SN60 Stellungnahme RefE ReisesicherungsfondsG

Stellungsnahme des bdo zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz „Entwurf eines Gesetzes über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften“ sowie der Stellungnahme des Bundesrates (148/21) und der Gegenäußerung der Bundesregierung (19/28172)

Der bdo bedankt sich für die Einladung zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am 21. April 2021 zum vorbenannten Regierungsentwurf und nimmt Stellung wie folgt:

I. Ausgangssituation

Der Reisesicherungsfonds bezweckt, das tatsächliche Insolvenzrisiko der Reiseveranstalter vollständig abzudecken. Damit soll eine Lücke im System gefüllt werden, denn bisher konnten die Insolvenzversicherer ihre Gesamthaftung auf 110 Mio. Euro pro Geschäftsjahr deckeln. Damit war und ist das Haftungsrisiko der Großanbieter nicht abgesichert. Der bdo begrüßt die Absicht, das tatsächliche Haftungsrisiko abzudecken und die Insolvenzsicherung zu optimieren. Denn die Insolvenzabsicherung stellt derzeit viele Busreiseveranstalter vor große Probleme: Die Ankündigung der Einführung des Reisesicherungsfonds hat die Insolvenzsicherer verunsichert. Ein bedeutender Versicherer ist Ende 2020 aus dem Markt ausgetreten. Ein weiterer Anbieter hat seinen Austritt bereits angekündigt. Die verbleibenden Versicherer haben ihre Konditionen oftmals deutlich verschlechtert. Die Entwicklung eines Reisesicherungsfonds könnte hier Abhilfe schaffen. Allerdings weist der Kabinettsentwurf einen gravierenden Systemfehler auf. Sinnvolle Verbesserungsvorschläge des Bundesrates wurden leider nicht aufgenommen.

So ist der vorliegende Regierungsentwurf vermutlich zwar geeignet, die tatsächlichen Haftungsrisiken von Konzernunternehmen und sehr großen Reiseunternehmen in geeigneter Weise zu berücksichtigen und die seit Jahren bestehende Unterversicherung aufzuheben. Er ist aber auf der anderen Seite in keiner Weise geeignet, die tatsächlichen Haftungsrisiken der kleinen und mittelständischen Reisebusunternehmen angemessen und verhältnismäßig zu berücksichtigen. Der Gesetzesentwurf verstößt daher gegen das gesetzlich verankerte Prinzip der Gleichbehandlung und greift in unverhältnismäßig starker Weise in die Gewerbefreiheit der deutschen Busreiseveranstalter ein.

22 große Reiseveranstalter machen zurzeit ungefähr 86 % des Umsatzes aus. Diese Unternehmen sind es, die den Großteil der Umsätze erarbeiten und damit auch den Großteil des Risikos schaffen. Dennoch sollen nahezu alle Busunternehmen, zumeist kleine oder mittelständische Familienunternehmen, verpflichtet werden, in diesen Fonds einzuzahlen und damit die geringe Eigenkapitalquote sowie die hohen Risiken und Umsätze der wenigen Großkonzerne mitabzusichern.

Hinzu kommt, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung alle Unternehmen in unverhältnismäßiger Art und Weise „über einen Kamm schert“ und damit keine gebotene Abwägung der tatsächlichen Risiken vornimmt. Busunternehmen, die aufgrund der in ihrem Eigentum befindlichen hohen Wirtschaftsgüter (ein moderner Reisebus hat in der Regel einen Neuanschaffungspreis von ca. 450.000 €) hohe Sicherheiten bieten, keine Repatriierungsrisiken haben und überwiegend Kurzreisen in die nähere Umgebung anbieten, werden genauso angesetzt wie Reiseveranstalter, die Flugreisen über alle Kontinente in die entlegensten Regionen der Welt anbieten.

