SN93 bdo-Stellungnahme_Vorschlag zur Änderung der EU-Pauschalreiserichtlinie
Vorschlag zur Änderung der EU-Pauschalreiserichtlinie
Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) ist der Spitzenverband der deutschen Busbranche und vertritt die Interessen von über 3.000 privaten und mittelständischen Unternehmen aus dem Bereich Personennahverkehr, Bustouristik und Fernlinienverkehr gegenüber Politik und Öffentlichkeit.
Zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/2302 zur wirksameren Gestaltung des Schutzes von Reisenden und zur Vereinfachung und Klarstellung bestimmter Aspekte der Richtlinie (COM(2023) 905 final) nimmt der bdo Stellung wie folgt:
I. Ausgangslage
Das private Omnibusgewerbe und insbesondere die Bustouristik wurden durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Reisebeschränkungen stark getroffen. Die Bustouristik brach um 70 Prozent ein. Das zentralste Problem hierbei waren die unzähligen Stornierungen von Kunden, welche während und im Wissen um die Pandemielage Reisen buchten und anschließend unter Berufung auf § 651h Abs. 3 BGB von der Reise zurücktraten. Obwohl die Kunden zum Zeitpunkt der Buchung von der unberechenbaren Pandemielage und möglichen Einschränkungen wussten oder hätten wissen müssen, waren die Reiseveranstalter nach § 651h Abs. 3 BGB zur Rückerstattung des vollen Reisepreises verpflichtet. Erschwerend kam hinzu, dass die Busreiseveranstalter oftmals dennoch ihre Dienstleister bezahlen mussten, z.B. wenn in einem Bundesland Busreisen oder Weihnachtsmärkte durch eine Corona-Verordnung verboten wurden, Hotelübernachtungen jedoch nicht. Zahlreiche Gerichtsverfahren waren die Folge, jedoch urteilten die Gerichte meistens im Sinne der Verbraucher. Dies obwohl ein so außergewöhnliches Lebensrisiko nicht allein vom Busreiseveranstalter getragen werden kann und schon gar nicht von Reisenden wissentlich ausgenutzt werden darf. Der Vorliegende Entwurf zur Änderung der Pauschalreiserichtlinie schafft keine fairen Bedingungen, sondern will das Haftungsrisiko für die Reiseveranstalter noch weiter ausdehnen. Die Vermeidung einer einseitigen Belastung der Reiseveranstalter in Krisenzeiten wie z.B. die Massenstornierungen während der COVID-19-Pandemie müssen in der Richtlinie unbedingt berücksichtigt werden.
Zudem bezieht sich der vorliegende Entwurf allein auf die Sicht des Reisenden und sieht keine Verbesserungen für die Reiseveranstalter vor, z.B. durch den Abbau unnötiger Bürokratie.
II. Stellungnahme ** Art. 3 Begriffsbestimmungen: Nicht praktikable, bürokratische Definition einer Pauschalreise** Die vorgeschlagene Neufassung des Art. 3 Nr. 2 lit. b) Ziff. i) weitet die Definition einer Pauschalreise aus:
a) Buchungszeitraum bis drei Stunden: Bürokratische Zuordnung, Zeiterfassung und Identifikation Bis zu drei Stunden nach der Buchung einer einzelnen Reiseleistung sollen weitere Reiseleistungen gebucht und als Pauschalreise definiert werden. Diese unklare Definition würde in der Praxis zu gravierendem Mehraufwand und enormer Bürokratie führen.
Reiseveranstalter müssten umständlich und arbeitsintensiv ermitteln, ob es sich bei beiden Buchungen um dieselben Kunden und dieselbe Reise handelt. Schließlich könnte dieselbe Person für sich oder andere Personen eine weitere Reise buchen. Insbesondere bei den bevorzugten Online-Buchungen wäre der Aufwand immens. Zudem bleibt unklar, auf welchen Zeitpunkt für die dreistündige Frist abgestellt werden soll: Gilt z.B. der Buchungszeitpunkt oder die Buchungsbestätigung? Insgesamt entsteht für die Reiseveranstalter ein enormer Arbeitsaufwand für die Ermittlung der buchenden Person sowie der Reisenden, der Zuordnung der Buchungen zu einer bzw. mehrerer Reisen und der Ermittlung der relevanten Zeitpunkte. Hinzu kommt der technische und finanzielle Aufwand für die Umstellung und Verknüpfung der Buchungssysteme. Die Variante der dreistündigen Frist ist zu streichen.
b) Weitere Reiseleistungen innerhalb von 24h: Bürokratische Zuordnung Für die Buchung weiterer Reiseleistungen bis 24 Stunden nach der Buchung der ersten Reiseleistung kann auf die Ausführungen unter a) verwiesen werden. Die Variante der 24-stündigen Frist ist zu streichen.
Fest steht, dass Einzelleistungen und verbundene Reiseleistungen keinesfalls in den Anwendungsbereich der Pauschalreiserichtline fallen dürfen.
