SN38 Weiterführende bdo-Stellungnahme Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht

bdo-Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz zur Umsetzung der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht

Berlin, 22.08.2016

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.

Im vergangenen Jahr wurde die Richtlinie (EU) 2015/2302 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen verabschiedet. Leider ist unseres Erachtens mit dieser neuen Richtlinie eine der ursprünglichen Intentionen für eine Überarbeitung der alten Richtlinie 90/314/EWG, nämlich die Sicherstellung von fairem Wettbewerb zwischen Reisebüros und Online-Angeboten, weitgehend aus den Augen verloren worden. Stattdessen werden den Reiseunternehmen vermeintlich im Interesse des Verbraucherschutzes nun weitere umfassende Informations- und Haftungsverpflichtungen auferlegt. Insbesondere für KMU erwarten wir erheblichen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Mit einer Umsetzung der neuen Pauschalreiserichtlinie in deutsches Recht hatten wir die Hoffnung verbunden, dass diese Belastungen für Reiseunternehmen zumindest teilweise abgemildert werden.

Mit dem nun vorgelegten „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften“ erfüllt sich diese Hoffnung zum Wohle der Bustouristik in Deutschland leider zu großen Teilen nicht.

Ganz allgemein sehen wir insbesondere KMU mit einer Fülle von Informationspflichten und Haftungskonstellationen konfrontiert, die den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen stark erhöhen. Dies betrachten wir mit großer Sorge. In dem Referentenentwurf wird in Bezug auf die Belange mittelständischer Unternehmen festgestellt, dass eine Entlastung von KMU hinsichtlich der Regelungen mit Erfüllungsaufwand gegenüber großen Unternehmen nicht möglich sei, da sich bei der Umsetzung der EU-Richtlinie keinerlei Alternativen böten. Somit wird beinahe schon handstreichartig eines der ursprünglichen Ziele der Neuregelung der Gesetzgebung zu Pauschalreisen, nämlich auch den Verwaltungsaufwand für KMU zu reduzieren, „vom Tisch gewischt“. Dies widerspricht dem im Small Business Act der EU verankerten Prinzip „Vorfahrt für KMU“ und wird daher von uns entschieden abgelehnt. Unseren Mitgliedsunternehmen wird der Nutzen der mit dem Entwurf vorgelegten Regelungen im Ergebnis kaum noch verständlich zu machen sein.

Welche konkreten Handlungspflichten sich aus der Neuregelung des Pauschalreiserechts ergeben, wird für viele kleine und mittelständische Reiseunternehmen aus den vorgeschlagenen Gesetzestexten heraus nur schwer zu erfassen sein. Insofern dürfte es erforderlich sein, dass sich Mitarbeiter von Busunternehmen ausführlich mit der neuen Rechtslage auseinandersetzen, was weiteren Kosten- und Zeitaufwand erfordern wird.

Vor dem Hintergrund der mit der Richtlinie beabsichtigten Vollharmonisierung sehen wir die Regelungspassagen des Referentenentwurfs besonders kritisch, in denen von dem Richtlinientext abgewichen wird, was nahezu vollständig zu Lasten der Reiseunternehmen geschieht.

Dazu im Einzelnen:

1. Begriff der Pauschalreise

Die Definition der Pauschalreise (§ 651a Abs. 2 BGB-Entwurf), wonach diese eine Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise darstelle, stellt unseres Erachtens dem Wortlaut nach eine Ausweitung des Anwendungsbereiches der Pauschalreise im Vergleich zur Richtlinie dar. Diese spricht dagegen von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen.

Nach der geplanten Formulierung würde schon bei zwei unterschiedlichen Hotelübernachtungen eine Pauschalreise vorliegen.

In einer derartigen Ausweitung des Begriffes der Pauschalreise sehen wir große Belastungen für angeschlossene Reisebüros kleiner und mittelständischer Busunternehmen und lehnen diese daher ab.