Vor diesem Hintergrund kann der bdo zwar grundsätzlich die Reformabsicht der Bundesregierung nachvollziehen, versteht aber nicht, warum die wichtigen Kritikpunkte des Bundesrates nicht aufgenommen wurden. Auch möchten wir an dieser Stelle das bisherige Verfahren in Frage stellen. Während das zuständige Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sich nach der Thomas Cook - Pleite im Jahr 2019 sehr viel Zeit für einen ersten Referentenvorschlag genommen hat, hatte der bdo − dessen Mitglieder nachhaltig und in ihrer Existenz von diesem Gesetz betroffen sind − gerade einmal zwei Tage Zeit, sich im Rahmen der Anhörung zu positionieren. Dies ist in keiner Weise akzeptabel, will man sich ernsthaft an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit halten.

Daher begrüßt der bdo sehr, im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages diese Stellungnahme abgeben zu dürfen.

II. Stellungnahme zum Referentenentwurf

Will man die unter I dargestellte Problematik der fehlenden Berücksichtigung tatsächlicher Haftungsrisiken, den Busmittelstand betreffend, rechtssetzungstechnisch ausgleichen, sind aus Sicht des bdo folgende Punkte notwendigerweise aufzunehmen:

1. Umsatzgrenzen maßgeblich erhöhen (§ 13 Abs. 2 und § 651r BGB)

Die im Regierungsentwurf vorgesehene Umsatzgrenze von 3 Mio. Euro ist zu niedrig bemessen und daher nicht geeignet, die tatsächlichen Risiken der kleinen und mittleren Unternehmen angemessen zu berücksichtigen; denn diese können sich jetzt und in Zukunft den notwendigen Versicherungsschutz ihrer Reisegäste frei am Markt über Versicherungsverträge oder Bankbürgschaften beschaffen. Der Staat sollte in einer sozialen Marktwirtschaft erst dann über einen Zwangsfonds in die Ausübung der Gewerbefreiheit eingreifen können, wenn der Markt – wie es zurzeit bei den touristischen Großkonzernen der Fall ist − versagt. Solange es aufgrund einer guten Bonität der mittelständischen Unternehmen für diese möglich ist, ihre Reisegäste mithilfe der Versicherer und der Banken abzusichern, sollten diese auch weiter entsprechende Freiheiten haben.

Der bdo erkennt, dass der Gesetzgeber mit der Aufnahme einer Umsatzgrenze Härten und Ungleichbehandlungen kleiner Unternehmen abfedern will. Eine Grenze von 3 Mio. Euro würde jedoch nach Auffassung des bdo maximal Mikrounternehmen mit einem oder zwei Reisebussen ausnehmen. Das Gros an Busreiseveranstaltern, die auch über 3 Mio. Jahresumsatz allesamt klein und mittelständisch strukturiert sind, müsste für die hohen Risiken der Großkonzerne haften.

Der bdo schlägt hier eine Umsatzgrenze von 20 Millionen Euro für Busreiseveranstalter vor.

Soweit im bisherigen Gesetzgebungsverfahren von den Versicherern die Auffassung vertreten wird, dass diese außerhalb des Fonds, also weiterhin rein privatvertraglich, Umsatzgrenzen von ca. 10 Mio. Euro abdecken könnten, darüber hinaus aber Probleme mit den Repatriierungskosten bekämen, möchte der bdo anmerken, dass dieses nicht die Busreiseveranstalter trifft. Diese haben keine Repatriierungsrisiken, da sie mit den Bussen selbst bei einsetzender Insolvenz stets ihre Reisegäste nach Hause bringen. Es gibt in der Geschichte keinen einzigen Fall, bei dem Busreisegäste „gestrandet“ wären. Hier müssen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung (Ungleiches ungleich) die besonders niedrigen Haftungsrisiken in angemessener Weise berücksichtigt werden. Daher fordert der bdo zumindest für Busreiseveranstalter eine Umsatzgrenze von mindestens 20 Mio. Euro. Bei mittelständischen Reiseveranstaltern mit Repatriierungsrisiken könnte die Haftungsgrenze ggf. darunter liegen.

§ 13 Abs. 2 ist wie folgt anzupassen:

„Ist durch Rechtsverordnung nach § 651r Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Zeitpunkt bestimmt, ab dem Reiseveranstalter, die in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren im Durchschnitt einen Umsatz von mindestens 20 Millionen Euro erzielt haben, die Verpflichtungen nach § 651r Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht mehr nach § 651r Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs erfüllen können, unterliegen diese Reiseveranstalter ab diesem Zeitpunkt der Absicherung durch den Reisesicherungsfonds.

