiseverbot. Die so wichtigen Klassenfahrten wurden abgesagt oder sogar untersagt, Vereinsfahrten wurden nicht mehr gebucht oder storniert. Um weiterhin die Kosten im Unternehmen decken zu können, haben mittlerweile die meisten Unternehmer:innen ihre Ersparnisse und ihre Altersvorsorge aufbrauchen müssen. Der bdo ist dankbar für die umfangreiche finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung in Form der Überbrückungshilfen und des Kurzarbeitergeldes. Doch es existieren weiterhin zahlreiche Busunternehmen, die aufgrund ihrer Mischbetriebsstruktur für die Überbrückungshilfen keine Antragsberechtigung durch die Bundesregierung erhalten haben. Auch die inzwischen faktisch fehlende Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen des verlängerten Kurzarbeitergeldes führt zu weiteren finanziellen Mehrbelastungen, die durch die Unternehmen kaum zu bewältigen sind. Die Pandemie ist noch nicht überstanden und so darf auch die notwendige finanzielle Unterstützung seitens der Bundesregierung nicht enden. Außerdem haben Bund und Länder sich in zahlreichen Konferenzen auf einheitliche Corona-Maßnahmen verständig, welche schlussendlich auf Länderebene aber unterschiedlich angewandt wurden. Die deutsche Bustouristik hat etliche Schutzmaßnahmen entwickelt und wendet seit Pandemiebeginn hervorragende Hygienekonzepte an, um die Sicherheit für die Reisegäste sicherzustellen. Die Kunden haben einen großen Wunsch zu reisen und Deutschland als „Reiseweltmeister“ wieder an die Spitze zu bringen. Doch trotz der Bemühungen seitens der Busunternehmen wurden durch den deutschen “Flickenteppich” immer wieder starke Verunsicherungen bei den Reisegästen hervorgerufen und die bustouristischen Betriebe vor ungeahnte administrative Herausforderungen gestellt. Bis zum heutigen Tag kämpft die Branche mit einem Verordnungschaos, welches eine reibungslose Wiederaufnahme des Busreiseverkehrs, unter Berücksichtigung der Ansprüche an die Hygiene und den Infektionsschutz, kaum ermöglicht.

Der Bustourismus ist aber kein Pandemietreiber und es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzt, dem Föderalismus geschuldeten „Flickenteppich“ entgegenzuwirken und bundesweit einheitliche Regelungen in Kraft zu setzten. Deshalb fordert der bdo die Bundesregierung und die Landesregierungen auf, endlich einheitlich abgestimmte Regelungen umzusetzen.

Ukraine-Krise und die Kraftstoffpreisexplosion

Der Krieg in der Ukraine hat auch die Bustouristik erschüttert. Zahlreiche Unternehmen der privaten und mittelständischen Bustouristik haben sofort Ihre Bereitschaft gezeigt, die flüchtenden Personen auf sicherem Weg nach Deutschland zu bringen. Zahlreiche Busunternehmen stehen im engen Kontakt zu den karitativen Organisationen und Stiftungen, um jegliche Unterstützung zu bieten, die in ihrer Macht steht. Die Busbranche ist sich bewusst, dass die derzeitige Situation vor allem auch auf Regierungsebene viele Problemfelder aufbringt und enormen Handlungsbedarf fordert. Dennoch stehen die Busunternehmen erneut mit dem Rücken an der Wand. Nicht nur, dass aufgrund des Krieges die Reisegäste von Reisen in osteuropäische Staaten wieder zurücktreten und den bezahlten Reisepreis zurückverlangen. Die Unternehmen kämpfen zudem mit massiven Preissteigerungen beim Diesel. Gemäß Ergebnissen der aktuellen bdo-Blitzumfrage (März 2022) geben rund 81 % der 377 teilnehmenden bustouristischen Unternehmen an, dass die Dieselpreisexplosion deutliche bis existenzielle Folgen für ihr Geschäft hat. Die Unternehmen verzeichnen keine Gewinn-Margen mehr und registrieren darüber hinaus sogar (erhebliche) Verluste.

