SN54 Stellungnahme RefE ReisesicherungsfondsG

Der bdo bedankt sich für die Übersendung des vorbenannten Referentenentwurfs und nimmt Stellung wie folgt:

I. Ausgangssituation

Die Insolvenzabsicherung stellt derzeit viele Busreiseveranstalter vor große Probleme. Zum Ende 2020 ist ein Versicherer aus dem Markt der Insolvenzabsicherung ausgetreten und hat den bei ihm versicherten Reiseveranstaltern ihre Versicherungsverträge gekündigt. Die wenigen verbleibenden Anbieter haben ihre Konditionen, sowohl für Bestands- als auch für Neukunden, oftmals deutlich verschlechtert. Viele Versicherer nehmen sogar keine Neukunden mehr an, obwohl die Reiseveranstalter sich gegen eine Insolvenz absichern müssen, wenn sie Pauschalreisen anbieten. Der bdo hat Mitte Dezember 2020 eine Umfrage zur Insolvenzabsicherung unter 453 Busreiseveranstaltern durchgeführt. Einem Viertel der befragten Unternehmen wurde die Insolvenzversicherung durch den Anbieter gekündigt. Davon hatten 83,6 % im Dezember noch keinen neuen Versicherer für 2021 gefunden. 42,4 % derjenigen Unternehmen, welche bei ihrem Insolvenzversicherer bleiben konnten, haben für 2021 eine Beitragserhöhung erhalten. Diese beträgt durchschnittlich + 73 %. Einige Unternehmen zahlen in 2021 sogar bis zu + 670 % mehr als in 2020. Nach wie vor haben viele Busreiseveranstalter trotz aller Bemühungen noch keine Insolvenzabsicherung. 32 % der befragten Unternehmen können sich die teureren Prämien nicht mehr leisten. 34 % werden sogar von potentiellen Versicherern abgelehnt. Zusätzlich verlangen viele Insolvenzversicherer deutlich höhere Sicherheitsleistungen, welche von den Unternehmen oft nur schwer oder gar nicht zu stemmen sind. Der Corona-bedingte Stillstand der Reisebusbranche verschärft diese Problematik zusätzlich.

Aufgrund der eingangs geschilderten Problematik ist bis zum Inkrafttreten des neuen Systems zur Insolvenzabsicherung eine politische Übergangslösung zwingend erforderlich, damit die Handlungsunfähigkeit der derzeit unversicherten Reiseveranstalter kurzfristig behoben werden kann. An dieser Stelle verweisen wir nach Österreich: Im Dezember 2020 wurde ein bis zum 31. Dezember 2021 befristetes staatliches Übergangsmodell beschlossen. Seit Anfang des Jahres kann bei der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) eine 100%-Haftung beantragt werden, wenn z.B. keine Insolvenzabsicherung über einen Versicherer besteht. Ohne eine Lösung und ohne eine Insolvenzabsicherung könnten anderenfalls die betroffenen Unternehmen – wenn es die Pandemie-Situation (wieder) zulässt – keine Pauschalreise durchführen oder verbundene Reiseleistungen anbieten bzw. vermitteln.

Der bdo begrüßt daher grundsätzlich die Reformabsicht zur Lösung der angespannten Lage; diese ist längst überfällig. Trotz der gebotenen Eile ist die den Verbänden eingeräumte zweitägige Frist zur Stellungnahme allerdings weder nachvollziehbar noch angemessen und es stellt sich angesichts der bereits für die kommende Woche geplanten Kabinettsbefassung die Frage, wie bzw. wann das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz die Stellungnahmen der beteiligten Verbände lesen und den Einwänden aus der Praxis Rechnung tragen will.

