SN07 Umsetzung RiL 2002 15 EG selbstständige Kraftfahrer
Umsetzung der Richtlinie 2002/15/EG im Hinblick auf selbständige Kraftfahrer
Berlin, 15.07.2011
Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.
1) Vorbemerkung
Der Gesetzentwurf vermengt den Begriff des „selbständigen Kraftfahrers“ (Art. 3 lit. e Richtlinie 2002/15/EG) mit dem des „selbstfahrenden Unternehmers“ und kommt insoweit zu unzutreffenden Annahmen. Die Abschätzung spricht von „Inhabern eines Unternehmens (…), die als selbständiger Kraftfahrer tätig sind.“ Diese Formulierung ist irreführend. Gemeint sind vielmehr „selbstfahrende Unternehmer“, also Unternehmer, die mit einer Gemeinschaftslizenz oder einer nationalen Erlaubnis Personen befördern und dabei selbst die Fahrzeuge lenken. „Selbstfahrende Unternehmer“ sind keineswegs gleichzusetzen mit „selbständigen Kraftfahrern“.
Nach Auffassung des bdo ist der sog. selbständige Kraftfahrer in den meisten Fällen als „scheinselbständig“ zu klassifizieren und unterliegt damit unzweifelhaft auch dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/15/EG. In der Praxis stellen wir leider immer wieder fest, dass sich zahlreiche dieser scheinselbständigen Fahrer auf dem Markt tummeln, ohne Sozialabgaben zu entrichten. Nach zutreffender Auffassung der Bundesanstalt für Angestellte sind Omnibusfahrer ohne eigenen Bus hingegen grundsätzlich abhängig beschäftigt. Das deutsche Sozial- und Arbeitsrecht schließt es nahezu aus, dass selbständige Fahrer sozialversicherungsrechtlich anerkannt werden. Dabei stützen sich die Sozialversicherungsträger (BJA, LVA, Krankenkassen) auf die Regelung des § 7 Abs. 1 SGB IV, wonach eine nichtselbständige Tätigkeit, insbesondere die Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis, dann angenommen werden kann, wenn der Betreffende nach Weisungen handelt und in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert ist. Bei einem Kraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug dürfte dies immer der Fall sein.
Eine Umsetzung der Richtlinie 2002/15/EG in Bezug auf selbstfahrende Unternehmer lehnen wir aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Wir sind der Ansicht, dass es weder kontrollierbar noch sachgerecht ist, selbstfahrende Unternehmer arbeitsrechtlich wie Arbeitnehmer zu behandeln. Auch ist die Arbeitszeitrichtlinie in erster Linie eine Arbeitnehmerschutzregelung, deren Regelungsadressat ausschließlich der Arbeitnehmer ist. Wir sehen uns in dieser festen Überzeugung von der Bundesregierung unterstützt.
Soweit es aufgrund der europarechtlichen Umsetzungsverpflichtung nun jedoch unvermeidbar sein sollte, die Richtlinie auch in Bezug auf selbstfahrende Unternehmer in deutsches Recht umzusetzen, sollte lediglich eine nach EU-Recht mögliche Minimallösung gesucht werden.
2) Abschätzung des Erfüllungsaufwandes
Die seitens des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) vorgelegte Abschätzung des Erfüllungsaufwandes beinhaltet aus Sicht des bdo zwei Schätzfehler.
Die Zahl der „selbständigen Kraftfahrer“ im Busbereich liegt keineswegs bei den angenommenen 2173 Personen. Den Inhaber eines Unternehmens mit einer Größe von bis zu neun Beschäftigen grundsätzlich als „selbständigen Kraftfahrer“ zu betrachten, ist nicht zutreffend und in absoluten Zahlen mit Sicherheit deutlich zu hoch gegriffen.
Laut Artikel 3 lit. e der Richtlinie 2002/15/EG zeichnet sich ein selbständiger Kraftfahrer dadurch aus, dass seine berufliche Tätigkeit hauptsächlich darin besteht, gewerblich im Sinne des Gemeinschaftsrechts Fahrgäste oder Waren im Straßenverkehr zu befördern. Dies trifft grundsätzlich nur auf den selbstfahrenden Unternehmer zu, der keinen oder höchstens einen weiteren Fahrer beschäftigt. Bei Unternehmern mit mehreren Angestellten, bei denen der „Chef“ in seltenen Ausnahmefällen auch einmal als Fahrer einspringt, steht hingegen die unternehmerische Tätigkeit eindeutig im Vordergrund. Die „Haupttätigkeit“ des „Chefs“ liegt keineswegs in der Fahrtätigkeit. Der Erfüllungsaufwand muss demnach für die Zahl der selbstfahrenden Unternehmer abgeschätzt werden, die kein oder nur sehr wenig weiteres Fahrpersonal beschäftigen.
Der Umfang der Aufzeichnungspflicht für den betroffenen Personenkreis ist zu gering und damit zu positiv geschätzt worden.
Der bdo lehnt die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit für selbstfahrende Unternehmer grundsätzlich als unverhältnismäßig und zu bürokratisch ab. Das BMVBS geht in dem vorgelegten Arbeitsentwurf hingegen von einer solchen Pflicht aus. Dabei muss aus Sicht des bdo jedoch angemerkt werden, dass sich die Ermittlung des Erfüllungsaufwands nur auf den messbaren Zeitaufwand und Kosten erstreckt, die durch die Befolgung einer bundesrechtlichen Vorschrift bei der Wirtschaft, bei Bürgerinnen und Bürgern sowie in der öffentlichen Verwaltung entstehen. Nicht gemessene oder nur unter unverhältnismäßig hohem Aufwand messbare Aufwände und Kosten bleiben unberücksichtigt.
Für die Busbranche ist festzustellen, dass eine zuverlässige Kontrolle der Arbeitszeiten von selbstfahrenden Unternehmern kaum möglich ist. Die vorgelegte Abschätzung des Erfüllungsaufwandes stellt insofern eine systematische Untererfassung der zeitlichen Belastung und der Kosten für die Wirtschaft dar. Es sollte stattdessen geprüft werden, ob unbürokratisch ein prozentualer Mehrbelastungsaufschlag für nicht messbare Größen eingeführt werden kann.
Der bdo lehnt die vorgelegten Regelungen ab, da durch diese ein Großteil seiner in den Landesverbänden organisierten Mitgliedsunternehmen als „selbständige Kraftfahrer“ umfangreichen Aufzeichnungs-, Archivierungs- und Kontrollpflichten über ihre Arbeitszeiten unterworfen wird.