2. Anspruch auf Aufnahme in den Fonds auch für Betriebe unterhalb der Untergrenze

Um den Zulauf der Unternehmen in den Fonds zu stärken und auch die Unternehmen nicht zu benachteiligen, die trotz ihrer mittelständischen Struktur ggf. auch unverschuldet in Zeiten von Pandemien Haftungsrisiken aufweisen und daher ggf. keinen vertraglichen Versicherungsschutz finden, muss der Anspruch auf Aufnahme in den Fonds zu jeder Zeit sichergestellt werden.

Zweck des Fonds ist es in erster Linie, die ggf. schlechte Bonität und damit das erhöhte Insolvenzrisiko von großen Konzernen und Unternehmen durch einen Solidarfonds abzudecken. Dies muss gleichermaßen auch für den Mittelstand gelten, der unterhalb der Untergrenze liegt.

Dies gilt umso mehr, als dass zurzeit nicht verlässlich eingeschätzt werden kann, ob die Versicherer auch in Zukunft bereit sein werden, privatrechtliche Versicherungsverträge außerhalb des Fonds unterhalb der Schwellenwerte abzuschließen. Daher schlagen wir folgende Formulierung vor:

§ 13 ist wie folgt anzupassen:

Abs. 3 (neu)

Für Reiseveranstalter, die in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren im Durchschnitt einen Umsatz von weniger als 20 Millionen Euro erzielt haben und denen kein Zahlungsversprechen durch ein Versicherungsunternehmen oder ein Kreditinstitut nach § 651r Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegt, besteht jederzeit ein Anspruch auf freiwilligen Abschluss eines Absicherungsvertrags mit dem Reisesicherungsfonds zu dessen allgemeinen Absicherungsbedingungen.“

3. Sicherheitsleistung nicht überhöhen (§ 6 und § 19 Abs. 1 Nr. 1)

Bei der Einführung des Reisesicherungsfonds ist sicherzustellen, dass die oben dargestellte Problematik behoben wird und die Unternehmen Konditionen zur Kundengeldabsicherung vorfinden, die für sie auch finanziell darstellbar sind. Keinesfalls dürfen Reiseveranstalter noch stärker als bisher belastet werden; dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Die im Gesetzentwurf festgelegte Sicherheitsleistung von sieben Prozent des Umsatzes bedeutet für die Busreiseveranstalter mindestens eine Verdoppelung der derzeitigen Versicherungskosten bei einem Insolvenzversicherer. Dies ist nicht akzeptabel und würde − wenn die Pandemie auch Dank umfänglicher staatlicher Hilfen überwunden wird − zum Marktaustritt der mittelständischen Unternehmen führen.

§ 19 Abs. 1 Nr. 1 ist daher wie folgt anzupassen:

„1. die Höhe der von den Reiseanbietern zu stellenden Sicherheiten ein Prozent des Umsatzes der Reiseanbieter beträgt und“

Auch der Bundesrat hat erkannt, dass die steigenden Belastungen durch höhere Sicherheitsleistungen für die Unternehmen nicht tragbar sind und auch, dass die Busreiseveranstalter aufgrund der Corona-Pandemie gar nicht in der Lage sein werden, die Fondskonditionen zu finanzieren. Der Bundesrat schlägt deshalb eine Anpassung der Bemessungsgrundlage der Sicherheitsleistungen vor. Die Bundesregierung hingegen hält weiterhin an einer Sicherheitsleistung von mindestens sieben Prozent des Umsatzes fest. Sie begründet dies, ebenso bei den steigenden Prämienbelastungen (Entgelte, s.u.), mit der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit des Fondsvermögens. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, jedoch müssen sich die Beiträge an der Leistungsfähigkeit und dem Risiko der Reiseveranstalter bemessen. Der Busmittelstand, welcher sein Kapital vorwiegend in seine Betriebsmittel, moderne, umweltfreundliche Busse, investiert, kann nicht zusätzlich Prämien für den Großreiseveranstalter leisten, welcher durch seine Partnerschafts- und Auftragsstrukturen kaum Investitionen in Betriebsmittel tätigen muss.

