SN15 bdo SN Vorschlag Verordnung Geräuschpegel von Kfz
Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen (KOM (2011), 856 endg.)
Berlin, 03.05.2012
Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.
Zu dem Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen (KOM (2011), 856 endg.) nehmen wir wie folgt Stellung:
I. Einführung
Die Europäische Kommission hat am 9. Dezember 2011 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Senkung des Geräuschpegels von Pkw, Lieferwagen, Bussen und Lkw vorgelegt. Der Vorschlag verfolgt das Ziel, durch die Einführung eines neuen Prüfverfahrens für die Messung von Geräuschemissionen, die Senkung der Geräuschgrenzwerte und die Aufnahme zusätzlicher Bestimmungen zu Geräuschemissionen in das Typgenehmigungsverfahren die Umgebungsgeräusche zu reduzieren.
Konkret ist vorgesehen, die Geräuschgrenzwerte von Pkw, Lieferwagen und Bussen in zwei Schritten um jeweils 2 dB(A) zu senken. Bei Lkw ist eine Reduzierung um 1 dB(A) im ersten und 2 dB(A) im zweiten Schritt vorgesehen. Der erste Schritt soll zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Textes (nach dessen Billigung durch das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten), der zweite drei Jahre nach dem ersten Schritt wirksam werden. Durch all diese Maßnahmen soll die Belästigung durch Fahrzeuglärm um etwa 25 % verringert werden.
Hintergrund für das Tätigwerden der Kommission ist die Tatsache, dass trotz eines erhöhten Verkehrsaufkommens die Grenzwerte für Geräuschemissionen seit 1995 unverändert geblieben sind. Die damalige Senkung der Grenzwerte hatte nach Ansicht der Kommission deshalb nicht die erwartete Wirkung, auch weil das Messverfahren die tatsächliche Geräuschkulisse nicht praxisgetreu widerspiegelte. Das Ziel des Vorschlags besteht darin, ein hohes Maß an Gesundheits- und Umweltschutz zu gewährleisten und den Binnenmarkt für Kraftfahrzeuge in Bezug auf deren Geräuschpegel zu schützen.
II. Bewertung
1. Ziel der Reduzierung von Geräuschemissionen
Verkehrsbedingte Geräuschemissionen in Stadtgebieten in Europa können einen bedeutenden Stressfaktor für die Umgebung darstellen. Angesichts der bekannten Auswirkungen von übermäßigen Geräuschemissionen auf die Gesundheit und die Lebensqualität sowie angesichts der damit verbundenen Folgekosten ist eine Reduzierung der Geräuschbelastung grundsätzlich wünschenswert.
Andererseits stellen Geräuschemissionen auch eine alltägliche und allgemein gesellschaftlich akzeptierte Folge unseres (Wirtschafts-) Lebens dar. Regulierungen dürfen hier nicht zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung ökonomischer Tätigkeiten führen. Auch sei darauf hingewiesen, dass das Geräuschempfinden grundsätzlich subjektiv geprägt ist. Je nach Person, Tageszeit oder Ort werden Geräusche entweder als „zu laut“ oder als „nicht störend“ wahrgenommen.
Ungeachtet dessen erkennt der bdo die Zielsetzung der Kommission, die Umgebungsgeräusche zu senken, jedoch ausdrücklich an.
2. Erforderlichkeit einer EU-Verordnung
Die Geräuschemissionen können allein durch die Anwendung des geplanten neuen Prüfverfahrens signifikant um ca. 2,4 dB(A) gesenkt werden. Unseres Erachtens besteht daneben keine Erforderlichkeit durch eine EU-Verordnung auch neue strengere Lärmgrenzwerte vorzuschreiben.
Die Belastung der Menschen durch Geräuschemissionen kann im Übrigen auf vielerlei Arten verringert werden. Die Verringerung der Geräuschemissionen direkt an der Quelle, d. h. die direkte Senkung der Grenzwerte für Fahrzeuge ist dabei nur eine Möglichkeit. Ebenfalls effektiv sein können indirekte Maßnahmen wie Steuererleichterungen bei umweltfreundlichen Investitionen, Lärmschutzlösungen wie Lärmschutzwände, geräuschdämpfende Straßenbeläge und Fassadenschalldämmungen. Auch durch den Abbau bestehender Beschränkungen und eine Erhöhung des allgemeinen Verkehrsflusses sind spürbare Verbesserungen im Hinblick auf Geräuschemissionen, Verbrauch und Schadstoffausstoß zu erzielen.
