SN37 bdo-Stellungnahme Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht

bdo-Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz zur Umsetzung der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht

Berlin, 25.07.2016

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.

Im vergangenen Jahr wurde die Richtlinie (EU) 2015/2302 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen verabschiedet. Leider ist unseres Erachtens mit dieser neuen Richtlinie eine der ursprünglichen Intentionen für eine Überarbeitung der alten Richtlinie 90/314/EWG, nämlich die Sicherstellung von fairem Wettbewerb zwischen Reisebüros und Online-Angeboten, weitgehend aus den Augen verloren worden. Stattdessen werden den Reiseunternehmen vermeintlich im Interesse des Verbraucherschutzes nun weitere umfassende Informations- und Haftungsverpflichtungen auferlegt. Insbesondere für KMU erwarten wir erheblichen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Mit einer Umsetzung der neuen Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht hatten wir die Hoffnung verbunden, dass diese Belastungen für Reiseunternehmen zumindest teilweise abgemildert werden.

Mit dem nun vorgelegten „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften“ erfüllt sich diese Hoffnung zum Wohle der Bustouristik in Deutschland leider zu großen Teilen nicht.

Dazu im Einzelnen:

1. Nachträgliche Preisänderungen/ Insolvenzabsicherung

Als positiv kann vermerkt werden, dass dem Reiseveranstalter künftig möglich ist, bei einem entsprechenden Vorbehalt Preiserhöhungen von bis zu acht Prozent statt bisher fünf Prozent vorzunehmen. Auch soll bei erheblichen Änderungen keine „Ersatzreise“ mehr vom Reiseveranstalter angeboten werden müssen. Wir begrüßen auch, dass das aus unserer Sicht bewährte System der Insolvenzabsicherung im Grundsatz beibehalten werden soll.

Reisesicherungsschein
Erstaunt sind wir jedoch über die beabsichtigte Abschaffung des Reisesicherungsscheins. Die Ausgabe eines Reisesicherungsscheins hat sich in Deutschland als eine praxisgerechte und gut handhabbare Verfahrensweise etabliert, an die die Beteiligten – insbesondere auch der Reisende – gewohnt und mit der sie vertraut sind. Es erschließt sich uns nicht, warum diese bewährte Praxis nun ohne erkennbaren Handlungsbedarf einer einschneidenden Änderung unterzogen werden soll.
Die Abschaffung des Reisesicherungsscheins erscheint umso unverständlicher, als die Bundesregierung sich noch bei den Verhandlungen zu der Richtlinie auf EU-Ebene für die Beibehaltung der Möglichkeit Sicherungsscheins eingesetzt hat.

Wir möchten daher dringend dazu raten von einer Abschaffung des Reisesicherungsscheines abzusehen, da dies ohne jede Not nach unserer Einschätzung zu großer allseitiger Verunsicherung, insbesondere aber auch zu Verwirrung bei den Reisenden und großem Erklärungsaufwand für die Tourismuswirtschaft (vor allem in Reisebüros), führen würde.

2. Vorvertragliche Informations- und Haftungsverpflichtungen des Reiseveranstalters

Mit der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie werden trotz deutlicher Abschwächungen im Vergleich zu vorherigen Entwürfen die Informations- und Haftungspflichten für Reiseunternehmer ausgeweitet. Unter anderem soll der Reiseveranstalter den Reisenden künftig mittels standardisierter Formulare über die dem Reisenden aufgrund der Richtlinie zustehenden Rechte informieren. Schon allein mit Mustern für Formblätter beschäftigt sich der Referentenentwurf in einem Anhang über 17 Seiten. Diese Formularvielfalt und ihr Umfang erscheinen wenig praxistauglich. Je umfangreicher die Vorgaben für Unternehmen, desto höher auch die Anzahl der möglichen Fehlerquellen für redliche Unternehmer. Viele Unternehmen sehen sich daher auch bei größtmöglicher Sorgfalt einem erhöhten Abmahnrisiko ausgesetzt, ohne dass sich daraus ein direkter Mehrwert für den Verbraucher herleiten ließe. Die Schaffung einer „Abmahnindustrie“ sollte der Gesetzgeber nicht befördern. Nach wie vor halten wir an dem Leitbild des mündigen Verbrauchers fest und halten es für praxisgerecht, wenn der Reisende auf gezielte Nachfrage hin mit Informationen versorgt wird.

Das derzeit auch dem Reiseveranstalter zustehende Kündigungsrecht in Fällen höherer Gewalt soll nach dem Referentenentwurf entfallen. Darüber hinaus soll der Reiseveranstalter dem Reisenden Beistand leisten, wenn sich dieser in Schwierigkeiten befindet. Auch die derzeitige Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung des Reiseveranstalters bei Schäden, die nicht Körperschäden sind, soll eingeengt werden. Hier sehen wir eine Aufbürdung von allgemeinen Risiken allein zu Lasten der Reiseunternehmen.

Ganz allgemein sehen wir insbesondere KMU mit einer Fülle von Informationspflichten und Haftungskonstellationen konfrontiert, die den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen stark erhöhen. Dies betrachten wir mit großer Sorge. In dem Referentenentwurf wird in Bezug auf die Belange mittelständischer Unternehmen festgestellt, dass eine Entlastung von KMU hinsichtlich der Regelungen mit Erfüllungsaufwand gegenüber großen Unternehmen nicht möglich sei, da sich bei der Umsetzung der EU-Richtlinie keinerlei Alternativen böten. Somit wird beinahe schon handstreichartig eines der ursprünglichen Ziele der Neuregelung der Gesetzgebung zu Pauschalreisen, nämlich auch den Verwaltungsaufwand für KMU zu reduzieren, „vom Tisch gewischt“. Dies widerspricht dem im Small Business Act der EU verankerten Prinzip „Vorfahrt für KMU“ und wird daher von uns entschieden abgelehnt. Unseren Mitgliedsunternehmen wird der Nutzen der mit dem Entwurf vorgelegten Regelungen im Ergebnis kaum noch verständlich zu machen sein.