II. Stellungnahme zum Referentenentwurf

§ 6 und § 19 Abs. 1 Nr. 1: Sicherheitsleistung

Bei der Einführung des Reisesicherungsfonds ist sicherzustellen, dass die oben dargestellte Problematik behoben wird und die Unternehmen Konditionen zur Kundengeldabsicherung vorfinden, die für sie auch finanziell darstellbar sind. Keinesfalls dürfen Reiseveranstalter noch stärker als bisher belastet werden; dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Die im Referentenentwurf festgelegte Sicherheitsleistung von sieben Prozent des Umsatzes bedeutet für die Busreiseveranstalter mindestens eine Verdoppelung der derzeitigen Versicherungskosten bei einem Insolvenzversicherer. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich des Entgeltes von einem Prozent des Umsatzes. Derzeit beträgt die durchschnittliche Versicherungsprämie für Busreiseveranstalter 0,2 % des Umsatzes. Mit dem Reisesicherungsfonds würde sich die Prämien-Belastung der bereits von der Corona-Pandemie stark betroffenen Branche verfünffachen. Diese Verteuerung der Insolvenzabsicherung wäre selbst ohne die Pandemieauswirkungen für viele Unternehmen eine schwere Belastung. Die Konditionen des Fonds müssen daher an die vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie marktüblichen Versicherungstarife angepasst werden.

§ 7 Abs. 3 und § 19 Abs. 1 Nr. 2: Absicherungskosten bei Busreisen / Zeitplan für das Zielkapital

Es ist zu begrüßen, dass nach § 7 Abs. 3 bei der Bemessung der Entgelthöhe die unterschiedlichen Schadensrisiken der Reiseanbieter angemessen und im Verhältnis zueinander berücksichtigt werden sollen. Allerdings legt § 19 Abs. 1 Nr. 2 die Höhe der Entgelte auf mindestens ein Prozent des Umsatzes des Reiseveranstalters fest. Das Entgelt soll die Rückbeförderung der Reisenden im Insolvenzfall gemäß § 651r BGB absichern. Diese Entgeltregelung berücksichtigt jedoch nicht die Sonderstellung der Busreisen: Der Reisegruppe steht während der gesamten Reise ein eigener Bus zur Verfügung. Beim Eintritt einer Insolvenz werden das Fahrzeug und der Busfahrer immer nach Deutschland zurückgeführt. Dabei können gleichzeitig auch die Reisenden ohne Mehrkosten im Fahrzeug zurückbefördert werden. Im Gegensatz zum Flug- oder Schiffsverkehr, wo Kosten für alternative Transportmittel oder sonstige Aufwände anfallen, ist bei Busreisen stets eine kostenlose Rückbeförderung der Reisenden sichergestellt. Es könnten höchstens erforderliche Übernachtungskosten anfallen. Da Busreisen in der Regel aber nur bis in das nahe europäische Ausland führen, können oftmals sogar die Übernachtungskosten entfallen. Die für alle Reiseveranstalter gleich hohen Entgelte sind daher unverhältnismäßig, weil nicht das unterschiedliche Schadensrisiko der verschiedenen Pauschalreiseveranstaltungsarten berücksichtigt wird. Das bei Busreisen sehr geringe Schadensrisiko muss sich in den Beiträgen der Busreiseveranstalter widerspiegeln. Das Entgelt für die Busreiseveranstalter sollte daher auf ein realitätskonformes Niveau von 0,2 % gesenkt werden.

Das Zielkapital des Reisesicherungsfonds soll bis Ende 2026 durch die Beiträge der Reiseveranstalter aufgebaut werden. Dies bewirkt für die nächsten fünf Jahre eine hohe finanzielle Belastung für die Reisebranche. Die Busreiseveranstalter sind aufgrund der Corona-Pandemie derzeit besonders stark belastet. Seit Anfang 2020 haben viele Unternehmen kaum Einnahmen. Eine in ihrer Existenz bedrohte Branche noch vor dem Neustart des Reiseverkehrs so stark zu belasten, wäre äußerst kontraproduktiv. Aus Sicht des bdo sollte der hoffentlich bald eintretende Wiederaufschwung der Reisebranche nicht abgewürgt werden. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass man dort (ohne Pandemie) bis zu 20 Jahre benötigte, um das Zielkapital für einen solchen Fonds aufzubauen. Daher muss der Zeitraum zum Aufbau des Zielkapitals auf 20 Jahre erstreckt werden.