Dem Verordnungsentwurf fehlt insofern ein umfassender Ansatz. Es müssen alle Maßnahmen zur Reduzierung von Geräuschemissionen berücksichtigt werden. Keineswegs sollte sich der Verordnungsgeber auf die Typzulassung und die Reifen beschränken. Soweit hier auf den künftigen flächendeckenden Einsatz von Reifen mit geringerem Rollwiderstand gesetzt wird, kann dies unter dem Aspekt der Straßenverkehrssicherheit sogar kontraproduktiv sein. Zwar emittieren derartige Reifen unter Umständen weniger Geräusche. Diesem Vorteil steht jedoch ein längerer Bremsweg gegenüber.
Festzuhalten bleibt, dass die Geräuschemissionen des Verkehrs nicht optimal reduziert werden können, wenn nur das Fahrzeug für sich betrachtet wird. Mindestens ebenso entscheidend ist die Interaktion zwischen Fahrzeug und Infrastruktur.
Bereits heute existieren zahlreiche Vorschriften, die verbindliche Grenzwerte für den Straßenverkehrslärm vorsehen. Die letzte Änderung der Richtlinie über den zulässigen Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen (Richtlinie 70/157/EWG) im Jahr 1995 führte gegenüber den ursprünglichen Grenzwerten aus dem Jahr 1970 zu einer deutlichen Verringerung der Geräuschemissionen um 85 % (-8 dB(A) bei Personenkraftwagen und um mehr als 90 % (-11 dB(A) bei schweren Lastkraftwagen).
Daneben gibt es in vielen Kommunen spezielle Lärmkarten und Aktionspläne, die der Umsetzung der vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassenen Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm („EU-Umgebungslärmrichtlinie“) dienen. Ebenso effektiv wie der Erlass einer neuen EU-Verordnung könnte eine europaweite Harmonisierung dieser bestehenden Aktionspläne zur Minderung der Geräuschemissionen sein.
Daneben wird auf internationaler Ebene ebenfalls über neue Grenzwerte zur Minderung des Geräuschpegels von Kraftfahrzeugen diskutiert. Innerhalb der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) konnte man sich bereits auf eine entsprechende Änderung des in der UN/ECE Regelung Nr. 51 beschriebenen Prüfverfahrens sowie der dort festgelegten Grenzwerte einigen. Die anvisierten Grenzwerte sind ebenfalls durchaus ambitioniert, beachten im Gegensatz zur vorliegenden EU-Verordnung jedoch die in der Fahrzeugindustrie herrschenden Entwicklungs- und Produktionszyklen. Ein weiterer Vorzug einer Regelung auf UN-Ebene ist es, dass so sichergestellt werden kann, dass das Typgenehmigungsverfahren für Kraftfahrzeuge in der EU mit den Verfahren einer größeren Zahl von Ländern außerhalb der EU abgestimmt wird und die Hersteller in der EU somit bei der Produktion für diese Exportmärkte dieselben Fertigungsliniennutzen können wie bei der Produktion für den Binnenmarkt.
Für die Busindustrie und die Unternehmen besitzt der Gedanke der Nachhaltigkeit und der Umweltverträglichkeit seit jeher herausragende Bedeutung. Bei der Verminderung von Geräuschemissionen konnten so in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten beachtliche Fortschritte erzielt werden. 25 moderne Omnibusse produzieren heute die gleichen Geräuschemissionen wie ein Omnibus vor 1980. Neue Gesetzesvorhaben sollten diese Fortschritte und Initiativen durch Industrie und Unternehmerschaft entsprechend würdigen.
3. Problematische Punkte der vorliegenden EU-Verordnung
Der vorliegende Textentwurf für die Verordnung über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen wirft aus Sicht des bdo zahlreiche Probleme auf.
Augenfällig und besonderes kritisch zu sehen ist die unterschiedliche Behandlung von Bussen und Lkw im Hinblick auf die Anforderungen bei der Reduzierung von Geräuschemissionen. Lkw stellen zwar nur 3 % der Fahrzeuge auf europäischen Straßen, sind aber für rund die Hälfte des Straßenlärms verantwortlich. Der Bus trägt in sehr viel geringerem Maße zur Erzeugung von Geräuschemissionen bei. Es ist deshalb nicht nachzuvollziehen, weshalb die Geräuschgrenzwerte für Busse im Vergleich zu Lkw stärker abgesenkt werden sollen.
Völlig außer Acht lässt der Verordnungsentwurf darüber hinaus das Problem der Geräuschemissionen von Zweirädern. Dabei stellt die Lärmerzeugung insbesondere durch Motorräder gerade in Innenstädten vielfach ein besonders großes Problem dar.