2. Vermittlung verbundener Reiseleistungen/ einzelne Reiseleistungen

Durch die Regelung des § 651x Abs. 1 BGB-Entwurf werden künftig Reisebüros dann zum Reisevermittler, wenn während eines Beratungsgesprächs mehrere einzelne Leistungen gebündelt verkauft werden. Beim Vorliegen verbundener Reiseleistungen soll das Reisebüro zur Information des Reisenden gemäß § 651x Abs. 2 BGB-E und gegebenenfalls zur Insolvenzabsicherungspflicht nach § 651x Abs. 3 BGB-E verpflichtet sein. Anderenfalls haftet das Reiseunternehmen wie ein Reiseveranstalter (§ 651x Abs. 4 BGB-E).

Durch die Schaffung der neuen Kategorie der „Vermittlung verbundener Reiseleistungen“ (§ 651x BGB-Entwurf) mit dem Ziel, dem Reisenden auch in bestimmten Situationen bei der Buchung einzelner Reiseleistungen einen reiserechtlichen „Basisschutz“ zu gewähren, gelangen Reisebüros sehr viel einfacher als bisher in die heikle Situation, dass sie als Reiseveranstalter haften. Gegebenenfalls besteht die Verpflichtung zur Insolvenzabsicherung, die für kleine Unternehmen eine starke finanzielle Belastung darstellt. Die Schaffung eines solchen „Basisschutzes“ wird nach unserer Einschätzung einen hohen Preis haben. Denn, diese zusätzliche Belastung von kleinen Busbetrieben – die möglicherweise ansonsten gar nicht als Reiseveranstalter auftreten – könnte in letzter Konsequenz dazu führen, dass diese sich aus dem Geschäft gänzlich zurückziehen. Es gibt Busbetriebe, die im touristischen Bereich nahezu ausschließlich im Mietbusgeschäft tätig sind, aber gelegentlich z.B. Musicalkarten vermitteln.

Viele Busunternehmen bieten Mehrtagesreisen an, wie beispielsweise einen Städtetrip (Anfahrt, Rückfahrt an einem anderen Tag, keine Übernachtungsleistung) oder eine Busanreise zu einem Kreuzfahrthafen mit Abholung eine Woche später. Hier würde nach unserem Verständnis gemäß § 651x Abs. 1 S.2, 1. Halbsatz BGB-E in Verbindung mit § 651a Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 BGB-E eine verbundene Reiseleistung im Sinne des § 651x BGB-Entwurfs vorliegen, wenn bei der Vermittlung einer Zusatzleistung die Wertgrenze von 25% des Fahrpreises für die Busbeförderung überschritten und es sich bei der Zusatzleistung um eine andere touristische Leistung handeln würde. Anders wäre der Fall wohl zu bewerten, wenn eine weitere Personenbeförderung im Sinne des § 651a Abs. 3 Nr. 1 BGB-E oder eine wesensgleiche Leistung hinzukäme. Dann soll keine verbundene Reiseleistung vorliegen. Für den letzteren Fall des wesensmäßigen Bestandteils einer anderen Leistung geht die Richtlinie nicht von einer eigenständigen Reiseleistung aus. Der Referentenentwurf bleibt dazu jedoch vage. In diesem Bereich erwarten wir in der Praxis diverse Abgrenzungsschwierigkeiten zu unbedeutenden Nebenleistungen.

Bei der Wertgrenze für unbeachtliche Nebenleistungen (25% im Sinne des § 651a Abs. 4 BGB-E) sehen wir die Gefahr, dass eine Überschreitung dieses Wertes angesichts der teilweise geringen Entgelte für Beförderungsleistungen im Busgewerbe allzu schnell erfolgt und Busunternehmen im besonderen Maße zum Veranstalter einer Pauschalreise werden. Zudem besteht unseres Erachtens das Problem der Wertermittlung.