Art. 5a Zahlungen: Keine Begrenzung von Anzahlungen oder Vorgabe von Zahlungsfristen
a) Keine Begrenzung von Anzahlungen Der Richtlinien-Vorschlag sieht vor, dass Anzahlungen für Pauschalreisen auf höchstens 25 Prozent des Gesamtpreises beschränkt werden sollen. Ein derartiger Markteingriff würde für die Reiseveranstalter zu einer erheblichen, zusätzlichen finanziellen Belastung führen. Denn gleichzeitig müssen Reiseveranstalter ihre Leistungspartner wie Hotels, Airlines oder Restaurants bereits bezahlen. Deren Zahlungsfristen sind innerhalb der EU uneinheitlich geregelt. Viele Leistungspartner setzen den Busreiseveranstaltern immer strengere Zahlungsziele mit früheren und höheren Zahlungen. Hinzu kommen Fixkosten wie Büros, Personal und IT. Durch den Erhalt und die Beschaffung zusätzlicher liquider Mittel entstehen höhere Liquiditätskosten, die zwangsläufig von den Reisenden durch höhere Kosten für Pauschalreisen zu tragen wären. Zwar sieht der Richtlinien-Entwurf vor, dass höhere Anzahlungen zulässig sind, wenn „die Organisation oder Durchführung der Pauschalreise“ dies erfordert. Allerdings sind die Kriterien nicht klar definiert, wann genau höhere Anzahlungen verlangt werden können und ob z.B. die gesamten Vorauszahlungen für Dienstleister zur Anzahlung hinzugerechnet werden können. Wie bei anderen Verbrauchergeschäften üblich, muss auch bei Pauschalreisen die vollständige Bezahlung zum Zeitpunkt des Kaufs möglich sein. Schließlich ist es auch beim Kauf eines Fernsehers oder eines Autos üblich, dass der gesamte Kaufpreis direkt fällig wird, obwohl beide Leistungen teurer als übliche Pauschalreisen sind, ebenfalls nicht immer direkt konsumiert werden und die Zahlungen der Kunden nicht zusätzlich abgesichert sind (Gerade bei der Buchung von Pauschalreisen besteht für Kund:innen der Vorteil, dass ihre (vollständigen) Anzahlungen gegen Insolvenzen zusätzlich abgesichert sind). Der Wettbewerb auf dem freien Markt wird dennoch Angebote mit Anzahlungs-Modellen sicherstellen.
b) Keine Vorgabe von Zahlungsfristen Der Entwurf sieht vor, dass Reiseveranstalter die Restzahlungen grundsätzlich nicht früher als 28 Tage vor Reisebeginn verlangen können, es sei denn, die Reise wurde weniger als 28 Tage vor Reisebeginn gebucht. Eine derartige Beschränkung würde zu denselben Liquiditätsmehrkosten und teureren Reisen führen wie unter a) ausgeführt. Denn gerade bei lange im Voraus gebuchten Reisen leisten die Reiseveranstalter frühzeitige Vorauszahlungen an ihre Dienstleister, wofür im Gesamtbetrieb erhebliche Liquiditätsreserven vorgehalten werden müssten. Die Zahlungsfristen müssen wie die Anzahlungen dem freien Markt überlassen werden.
Die Begrenzung der Anzahlung sowie die Vorgabe einer Zahlungsfrist sind zu streichen.
Art. 12 Unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände: Faire Stornierungsregelung schaffen Art. 12 Abs. 2 soll dahingehend geändert werden, dass für Reisende ein kostenloser Rücktritt von der Reise nicht nur bei unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe, sondern neu auch am Wohnsitz oder Abreiseort der Reisenden möglich wäre. Eine Ausweitung der kostenlosen Stornierungsmöglichkeiten ist strikt abzulehnen. Die unzähligen Stornierungen aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände führten während der COVID-19-Pandemie zu einer existenziellen Belastung für die Reiseveranstalter. Der Grund ist, dass sich die Reisenden trotz der seit langem bestehenden, weltweiten Pandemie auf unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände beriefen, obwohl der Gesamtbevölkerung die Risiken und unkalkulierbaren Umstände der Pandemie und die dadurch möglichen Reisebeschränkungen oder gesetzlichen Einschränkungen im Leistungsangebot bewusst waren. Die vorgeschlagene Richtlinie zielt darauf ab, diese Stornierungsrechte noch weiter auszudehnen, ohne die Reiseveranstalter vor missbräuchlichem Stornierungsverhalten zu schützen. Derartige, außergewöhnliche und unvorhersehbare Risiken können nicht allein von den Reiseveranstaltern getragen werden, insbesondere bei allgemein bekannten und seit langem bestehenden Situationen und behördlichen Anordnungen.