4. Entgelte und Absicherungskosten bei Busreisen nicht überhöhen (§ 7 Abs. 3 und § 19 Abs. 1 Nr. 2)

Es ist zu begrüßen, dass nach § 7 Abs. 3 bei der Bemessung der Entgelthöhe die unterschiedlichen Schadensrisiken der Reiseanbieter angemessen und im Verhältnis zueinander berücksichtigt werden sollen. Allerdings legt § 19 Abs. 1 Nr. 2 die Höhe der Entgelte auf mindestens ein Prozent des Umsatzes des Reiseveranstalters fest. Derzeit beträgt die durchschnittliche Versicherungsprämie für Busreiseveranstalter 0,2 % des Umsatzes. Mit dem Reisesicherungsfonds würde sich die Prämien-Belastung der bereits von der Corona-Pandemie stark betroffenen Branche verfünffachen. Diese Verteuerung der Insolvenzabsicherung wäre selbst ohne die Pandemieauswirkungen für viele Unternehmen eine enorme Zusatzbelastung.

Das Entgelt soll die Rückbeförderung der Reisenden im Insolvenzfall gemäß § 651r BGB absichern. Wie bereits zuvor dargestellt, wird auch hier das tatsächliche Haftungsrisiko aufgrund der fehlenden Repatriierungsrisiken nicht ausreichend berücksichtigt. Der Reisegruppe steht während der gesamten Reise ein eigener Bus zur Verfügung. Beim Eintritt einer Insolvenz werden das Fahrzeug und der Busfahrer immer nach Deutschland zurückgeführt. Dabei können gleichzeitig auch die Reisenden ohne Mehrkosten im Fahrzeug zurückbefördert werden. Im Gegensatz zum Flug- oder Schiffsverkehr, wo Kosten für alternative Transportmittel oder sonstige Aufwände anfallen, ist bei Busreisen stets eine kostenlose Rückbeförderung der Reisenden sichergestellt. Es könnten höchstens erforderliche Übernachtungskosten anfallen. Da Busreisen in der Regel aber nur bis in das nahe europäische Ausland führen, können oftmals sogar die Übernachtungskosten entfallen. Die für alle Reiseveranstalter gleich hohen Entgelte sind daher unverhältnismäßig, weil nicht das unterschiedliche Schadensrisiko der verschiedenen Pauschalreiseveranstaltungsarten berücksichtigt wird. Das bei Busreisen sehr geringe Schadensrisiko muss sich in den Beiträgen der Busreiseveranstalter widerspiegeln. Das Entgelt für die Busreiseveranstalter muss daher an die vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie marktüblichen Versicherungstarife angepasst und auf ein realitätskonformes Niveau von 0,2 % gesenkt werden.

§ 19 Abs. 1 Nr. 2 ist wie folgt anzupassen:

„die Höhe der Entgelte 0,2 Prozent des Umsatzes der Reiseanbieter beträgt und ausreicht, um unter Berücksichtigung der Sicherheiten und der Kosten, die für den Aufbau und die Verwaltung sowie infolge von Insolvenzfällen zu erwarten sind, ein Zielkapital von 750 Millionen Euro zu bilden; (…)“

Der Bundesrat hat § 7 Abs. 3 angemessen berücksichtigt und sich für Voraussetzungskriterien (z.B. Bonität oder Schadensrisiken der angebotenen Reiseleistungen) ausgesprochen, unter welchen eine Herabsetzung der Entgelte und Sicherheitsleistungen möglich sein soll. Damit würde auch das geringe Schadensrisiko der Busreiseveranstalter Berücksichtigung finden. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung erkannt (Drucksache 19/28172, Seite 33):

  • „Daher muss der Reisesicherungsfonds die Entgelte nach Satz 1 zunächst so ausgestalten, dass sie das von dem jeweiligen Reiseanbieter eingebrachte Risiko adäquat abbilden. Dieses Risiko hängt von dem konkreten Geschäftsmodell des Reiseanbieters ab und kann nicht für alle Reiseanbieter einheitlich bemessen werden“
  • „So verursacht beispielsweise ein großer Reiseanbieter, der viele Fernreisen zu ganz unterschiedlichen Zielen anbietet, im Fall seiner Insolvenz einen sehr viel höheren Schaden als ein Anbieter von Busreisen innerhalb Deutschlands“.
  • „Je höher das konkrete Risiko ist, desto höher müssen auch die Entgelte der Reiseanbieter sein.“