§ 9: Beirat

Der Referentenentwurf sieht einen Beirat vor, der die Geschäftsführung des Reisesicherungsfonds unterstützt und berät. Das Gremium soll verschiedene Interessengruppen abbilden und sich aus Vertretern des Staates, der Wirtschaft und der Verbraucherschützer zusammensetzen. Aus Sicht des bdo sind die Regelungen für den Beirat viel zu unbestimmt. Weder die Anzahl der Mitglieder, die genaue Bestimmung der Vertreter und auch nicht deren anteilige Zusammensetzung werden definiert. Ebenso wenig finden sich Angaben dazu, welche Anforderungen an die Neutralität bzw. Unabhängigkeit der Beiratsmitglieder gestellt werden. Auch die Tätigkeiten des Beirats sind nur ungenau beschrieben. Das Gesetz muss festlegen, wie groß der Beirat sein soll, wer die Mitglieder bestimmt und wie diese gewählt und ggf. vergütet werden. Weiter muss eine genaue Aufgabenbeschreibung des Beirats enthalten sein. Vor allem aber bedarf es einer klaren Festlegung der Rechte des Beirats und seiner Entscheidungsmöglichkeiten, insbesondere der Vetorechte bzgl. der Beitragsordnung, Budgetierung usw. Erst nach der Formulierung entsprechender Bestimmungen ist hierzu eine konkrete Stellungnahme möglich.

§ 13 Abs. 2 und § 651r BGB: Umsatzgrenze für Versicherungs- und Bankabsicherung

Der Referentenentwurf sieht vor, dass Busreiseveranstalter, welche in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren im Durchschnitt weniger als drei Millionen Euro Umsatz mit Pauschalreisen erzielt haben, sich weiterhin über eine Insolvenzversicherung oder eine Bankbürgschaft absichern können. Diese Ausnahmeregelung ist zu begrüßen. Bei einem solidarisch aufgebauten Fondsvermögen besteht die Gefahr, dass bei der Insolvenz eines großen Reiseveranstalters der Fonds besonders stark belastet oder gar aufgebraucht wird. Kleinanbieter stehen dann unverschuldet in der Mithaftung, weil das erneute Auffüllen des Fonds zu stark steigenden Beiträgen für alle Reiseveranstalter im Fonds führen wird. Reisebusunternehmen sind oftmals familiengeführte Unternehmen, die traditionell über eine gute Eigenkapitalquote und Sicherheiten in Form der von ihnen eingesetzten Fahrzeuge verfügen. Diese Unternehmen können und dürfen nicht die Risiken von Reisekonzernen oder großen Anbietern tragen, die selbst nur über teilweise sehr geringe Eigenkapitalquoten verfügen. Um das Risiko für die kleinen Unternehmen zu senken, ist im Referentenentwurf vorgesehene Umsatzgrenze von drei Millionen Euro ein Schritt in die richtige Richtung. Dieser geht allerdings nicht weit genug. Um den Gegebenheiten der Praxis gerecht zu werden, muss diese Umsatzgrenze deutlich angehoben werden. Der bdo schlägt hier eine Umsatzgrenze von 20 Millionen € vor. Dadurch können kleine und mittlere Betriebe von den großen Reiseveranstaltern abgegrenzt werden. Das reduziert das Risiko der Mithaftung und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen für die Kleinanbieter. Die Anhebung der Umsatzgrenze würde auch die Absicherung der kleinen und mittleren Reiseveranstalter stärken, weil das Risiko für die Insolvenzversicherer und Banken auf mehr Reiseveranstalter verteilt und von diesen mitgetragen wird. Zusätzlich steigert die höhere Kundenzahl die Attraktivität für die Insolvenzversicherer und Banken, weiterhin im Markt der Insolvenzabsicherung tätig zu sein. Ein kleiner Kundenkreis würde für die Insolvenzabsicherer ein höheres Risiko bei gleichzeitig unrentablerem Betrieb bedeuten. Einige Anbieter könnten sich daher zum Marktaustritt entschließen, was die bereits bestehende Absicherungsproblematik (vgl. oben I) weiter verschärfen würde.