Das finanzielle Risiko und das allgemeine Lebensrisiko müssen in Ausnahmesituationen gerecht zwischen den Reisenden und den Reiseveranstaltern aufgeteilt werden. Dies insbesondere, wenn den Reisenden zum Zeitpunkt der Buchung die Ausnahmesituation bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. ** Art. 12a Gutscheine: Gutscheinlösung bei Liquiditätsrisiken** Der neu vorgeschlagene Art. 12a räumt den Reisenden ein Wahlrecht zwischen einem Reisegutschein oder einer Rückerstattung ein. In der Praxis werden sich die meisten Reisenden für eine Erstattung entscheiden. Dies führt zu der Problematik, dass Reiseveranstalter bei einer hohen Anzahl zu erstattender Reisepreise, z.B. aufgrund einer Pandemie oder einer Umweltkatastrophe, mit einer hohen wirtschaftlichen und existenziellen Belastung konfrontiert werden. Die COVID-19-Pandemie hat die gravierenden Auswirkungen auf die Reisebranche aufgezeigt. Daher muss es möglich sein, dass Reiseveranstalter Gutscheine ausgeben können, um ihre Liquidität und Existenz im Falle einer übermäßigen wirtschaftlichen Belastung durch Erstattungen zu sichern. Die Gutscheine würden in diesem Fall innerhalb einer angemessenen Frist, z.B. bis zu 6 Monate, an die Kunden zurückerstattet, sofern die Reisenden eine Rückerstattung wünschen. Der im Richtlinienentwurf enthaltene Vorschlag, die Attraktivität von Gutscheinen durch höhere Beträge zu erhöhen, ist gerade für mittelständische Reiseveranstalter kaum eine Option, da sie sich ihre Liquidität und wirtschaftliche Existenz teuer erkaufen müssten.
Art. 22 Erstattungsrechte von Reiseveranstaltern: Vorableistung der Dienstleister zu begrüßen Nach Art. 22 Abs. 2 sollen Dienstleister ihre erhaltenen Vorauszahlungen innerhalb von 7 Tagen an den Reiseveranstalter zurückerstatten, damit dieser die Kundengelder innerhalb von 14 Tagen zurückerstatten kann. Die Vorab-Leistungspflicht der Dienstleister ist zu begrüßen, da sie die Liquidität der Reiseveranstalter sicherstellt und keine unnötigen finanziellen Belastungen verursacht. Fraglich ist, inwiefern in der Praxis diese Zahlungsfrist durch die Dienstleister aus Drittstaaten eingehalten wird.
III. Erforderliche Textänderungen
- Begriffsbestimmungen
Art. 3 Nr. 2 lit. b) Ziff. i) ist wie folgt zu ändern: „i) in einer einzigen Vertriebsstelle erworben werden und - vor der Zustimmung des Reisenden zur Zahlung ausgewählt wurden oder - andere Arten von Reiseleistungen innerhalb von drei Stunden nach der Zustimmung des Reisenden zur Zahlung der ersten Reiseleistung gebucht werden oder - andere Arten von Reiseleistungen innerhalb von 24 Stunden nach der Zustimmung des Reisenden zur Zahlung der ersten Reiseleistung gebucht werden und wenn der Unternehmer den Reisenden vor dessen Zustimmung zur Zahlung der ersten Reiseleistung aufgefordert hat, anschließend eine oder mehrere weitere Arten von Reiseleistungen zu buchen, oder“
- Anzahlungen und Zahlungsfristen
Art. 5a ist zu streichen:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass mit Ausnahme von Pauschalreisen im Sinne des Artikels 3 Nummer 2 Buchstabe b Ziffer iv und Pauschalreisen, die weniger als 28 Tage vor Beginn der Pauschalreise gebucht wurden, der Reiseveranstalter oder gegebenenfalls der Reisevermittler keine Anzahlungen von mehr als 25 % des Gesamtpreises der Pauschalreise und die Restzahlung nicht früher als 28 Tage vor Beginn der Pauschalreise verlangen. Der Reiseveranstalter oder gegebenenfalls der DE 29 DE Reisevermittler kann höhere Anzahlungen verlangen, wenn dies für die Organisation und Durchführung der Pauschalreise erforderlich ist. Die Anzahlungen können Vorauszahlungen an die Erbringer der in der Pauschalreise enthaltenen Leistungen sowie die dem Reiseveranstalter oder gegebenenfalls dem Reisevermittler entstandenen Kosten, insbesondere im Zusammenhang mit der Organisation und Durchführung der Pauschalreise, umfassen, soweit dies erforderlich ist, um diese Kosten zum Zeitpunkt der Buchung zu decken.“
- Stornierungen aufgrund unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände
Art. 12 Abs. 2 ist wie folgt zu ändern:
„Ungeachtet des Absatzes 1 hat der Reisende das Recht, vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer Rücktrittsgebühr vom Pauschalreisevertrag zurückzutreten, wenn unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände, die am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe, am Wohnsitz des Reisenden oder am Ausgangsort auftreten oder die sich auf die Reise zum Bestimmungsort auswirken, und die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigen. Der Reisende kann vom Vertrag zurücktreten, wenn nach vernünftigem Ermessen davon ausgegangen werden kann, dass die Erfüllung des Pauschalreisevertrags durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände erheblich beeinträchtigt wird. Tritt der Reisende gemäß diesem Absatz vom Pauschalreisevertrag zurück, so hat er Anspruch auf volle Erstattung aller für die Pauschalreise getätigten Zahlungen, jedoch auf keine zusätzliche Entschädigung.“