Mit der zu begrüßenden Aussicht seitens der Bundesregierung, die pandemischen Auflagen zu lockern, haben auch die Buchungen in der Bustouristik zunächst zugenommen. Allerdings konnte keines der Unternehmen bei der Kalkulation der Reisen mit solch einer Preissteigerung rechnen. Die Unternehmen haben im vergangenen Jahr auf Grundlage ihrer Kosten, wie dem Dieselpreis von durchschnittlich 1,38 EUR/Liter, die Reisepreise kalkuliert, beworben und verkauft. Aufgrund der kurzfristigen Preissteigerung um 60 ct/Liter Diesel, ist deren gesamte Kalkulation hinfällig und die prognostizierten Gewinne werden zu Verlusten. Selbst wenn sich die Reisebusse nun mit Reisegästen wieder füllen, werden die Unternehmen die so dringend benötigten Gewinne nicht erzielen können. Die mittelständische Busbranche bittet eindringlich um Unterstützung. Da wir die Entwicklung der Weltmarktpreise nicht beeinflussen können, muss sich der Lösungsansatz auf die nationalen Instrumentarien konzentrieren. Es bedarf dringender staatlicher Investitionen. Die derzeitige Entlastung beim Dieselpreis um 14ct/Liter ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der bdo fordert hier eine Energiesteuerrückerstattung in Höhe von 40ct/Liter. Zusätzlich ist die CO₂-Steuern in der Höhe von 9,5 Cent zu senken.

Steuerliche Gleichbehandlung

Die vorhin aufgeführten, finanziellen Hilfsprogramme der Bundesregierung haben einen Großteil der Unternehmen bei der Bewältigung der Corona-Krise unterstützt. Doch die eigentliche Herausforderung besteht nun darin, das Geschäft wieder auf Vorkrisenniveau zu bringen. Der Reisebusverkehr kämpft nach den Verunsicherungen durch die Pandemie nun mit den Verunsicherungen der Kunden durch das Kriegsgeschehen in der Ukraine. Der Mietomnibusverkehr als noch größerer Anteil des Gelegenheitsverkehrs wird auf absehbare Zeit ebenfalls nicht das Vor-Corona-Niveau erreichen. Vereinsfahrten, Klassenfahrten oder Konzerte mit ausverkauften Plätzen finden noch nicht in ausreichender Anzahl statt.

Damit eine spürbare Belebung der Branche und eine Perspektive für nach den Krisen geschaffen werden kann, bedarf es unbedingt einer Reduzierung der Mehrwertsteuer für Busreisen – sowohl für Tickets im Fernbus als auch für Fahrten im Gelegenheitsverkehr. Diese Senkung würde unter 100 Millionen Euro pro Jahr kosten und ist absolut überfällig. Ohne den Bus wird die geplante Verkehrswende und die damit zusammenhängende Emissionseinsparung nicht gelingen. Neben Deutschland gibt es lediglich drei EU-Mitgliedstaaten, die noch den vollen Mehrwertsteuersatz auf internationale Busreisen erheben. Alle anderen Länder haben sich richtigerweise dafür entschieden, entweder gar keine Mehrwertsteuer oder nur den ermäßigten Satz zu fordern.

Deutschland muss hier nachziehen. Denn die Erfahrung beim Schienenfernverkehr zeigt: Eine niedrigere Mehrwertsteuer führt zu deutlich mehr Fahrgästen. Im Busbereich ist eine ähnliche Entwicklung zu erwarten.

Hinzu kommen die Auswirkungen der “Fit for 55” Initiative der EU-Kommission. Der bdo begrüßt die Einführung des Emissionshandels im Verkehr und die Reform der Energiesteuerrichtlinie. Hierbei sollen im Endeffekt höhere Kosten für klimaschädliche Schadstoffe klimafreundliche Alternativen fördern. Im Pkw-Bereich werden damit auch erste Ziele erreicht, belasten aber gleichzeitig unverhältnismäßig den Busreiseverkehr. Der Diesel-Motor ist auf der Mittel- und Langstrecke beim Reisebus auf absehbare Zeit noch alternativlos. Es gibt schlicht und ergreifend keine alternativ angetriebenen Fahrzeuge für diese Einsatzzwecke sowie die dafür notwendige Infrastruktur. Durch die (sinnvolle) Bevorzugung von Elektrizität wird Pkw-Fahren für viele Menschen absehbar deutlich günstiger. Busfahren auf längeren Strecken wird hingegen deutlich teurer und unattraktiver. Damit würden mehr Pkw auf unseren Straßen und weniger Reisende in Bussen unterwegs sein. Das genaue Gegenteil einer Verkehrswende. Deshalb schlägt der bdo eine Überarbeitung des jetzigen Entwurfs vor. Die ermäßigten Energiesteuersätze für alle öffentlichen und Gelegenheitsverkehre sollten gestattet und die Energiesteuerbefreiung von „grünen“ Treibstoffen für Bus- und Bahnverkehre ermöglicht werden, da diese die klimafreundlichen, motorisierten Reisen ermöglichen.