Weil bereits ein Insolvenzversicherer aus dem Markt ausgetreten ist, die steigenden Preise für Insolvenzversicherungen für viele Reiseveranstalter nicht mehr finanzierbar sind und viele Anbieter Neukunden ablehnen, muss es auch den Reiseveranstaltern unterhalb der Umsatzgrenze stets möglich sein, dem Insolvenzschutz unter dem Reisesicherungsfonds beizutreten. Das Gesetz sollte daher eine ausdrückliche Anspruchsgrundlage enthalten, welche allen Reiseveranstaltern unterhalb der Umsatzgrenze die Möglichkeit zum Beitritt in den Reisesicherungsfonds garantiert. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich alle Reiseveranstalter gegen eine Insolvenz absichern können, auch wenn sich der Markt der Insolvenzabsicherung weiter verändert.

III. Weiterer Regelungsbedarf aus Sicht der Busreiseveranstalter

a. Wettbewerb schützen − Abwanderung verhindern

Mit der gesetzlichen Festlegung von Beitragszahlungen und Absicherungspflichten zum Aufbau des Reisesicherungsfonds wird in den freien Wettbewerb eingegriffen. Es ist daher dringend erforderlich, bei der Festlegung dieser Belastungen den Schutz inländischer Reiseveranstalter vor ausländischen Marktteilnehmern zu gewährleisten. Reiseveranstalter mit Sitz im Ausland unterliegen anderen Absicherungspflichten und könnten dadurch mit anderen Kostenstrukturen die inländischen Reiseveranstalter verdrängen. Die gesetzliche Ausgestaltung eines Reisesicherungsfonds sollte daher die Wettbewerbsfähigkeit der Reiseveranstalter mit Sitz in Deutschland sichern und stärken. Es ist zu verhindern, dass Reiseveranstalter in andere Staaten mit günstigeren Bedingungen zur Insolvenzabsicherung abwandern und dann die Anbieter in Deutschland mit Dumpingpreisen unterbieten.

b. Vielzahl unklarer Regelungen und offener Fragen

Der Referentenentwurf enthält eine Vielzahl von Bestimmungen ohne klaren Regelungsinhalt. Wie oben ausgeführt, sind die Besetzung und Aufgaben des Beirates nicht abschließend geregelt. Ebenso bleiben die Regelungen zu der zu gründenden GmbH, die zur Ausübung des Geschäfts des Reisesicherungsfonds erforderlich ist, nebulös. Es stellt sich eine Reihe von Fragen, z.B. hinsichtlich der Gesellschafter der GmbH und zur Höhe des Stammkapitals. Ebenso muss sichergestellt werden, dass die Verwaltung des Geschäftsbetriebs nicht unnötig „aufgebläht“ wird. Die notwendigen Sach- und Personalkosten einschließlich der Vergütung für die Mitglieder der Organe des Reisesicherungsfonds möglichst gering zu halten. Denn letztendlich würden Kostensteigerungen in diesem Bereich zur Erhöhung der Entgelte führen.

Eine Stellungnahme zu so unbestimmten Inhalten, die viel Interpretationsspielraum bieten, ist nur schwer möglich. Zusätzlich verunmöglicht es der viel zu kurz gewährte Zeitraum zur Erarbeitung einer Stellungnahme, bei den offenen Fragen alle Eventualitäten zu prüfen und dazu fundiert Stellung nehmen zu können.

Aufgrund der kurzen Prüffrist behalten wir uns daher vor, bei Bedarf Änderungen und Ergänzungen nachzureichen.