Diese korrekten Folgerungen finden sich aber nicht in den Ergebnissen der Gegenäußerung wieder. Stattdessen ist die Bundesregierung der Ansicht, eine Bemessung am Umsatz des Reiseveranstalters bilde das Schadensrisiko ausreichend ab. Busreiseveranstalter erreichen, wenn überhaupt, nur aufgrund von Drittleistungen wie z.B. Flüge oder Veranstaltungstickets, hohe Umsätze und sollen folglich für das Fremdrisiko haften. Das ist nicht fair.

Zeitplan für das Zielkapital angemessen aufstellen (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2)

Das Zielkapital des Reisesicherungsfonds soll bis Ende 2026 durch die Beiträge der Reiseveranstalter aufgebaut werden. Dies bewirkt für die nächsten fünf Jahre eine hohe finanzielle Belastung für die Reisebranche. Die Busreiseveranstalter sind aufgrund der Corona-Pandemie derzeit besonders stark belastet. Seit Anfang 2020 haben viele Unternehmen kaum Einnahmen. Eine in ihrer Existenz bedrohte Branche noch vor dem Neustart des Reiseverkehrs so stark zu belasten, wäre äußerst kontraproduktiv. Aus Sicht des bdo sollte der hoffentlich bald eintretende Wiederaufschwung der Reisebranche nicht abgewürgt werden. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass man dort (ohne Pandemie) bis zu 20 Jahre benötigte, um das Zielkapital für einen solchen Fonds aufzubauen. Daher muss der Zeitraum zum Aufbau des Zielkapitals auf 20 Jahre erstreckt werden.

§ 19 Abs. 1 Nr. 2 ist wie folgt anzupassen:

„(…) dabei ist die Entgelthöhe abweichend von § 7 Absatz 2 so festzulegen, dass das Zielkapital bis zum 31. Dezember 2041 erreicht wird.“

§ 19 Abs. 2 ist wie folgt anzupassen:

„(…) als bis zum 31. Dezember 2041.“

Der Bundesrat hält den Aufbau des Fonds in nur fünf Jahren aufgrund der oben genannten Kostensteigerungen für die Reiseveranstalter für unverhältnismäßig. Aufgrund der Corona-Krise müssten die Fondsbeiträge sogar aus nicht existenten Gewinnen geleistet werden, wodurch die Krisenlage der Unternehmen zusätzlich verschärft wird. Insolvenzen und Entlassungen wären die Folge. Zusätzlich sind später eintretende Reiseanbieter von den Aufbaubelastungen nicht betroffen. Daher spricht sich der Bundesrat für eine verlängerte Aufbauphase und staatliche Absicherungsgarantie bis immerhin 2031 aus. Die Bundesregierung hat diesen Schritt in Richtung Realität nicht berücksichtigt und hält an einem Fondsaufbau bis 2026 fest. Dies, obwohl die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung davon ausgeht, dass der Reiseverkehr erst in 2024 wieder das Niveau von 2019 erreichen wird. Damit würden den Reiseveranstaltern lediglich zwei Jahre mit normalisierten Einnahmen verbleiben, um damit die Nachwirkungen der Corona-Krise und die Fondsbeiträge für fünf Jahre zu finanzieren.

