SN52 Stellungnahme Berufskraftfahrerqualifikationsrecht und Berufskraftfahrer-Qualifikations-Verordnung

SN52 Stellungnahme Berufskraftfahrerqualifikationsrecht und Berufskraftfahrer-Qualifikations-Verordnung

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) ist der Spitzenverband der privaten deutschen Busbranche. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.

Die gesamtgesellschaftliche Herausforderung der Verkehrswende stellt auch das private Busgewerbe in Deutschland – unabhängig von der aktuell existenzgefährdenden Corona-Ausnahmesituation - vor große Herausforderungen. Als lebenswichtiger Bestandteil multimodaler Beförderungssysteme muss das an sich schon sehr gute Mobilitätsangebot „Bus“ weiter optimiert und ausgebaut werden, damit sich mehr Menschen von dieser Alternative zum motorisierten Individualverkehr überzeugen lassen.

Gleichzeitig stellt die Suche nach Berufskraftfahrern für die Branche schon heute eine „Herkulesaufgabe“ dar.

Die Kosten für den Führerscheinerwerb bei Berufskraftfahrern und die Pflichtstunden sind in Deutschland sehr hoch. Dieser Umstand stellt ein weiteres Hemmnis bei der Einstellung von Berufseinsteigern dar, da mittelständische Unternehmen selbstverständlich auch an diesem Punkt betriebswirtschaftlich kalkulieren müssen.

Nun kommt hinzu, dass das private Busgewerbe in Deutschland äußerst schwierigen konjunkturellen Zeiten entgegenblickt.

Die gesamte private Mobilitäts- und Logistikbranche in Deutschland leidet schon jetzt an einem deutlich wahrnehmbaren Fahrermangel. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren massiv verstärken. Dies macht es in besonderem Maße erforderlich, die gesetzlichen Regelungen zum Führerschein praxisnah zu gestalten, um neue Berufskraftfahrer für den Arbeitsmarkt zu gewinnen und diese in unseren Mitgliedsunternehmen - meist mittelständisch und familiengeführt - sinnvoll einsetzen zu können.

Der bdo setzt sich daher für folgende Änderungen ein:

e-Learning

Die Aufnahme von e-Learning-Materialien unter dem Begriff der Lernmittel begrüßen wir ausdrücklich. Allerdings wünschen wir uns die Anwendung neuartiger Lernmethoden in größerem Umfang.

Mit neuen technischen Möglichkeiten bieten sich alternative Methoden der Vermittlung des Lernstoffes, die ergänzend zu den bisher üblichen Lehrmethoden herangezogen werden können. Das Lernen am Bildschirm bietet Chancen einer effizienteren Vermittlung der Lerninhalte, ohne dass der Fahrschüler eine Lerneinrichtung aufsuchen muss. Intelligent ausgestaltete Lernsoftware könnte individuell auf noch vorhandenen Schwächen eines Fahrschülers eingehen und diese gezielt behandeln.

Der Einsatz derartiger neuer Technologien ist zeitgemäß und kann die Attraktivität des Berufs des Kraftfahrers steigern. Auch würde dadurch das Image dieses Berufes weiter verbessert.

Dem Einsatz derartiger Lernmethoden sollten überzogene Sicherheitsanforderungen an das ELearning nicht entgegenstehen.

Öffnung des Führerscheinerwerbs bzw. der Aus- sowie Weiterbildung für Fremdsprachen

Vor dem Hintergrund der eingangs formulierten Überlegungen halten wir auch an unserer Forderung fest, Führerscheinerwerb bzw. Aus- sowie Weiterbildung für Fremdsprachen zu öffnen. Die Ausbildung von Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, ist in Zeiten des Fachkräftemangels eine schlichte Realität, auf die es unserer Auffassung nach entsprechend zu reagieren gilt.

Sprachliche Vereinfachungen bei der Prüfung könnten Zugangshürden für Nichtmuttersprachler abbauen und somit die Berufschancen für mehr Menschen erhöhen. Solche Vereinfachungen könnten in mehrerlei Hinsicht vorgenommen werden. So könnte die Sprachkomplexität durch einfachere Formulierungen reduziert (einfache Sprache) und der Multiple-Choice-Anteil der Prüfungsfragen erhöht werden.

Zudem sollte bei einer wachsenden Zahl von Berufsinteressenten mit einem Zuwanderungshintergrund eine Öffnung für andere Sprachen, vorrangig Englisch, bei der Prüfung ermöglicht werden. Es erscheint uns lebensfremd, dass Deutschland das nach allen Vorhersagen in den kommenden Jahren zunehmende Problem des Fachkräftemangels ohne Zuwanderung aus dem Ausland „in den Griff bekommen wird“. Wir vertreten die Auffassung, dass die Politik hier gesetzgeberische Spielräume nutzen muss, um auch Nichtmuttersprachler in die Berufe zu bringen.

Angehende Berufskraftfahrer durchlaufen in Deutschland eine gute und solide Ausbildung. Dennoch erscheint es möglich, dass das erlernte Wissen und die bereits eingeübten und sicher beherrschten Handlungsvorgänge in der Schriftsprache nicht immer vollständig verstanden und formuliert werden können. Es ist zu beachten, dass es sich dabei um technisch komplexere Sachverhalte handeln kann, die ein gutes Sprachverständnis voraussetzen.

Es soll ausdrücklich nicht um eine Senkung der Anforderungen an Bewerberinnen und Bewerber für den Beruf des Busfahrers gehen. Die wesentlichen notwendigen Eigenschaften und Fertigkeiten für den Busfahrerberuf hängen nicht von der Fähigkeit ab, kompliziert formulierte Prüfungsfragen in deutscher Schriftsprache beantworten zu können. Vielmehr muss es darum gehen, verantwortungsbewusste und fähige Kräfte zu finden – unabhängig von der Muttersprache der Bewerber.