Ebenfalls unberücksichtigt bleibt der Aspekt der Stadtplanung. Viele Städte weisen heute eine hohe Verdichtung auf. Gerade in Innenstädten kommt es deshalb häufig zu staubedingten Geräuschemissionen. Der Verordnungsgeber ist hier aufgefordert, in sehr viel stärkerem Maße zu prüfen, durch welche baulichen Vorschriften und Maßnahmen der Verkehrsführung und Verkehrsplanung die Menschen entlastet werden können.
Hinsichtlich der richtigen Einstufung von Geräuschemissionen ist dabei eine weitere Differenzierung notwendig. Gerade Personen an stark frequentierten Verkehrswegen sind größeren Geräuschpegeln ausgesetzt. Gleichzeitig profitieren sie aber auch durch den nahen Zugang zu Hauptstraßen und Autobahnen (z.B. durch kürzere Pendelzeiten). Vor diesem Hintergrund und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist die Möglichkeit von gestuften Grenzwerten zu prüfen. Parallel sind Maßnahmen baulicher Natur zu treffen, um die Geräuschbelastung (z.B. in Stadtwohnungen) zu reduzieren.
Es muss noch einmal besonders betont werden, dass die Geräuschemissionen in diesen Fällen nicht dem Verkehr geschuldet sind, sondern der Lage in einer Großstadt. Die Mobilität und Versorgung vieler Menschen in hochverdichteten Räumen zieht vielmehr erst ein entsprechendes Verkehrsaufkommen mit einem gewissen Maß an Emissionen nach sich. „Lärmbelastungen“ sind insoweit externe Kosten unserer Bau- und Lebensweise.
Auch ist darauf hinzuweisen, dass Geräusche nicht nur durch den Straßenverkehr emittiert werden. Der Luftverkehr sowie Schienenfahrzeuge wie Eisenbahn und Straßenbahn tragen in nicht unerheblichen Maßen ebenfalls zu den Geräuschemissionen bei. Für Fluglinien gelten bereits mehr oder minder strenge Geräuschgrenzwerte. Im Gegensatz zum Straßen- und Luftverkehr existieren bislang keine verbindlichen Grenzwerte für Bahnen und Straßenbahnen. Es ist unverständlich und unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung mit den anderen Transportformen rechtlich höchst problematisch, wenn die Kommission an dieser Stelle Maßnahmen zur Lärmreduzierung auf rein freiwilliger Basis akzeptiert.
Aus unserer Sicht muss betont werden, dass der Verordnungsvorschlag im Kontext des allgemeinen Typgenehmigungsverfahrens zu sehen ist. So weist Artikel 1 ausdrücklich darauf hin, dass nur Neufahrzeuge betroffen sind. Alte Typgenehmigungen gelten gemäß Artikel 14 i.V.m. 16 weiter. Das bedeutet unserer festen Überzeugung nach, dass Unternehmen zu keinem Zeitpunkt zu einer Nachrüstung ihrer Busse mit geräuschereduzierenden Bauteilen o.ä. verpflichtet werden können. Andererseits haben wir die konkrete Befürchtung, dass es dennoch zukünftig zu Einfahrtsbeschränkungen in Städte für „lautere“ Busse kommen könnte. Dieses Szenario ist gerade vor den negativen Erfahrungen, die unsere Branche mit den derzeitigen Umweltzonen sammelt, unbedingt zu verhindern.
Des Weiteren muss davon ausgegangen werden, dass die Anschaffungskosten für Busse, die den neuen Grenzwerten entsprechen, spürbar steigen werden. Der Verordnungsentwurf bleibt hier unkonkret. Bushersteller verweisen hingegen darauf, dass die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zur Geräuschreduktion im Busbereich technisch verhältnismäßig aufwändig und mit entsprechend hohen Kosten verbunden sei. Um Unternehmen die Kaufentscheidung zu erleichtern sind aus Sicht des bdo deshalb zwingend weitere Maßnahmen wie Steuervergünstigungen oder andere finanzielle Anreize von Nöten.
Schließlich führen Maßnahmen zur Geräuschreduzierung im Motorbereich der Fahrzeuge zum einen potentiell zu einer problematischen Erhöhung des Brandrisikos. Zum anderen steigt dadurch das Leergewicht der Busse, was ihre betriebliche Leistungsfähigkeit bzw. Wirtschaftlichkeit für die Unternehmen unmittelbar einschränkt.
III. Fazit
Der bdo unterstützt dem Grunde nach Maßnahmen zur Reduzierung von Geräuschemissionen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Markteinführung von geräuschärmeren Fahrzeugen mit finanziellen Anreizen für die Personenverkehrsunternehmen verbunden wird. Ebenfalls erforderlich sind angemessene Investitionen in eine lärmmindernde Infrastruktur. Schließlich müssen sämtliche Transportarten in das Vorhaben mit einbezogen werden.