§ 9: Beirat

Der Gesetzentwurf sieht einen Beirat vor, der die Geschäftsführung des Reisesicherungsfonds unterstützt und berät. Das Gremium soll verschiedene Interessengruppen abbilden und sich aus Vertretern des Staates, der Wirtschaft und der Verbraucherschützer zusammensetzen. Aus Sicht des bdo sind die Regelungen für den Beirat viel zu unbestimmt. Weder die Anzahl der Mitglieder, die genaue Bestimmung der Vertreter und auch nicht deren anteilige Zusammensetzung werden definiert. Ebenso wenig finden sich Angaben dazu, welche Anforderungen an die Neutralität bzw. Unabhängigkeit der Beiratsmitglieder gestellt werden. Auch die Tätigkeiten des Beirats sind nur ungenau beschrieben. Das Gesetz muss festlegen, wie groß der Beirat sein soll, wer die Mitglieder bestimmt und wie diese gewählt und ggf. vergütet werden. Weiter muss eine genaue Aufgabenbeschreibung des Beirats enthalten sein. Vor allem aber bedarf es einer klaren Festlegung der Rechte des Beirats und seiner Entscheidungsmöglichkeiten, insbesondere der Vetorechte bzgl. der Beitragsordnung, Budgetierung usw.

Erst nach der Formulierung entsprechender Bestimmungen ist hierzu eine konkrete Stellungnahme möglich.

§ 9 ist wie folgt anzupassen:

(1) „Der Reisesicherungsfonds muss einen Beirat haben, der die Geschäftsführung unterstützt und berät. In dem Beirat müssen die folgenden Interessen angemessen repräsentiert sein:

1. die Interessen des Bundes und der Länder,

2. die Interessen der Reisewirtschaft einschließlich der kleinen und mittleren Reiseanbieter sowie

3. die Interessen der Verbraucher.“

(2) Anzahl und Zusammensetzung der Beiratsmitglieder (Ergänzung)

(3) Bestimmung bzw. Wahl der Beiratsmitglieder (Ergänzung)

(4) Aufgaben und Rechte des Beirats (Ergänzung)

(5) Ggf. Vergütung des Beirats und deren Höhe (Ergänzung)

§ 20: Transparenz schaffen

Die offenen und unklaren Regelungsinhalte aus § 9 (Beirat) spiegeln sich auch im § 20 (Verordnungsermächtigung) wider. Die Ermächtigung des BMJV, mit Rechtsverordnungen ohne wesentliche Beteiligung Dritter im Nachgang grundlegende Bestimmungen zum Reisesicherungsfonds zu treffen, ist ein Paradebeispiel für völlige Intransparenz. Es soll ein Gesetz erlassen werden, welches einer ganzen Branche immense Belastung aufträgt, ohne dass die Parameter für die Verwaltung der eingezahlten Gelder konkret festgelegt wurden. Wie schon bei den Bestimmungen zum Beirat in § 9 müssen alle in § 20 genannten, wesentlichen Eckpunkte und die damit verbunden Bestimmungen (§ 8, § 12 Abs. 1, §§ 15 und 16, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 und 4) im Gesetzesentwurf abschließend konkretisiert werden.

Der Bundesrat fordert, dass er aufgrund der Relevanz der noch zu treffenden Bestimmungen beim Erlass der Verordnungen miteinbezogen werden muss. Weiter fordert der Bundesrat, dass die Besetzung der Organe der GmbH, die Qualifikation der Geschäftsführung, die Beteiligung des Beirats sowie die Rechts- und Fachaufsicht des Fonds vorab geregelt werden müssen. Die Bundesregierung hat es in ihrer Gegenäußerung unterlassen, die unklaren Regelungsinhalte in §§ 9 und 20 transparent und konkret auszugestalten. Hier besteht dringender Regelungsbedarf. Sämtliche offenen Fragen zum Aufbau und der Funktion des Beirats müssen vorab gesetzlich definiert werden. Die Verordnungsermächtigung ist dahingehend zu beschränken, dass das BMJV Rechtsverordnungen nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen kann.

III. Weiterer Regelungsbedarf aus Sicht der Busreiseveranstalter

a. Wettbewerb schützen − Abwanderung verhindern

Mit der gesetzlichen Festlegung von Beitragszahlungen und Absicherungspflichten zum Aufbau des Reisesicherungsfonds wird in den freien Wettbewerb eingegriffen. Es ist daher dringend erforderlich, bei der Festlegung dieser Belastungen den Schutz inländischer Reiseveranstalter vor ausländischen Marktteilnehmern zu gewährleisten. Reiseveranstalter mit Sitz im Ausland unterliegen anderen Absicherungspflichten und könnten dadurch mit anderen Kostenstrukturen die inländischen Reiseveranstalter verdrängen. Die gesetzliche Ausgestaltung eines Reisesicherungsfonds sollte daher die Wettbewerbsfähigkeit der Reiseveranstalter mit Sitz in Deutschland sichern und stärken. Es ist zu verhindern, dass Reiseveranstalter in andere Staaten mit günstigeren Bedingungen zur Insolvenzabsicherung abwandern und dann die Anbieter in Deutschland mit Dumpingpreisen unterbieten.