Einer Öffnung für Fremdsprachen steht unserer Auffassung nach die Verkehrssicherheit nicht entgegen. In einem grenzenlosen Europa ist die Vielsprachigkeit auf deutschen Straßen bereits heute Realität. Eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs ist dadurch weder tatsächlich feststellbar noch ist sonst ein Bezug zwischen Sprache und Verkehrssicherheit erkennbar.

D1-Führerschein

Die Führerscheinrichtlinie sieht für den D1-Führerschein vor, dass maximal 16 Passagiere, der Fahrer nicht mitgerechnet, befördert werden dürfen. Mit dieser Vorgabe für die maximale Passagierzahl droht der D1-Führerschein jedoch praktisch bedeutungslos zu werden. Dies liegt daran, dass in dieser sogenannten „Sprinterklasse“ die Entwicklung im Fahrzeugbau in Richtung höhere Passagierzahl, häufig 19, gegangen ist. Das bedeutet, Fahrzeuge dieser Klasse mit 16 Passagieren werden kaum noch am Fahrzeugmarkt angeboten. Dies liegt u.a. auch darin begründet, dass die derzeitigen Regelungen zur Führerscheinklasse D1 nicht mit der Typengenehmigung der Fahrzeuge gemäß Art. 3 Ziffer 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 661/2009 übereinstimmen, welcher die Grenze bei 22 Personen zieht. Insoweit regen wir die Anhebung der Fahrgastplätze von derzeit maximal 16 auf maximal 22 für den D1-Führerschein an.

Negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit sind nicht ersichtlich. Auffälligkeiten in der Unfall- Statistik, die Bedenken rechtfertigen würden, existieren nach unserer Kenntnis nicht. In den im Grunde identischen Fahrzeugen werden lediglich ein bis zwei Sitzreihen zusätzlich verbaut.

Künftig werden – gerade auch vor dem Hintergrund der aktuell viel diskutierten Verkehrs- und Mobilitätswende – auch kleinere Gefäßgrößen der Personenbeförderung an Bedeutung gewinnen, gerade auch zur Gewährleistung der Mobilität im ländlichen Raum mit einer sich ändernden Altersstruktur der Bevölkerung sowie einer wachsenden Bedeutung von flexiblen On-demand- Verkehren. Auch vor dem Hintergrund des akuten Fahrermangels erscheint es geboten, bis zu 22 Fahrgäste mit dem „kleinen“ Busführerschein befördern zu können.

Unserer Auffassung nach sollte die Strukturierung der Führerscheinklassen die verfügbaren Fahrzeugklassen angemessen abbilden.

Mindestalter D- und DE-Führerschein

Bei den Regelungen zum Mindestalter der D- und DE-Führerscheine stehen touristisch ausgerichtete Busunternehmen vor dem Problem, dass auszubildende Fahrer erst nach erfolgter Grundqualifikation nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKrFQG und Vollendung des 21. Lebensjahres, anderenfalls erst mit Vollendung des 24. Lebensjahres im grenzüberschreitenden Verkehr einsetzbar sind (vgl. § 10 Abs. 1 Nr.9 FeV). Reisebusunternehmen können Azubis dadurch kaum vor Erreichen dieser Altersgrenzen sinnvoll beschäftigen.

Mindestalter bei der Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker mit dem Schwerpunkt Nutzfahrzeugtechniker (Bus)

Wenn im Rahmen der Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker mit dem Schwerpunkt Nutzfahrzeugtechnik eine Fahrerlaubnis der Klasse C erworben werden soll, da der Erwerb dieser Fahrerlaubnis sinnvoll erscheint, um volle berufliche Handlungsfähigkeit zu erlangen, so sind Leerfahrten mit Bussen zur fahrtechnischen Überprüfung bis zum Alter von 21 Jahren nicht erlaubt. Der Erwerb der Fahrerlaubnisklasse C im Rahmen der Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker (Schwerpunkt Nutzfahrzeugtechnik) ist auch bei Busunternehmen nicht selten.

§ 6 Abs. 4 FeV über Fahrten zur Überprüfung des technischen Zustands von Bussen im Regelungsrahmen der Führerscheinklasse C wird durch § 10 Abs. 1 S.2 Nr. 2 FeV eingeschränkt. Danach beträgt im Inland das Mindestalter für das Führen von Fahrzeugen der Klasse C 18 Jahre und der Klasse D 21 Jahre. Somit ist es vor Erreichen des Mindestalters von 21 Jahren nicht möglich, außerhalb der Ausbildung zum Berufskraftfahrer (BKF) oder zur Fachkraft im Fahrbetrieb (FiF), Busse auf der Straße technisch zu überprüfen. Mit einem LKW jedoch darf ein auszubildender Kraftfahrzeugmechatroniker mit Schwerpunkt Nutzfahrzeugtechnik mit bereits erworbener Fahrerlaubnisklasse C solche Fahrten bereits durchführen.

Durchbrechung der strikten Trennung von C- und D-Führerschein

Durch EU-rechtliche Vorschriften sind die Führerscheinklassen C und D voneinander getrennt.

Da kein Grund ersichtlich ist, warum z. B. ein Klasse D-Führerscheininhaber, mit der Berechtigung zum Führen von Gelenk- oder Doppeldecker-Bussen, nicht auch ein 5t-Schneeräumfahrzeug vor dem Betriebshof fahren können darf, regen wir an, dass der Erwerb der Fahrerlaubnisklasse C auch D1 beinhalten sollte und der D-Führerschein gleichzeitig C1.