Fahrpersonalmangel

Der Fachkräftemangel beherrschte die Tourismus- und damit auch Reisebusbranche bereits vor der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krise. Die Auswirkungen dieses Mangels sind inzwischen für den privaten Bustourismus mehr als dramatisch. Das vergleichsweise hohe Durchschnittsalter der heutigen Fahrerinnen und Fahrer, die absehbare, demografische Entwicklung und die allgemeine Ausbildungssituation in Deutschland lassen den Schluss zu, dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren noch weiter verstärken wird. Bereits heute besteht in 85 % der Busunternehmen ein akuter Fahrpersonalmangel.

Hinzu kommen die fehlenden Fachkräfte in den Werkstätten und in den Reisebüros der Reisebusunternehmen. Als weitere notwendige Rahmenbedingung, um der deutschen Reisebusbranche eine Perspektive für die Zukunft zu ermöglichen, bedarf es Unterstützung seitens der Regierung, um diesem massiven Personalmangel entgegenzuwirken. Hierfür sind mehrere Maßnahmen notwendig: Neben der Rekrutierung von Fahrpersonal in Deutschland ist es unerlässlich, auch das Potential ausländischer Fachkräfte verstärkt zu nutzen. In diesem Zusammenhang bedarf es nun den zügigen und konsequenten Abbau bürokratischer Integrationshemmnisse sowie der Anerkennung der Führerscheine aus Drittstaaten. Damit die Betriebe das notwendige Fahrpersonal ausbilden können, müssen die enormen Ausbildungskosten gesenkt werden. Diese sind gerade im europäischen Vergleich unverhältnismäßig hoch. Während in Deutschland der Führerschein inklusive Berufsfahrerqualifikation zwischen 8.000 EUR und 11.000 EUR kostet, belaufen sich in Österreich die Kosten nur auf 2.000 EUR bis 4.000 EUR. Diese Diskrepanz stellt eine ungemeine Wettbewerbsverzerrung im europäischen Raum dar. Damit diese ausgeglichen wird, sollte zum Beispiel die Berufskraftfahrerqualifikation – wie in Österreich – in die Fahrausbildung integriert werden. Dadurch könnten die Kosten und der Zeitaufwand erheblich reduziert werden. Ergänzend könnten die erforderlichen Pflichtstunden der Führerscheinklasse D auf das Niveau der Klasse D1 gesenkt werden. Alternativ müsste der Busführerschein finanziell gefördert werden. Hierfür sollte außerdem gleichzeitig mehr Wert auf digitale, virtuelle und flexiblere Ausbildungsinhalte gelegt werden, um die Kosten weiter zu reduzieren. Der bdo appelliert an die Bundesregierung, die seit langem überholten und veralteten Rahmenbedingungen für die Ausbildung von Busfahrer:innen zu erneuern.

Ausblick zur Tourismusplattform

Der Bus als Baustein innerhalb der vielfältigen Wertschöpfungskette der Tourismuswirtschaft ist unerlässlich, um nachhaltige und zukunftsorientierte Reisen zu ermöglichen. Die Touristik ist ein Zusammenspiel von einer Vielzahl an Branchen, wie z.B. die Beherbergungsbranche, Gastronomie, Beförderungsdienstleister und die Veranstaltungsbranche. Damit die hier aufgeführten Anregungen und die zukünftigen Aufgaben aller Branchenvertreter zielgenau, praxisnah und effizient bewältigt werden können, sollte die im Koalitionsvertrag angesprochene Tourismusplattform schnell konzipiert und die Zusammenarbeit mit dem bdo aufgenommen werden. Im bdo sind zwei Drittel der privaten Busunternehmen organisiert, womit der Verband eindeutig wie kein anderer die Branche vertritt. Es ist unerlässlich, dass aus dem vergangenen Vorgehen gelernt wird und ein intensiver Austausch zwischen den touristischen Branchenvertretern und den landes- und bundespolitischen Vertretern zur Erreichung einer Perspektive für den Tourismus entsteht. Die Reisebusbranche steht in engem Kontakt mit der touristischen Wertschöpfungskette. Dem bdo ist es ein hohes Anliegen, dass sowohl Politik als auch Wirtschaft geschlossen die deutsche Tourismusbranche wieder gestärkt in die Zukunft führen.

Zudem regt der bdo weiterhin dringend ein europaweit abgestimmtes Vorgehen, gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission, an. Denn auch wenn sich die Perspektive für den Tourismus langsam, zunächst innerhalb Deutschlands, wieder entwickeln kann, sollte unser aller Ziel sein, möglichst schnell wieder Urlaub in Europa und der Welt zu ermöglichen.