b. Vielzahl unklarer Regelungen und offener Fragen

Der Referentenentwurf enthält eine Vielzahl von Bestimmungen ohne klaren Regelungsinhalt. Wie oben ausgeführt, sind die Besetzung und Aufgaben des Beirates nicht abschließend geregelt. Ebenso bleiben die Regelungen zu der zu gründenden GmbH, die zur Ausübung des Geschäfts des Reisesicherungsfonds erforderlich ist, nebulös. Es stellt sich eine Reihe von Fragen, z.B. hinsichtlich der Gesellschafter der GmbH und zur Höhe des Stammkapitals. Ebenso muss sichergestellt werden, dass die Verwaltung des Geschäftsbetriebs nicht unnötig „aufgebläht“ wird. Die notwendigen Sach- und Personalkosten einschließlich der Vergütung für die Mitglieder der Organe des Reisesicherungsfonds sind möglichst gering zu halten. Denn letztendlich würden Kostensteigerungen in diesem Bereich zur Erhöhung der Entgelte führen.

Eine Stellungnahme zu so unbestimmten Inhalten, die viel Interpretationsspielraum bieten, ist nur schwer möglich. Zusätzlich verunmöglicht es die plötzliche Eile des Gesetzgebers sowie das Fehlen eines Miteinbezugs und einer Beratung mit den Verbänden, bei den offenen Fragen alle Eventualitäten zu prüfen und dazu fundiert Stellung nehmen zu können.

IV. Fazit

Das – berechtigte – gesetzgeberische Ziel, die Verbraucher*innen vor Insolvenzen in der Reisebranche zu schützen, ihnen die Absicherung ihrer Kundengelder und ihrer Rückreise zu garantieren, wird von der Reisebusbranche ausdrücklich begrüßt. Gerade diese durch familiengeführte Unternehmen in dritter oder vierter Generation geprägte Branche lebt von zufriedenen Verbrauchern. Die meisten Busfahrgäste sind Stammkunden und kennen „ihren“ Busunternehmer persönlich. Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, wie sehr sich Busunternehmen um ihre Fahrgäste kümmern. Kein einziger Busreisegast, der im Frühjahr 2020 „gestrandet“ ist, wurde auf seine eigenen Kosten oder auf Rechnung des Steuerzahlers zurückgeholt. Dies haben die Busunternehmen selbst übernommen – unter zum Teil abenteuerlichen Umständen. Weil sie sich ihrer Verantwortung für ihre Reisegäste bewusst sind.

Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Neuregelungen überfordern den Mittelstand – weder die Sicherheitsleistungen noch die Entgelte sind für diese Unternehmen so darstellbar und wie oben aufgezeigt, sind sie nicht erforderlich.

Ohne deutliche Nachbesserungen werden unzählige dieser Unternehmen vom Markt verschwinden. Die Corona-Pandemie hat die Unternehmen geschwächt, dank staatlicher Unterstützungsleistungen haben sie es bis hierhergeschafft – aber derart überhöhte Anforderungen an ihre künftige Insolvenzabsicherung können die meisten nicht erfüllen. Die Folgen für den Verbraucher sind das Gegenteil von Verbraucherschutz: Durch Marktaustritte verkleinert sich das Angebot und statt beim Busreiseveranstalter vor Ort werden die Kunden gezwungen, bei Großveranstaltern zu buchen, die die Preise diktieren und mangels Konkurrenz deutlich erhöhen können. Diese Entwicklung kann die Bundesregierung nicht wollen und deshalb bedarf es einer klugen Nachjustierung der hier auf dem Tisch liegenden Vorschläge.

bdo, 20.04.2021