Welche konkreten Handlungspflichten sich aus der Neuregelung des Pauschalreiserechts ergeben, wird für viele kleine und mittelständische Reiseunternehmen aus den vorgeschlagenen Gesetzestexten heraus nur schwer zu erfassen sein. Insofern dürfte es erforderlich sein, dass sich Mitarbeiter von Busunternehmen ausführlich mit der neuen Rechtslage auseinandersetzen, was weiteren Kosten- und Zeitaufwand erfordern wird.

Vor dem Hintergrund der mit der Richtlinie beabsichtigten Vollharmonisierung sehen wir die Regelungspassagen des Referentenentwurfs besonders kritisch, in denen von dem Richtlinientext abgewichen wird, was nahezu vollständig zu Lasten der Reiseunternehmen geschieht. So halten wir es für verfehlt, Tagesreisen ab einem Wert von 75 EUR gemäß dem Entwurf zu § 651a Abs. 5 Nr. 2 BGB den Vorschriften für Pauschalreisen zu unterwerfen, während die Richtlinie weniger als 24 Stunden andauernde Reisen aus dem Anwendungsbereich herausnimmt. Für die Einführung eines solchen Schwellenwertes allein auf nationaler Ebene können wir keinen Handlungsbedarf aus der Praxis herleiten. Auf einen Schwellenwert und die damit verbundene Einbeziehung von Tagesreisen in die Regelungen für Pauschalreiseverträge sollte daher verzichtet werden.

Beistandspflicht des Reiseveranstalters
Wir halten die Formulierung in dem Referentenentwurf, wonach neben unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen auch aus anderen Gründen eine Beistandspflicht des Reiseveranstalters begründet wird, für zu weit gefasst und zu unbestimmt. Die Richtlinie spricht hier von Schwierigkeiten, unter denen vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte aus dem vormaligen Begriff der höheren Gewalt heraus eine gewisse Notfalllage und keine alltäglichen Situation zu verstehen ist. Dies muss unseres Erachtens in dem Gesetzestext deutlicher formuliert werden.

Angesichts der mit der Richtlinie bereits festgeschriebenen Mehrbelastungen für kleine und mittelständische Reiseunternehmen appellieren wir an den deutschen Gesetzgeber, Handlungsspielräume bei der Umsetzung in Bundesrecht so weit wie möglich zugunsten von Unternehmen zu nutzen bzw. keine über den Inhalt der Richtlinie hinausgehenden und für Unternehmen belastenden Regelungen einzuführen, um den Verwaltungsaufwand und den Haftungsumfang für Busunternehmen möglichst gering zu halten.

Anderenfalls bleibt es unseres Erachtens nach völlig offen, ob dem Verbraucher im Ergebnis gedient ist. Wenn der bürokratische Aufwand und die Haftungsrisiken für Unternehmer zusätzlich zu den bereits bestehenden Verpflichtungen immer noch weiter ausgeweitet werden, besteht die große Gefahr, dass kleine Reiseveranstalter ihre Reiseangebote in der bestehenden Vielfalt nicht mehr unternehmerisch vertretbar aufrechterhalten können. Einige Busunternehmen könnten sich gezwungen sehen, ihr Angebotsportfolio auszudünnen oder die Preise für Reisen zu erhöhen. Dem Verbraucher stünden dann weniger oder teurere Reisen zur Auswahl und damit auch weniger Möglichkeiten, überhaupt von seinen schon bestehenden und neu hinzugewonnenen Verbraucher- bzw. Reiserechten zu profitieren.

3. Veranstalter ohne Gewinnerzielungsabsicht

Wir nehmen mit Sorge zur Kenntnis, dass Veranstalter ohne Gewinnerzielungsabsicht wie Schulen, Kirchen oder Vereine vom Anwendungsbereich der Regelungen zu Pauschalreisen ausgenommen werden sollen. Die Verschonung bei derartigen Reisekonstellationen von den Vorschriften für Reiseveranstalter geht unseres Erachtens vollständig in die falsche Richtung. Um den nach unseren Beobachtungen wachsenden Bereich der wettbewerbswidrigen Schwarztouristik einzudämmen, dürfen diese faktischen Reiseveranstalter nicht von den ansonsten geltenden Verantwortlichkeiten freigestellt werden. Hier bestehen schon jetzt erhebliche Wettbewerbsnachteile für Busunternehmen, da diese sich aufgrund der gesetzlichen Verpflichtungen als Reiseveranstalter entsprechend absichern müssen, was sich natürlich auch auf das Preisniveau der Reiseangebote auswirkt.

Wenn an anderer Stelle sehr großer Wert auf den Verbraucherschutz gelegt wird, so erscheint es hier inkonsequent, wenn man den Reisenden bei nichtgewerblichen Veranstaltern mangels Absicherung - beispielsweise gegen Insolvenz - vollständig sich selbst überlässt.

Die Ausnahme des § 651a Abs. 5 Nr. 1 des BGB-Entwurfes sollte daher vollständig gestrichen werden.

Aufgrund dieser Punkte sehen wir bei dem Referentenentwurf noch grundlegenden Nachbesserungsbedarf.

Wir behalten uns vor, diese Stellungnahme zu einem späteren Zeitpunkt zu ergänzen.