Leider sehen wir, dass der von den geplanten Regelungen ausgehende Handlungsdruck die KMU-geprägte Bustouristik in der Art ihrer Geschäftsausübung stark dergestalt verändern würde, dass kleine Busunternehmen von Zusatzleistungen zusätzlich zu reinen touristischen Beförderungen absehen werden oder sich gänzlich aus dem Tourismusgeschäft zurückziehen. Dies würde eine Schwächung des durch die Busunternehmen gelebten Servicegedankens und der Kundennähe bedeuten, für die der Reisende kein Verständnis aufbringen wird. Somit würde ein durch Kleinbetriebe und mittelständische Unternehmen geprägter Wirtschaftssektor unmittelbar durch gesetzliche Regelungen geschwächt und abgebaut.

Schon hier kann man sich die Frage stellen, ob das Streben nach einem effektiven Verbraucherschutz nicht dadurch konterkariert wird, dass die zu erwartende Schließung von Reisebüros oder das Verschwinden von Reiseangeboten sich zweifelsfrei nachteilig auf den Verbraucher auswirken. Dies kann nach unserer Meinung nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.

Die feingliedrige und über viele Jahrzehnte organisch gewachsene Struktur des deutschen Mittelstandes gilt weltweit gleichermaßen als vorbildlich wie einzigartig und hat sich auch jüngst in der internationalen Finanzkrise als Garant für eine vergleichsweise stabile Wirtschaftslage in Deutschland erwiesen. Ein massiver Eingriff in diese Mittelstandsstrukturen birgt die Gefahr, dass diese unwiederbringlich beschädigt oder zerstört werden. Busunternehmen, die sich in der Touristik engagieren, sind Teil dieser mittelständischen Wirtschaftsstrukturen. Gerade diese Unternehmen zeichnen sich meist durch ein hohes Maß an Kundennähe aus. Verbraucherschutz halten wir für sinnvoll. Dieser muss allerdings in maßvoller Abwägung unterschiedlicher Interessen ausgestaltet werden. Die Interessen von KMU müssen ebenso Beachtung finden. Dies können wir bei der geplanten Ausweitung der Haftung als Veranstalter in Bezug auf Reisebüros nicht erkennen.

Zudem geht der Entwurf von realitätsfernen Buchungsabläufen aus. In der Regel wird der Reisende die verschiedenen einzelnen Reiseleistungen erst buchen und bezahlen, wenn der Reiseablauf insgesamt feststeht bzw. zumindest grob skizziert ist. Es erscheint lebensfremd davon auszugehen, dass der Reisende beispielsweise zunächst eine reine Beförderungsleistung bucht und bezahlt und erst anschließend beginnt, sich nach einer Unterkunft zu erkundigen.

Einzelne Reiseleistungen:

Durch die Regelung des § 651u BGB-E wird der Anwendungsbereich des Pauschalreiserechts über die Richtlinie hinaus auf einzelne Reiseleistungen ausgeweitet, „sofern mit dieser Reiseleistung und den vertraglichen Vereinbarungen der Rahmen und die Grundzüge der Reise vorgegeben sind.“ Gerade bei Beförderungsleistungen, die ihrer Natur nach häufig die Eckpfeiler einer Reise bilden, könnte dies leicht als gegeben angesehen werden. Würde allein aufgrund dieses Merkmals bei der Buchung einer Busfahrt die Anwendung von Pauschalreiserecht ausgelöst, würde dies nach unserer Meinung die Reichweite dieses Rechtsgebietes deutlich überstrapazieren.

Eine Einbeziehung von einzelnen Reiseleistungen in die pauschalreiserechtlichen Regelungen unterstützen wir ausdrücklich nicht.

3. Nachträgliche Preisänderungen/ Insolvenzabsicherung

Als positiv kann vermerkt werden, dass dem Reiseveranstalter künftig möglich sein soll, bei einem entsprechenden Vorbehalt Preiserhöhungen von bis zu acht Prozent statt bisher fünf Prozent vorzunehmen. Auch soll bei erheblichen Änderungen keine „Ersatzreise“ mehr vom Reiseveranstalter angeboten werden müssen.

Wir begrüßen auch, dass das aus unserer Sicht bewährte System der Insolvenzabsicherung im Grundsatz beibehalten werden soll.

Reisesicherungsschein
Erstaunt sind wir jedoch über die beabsichtigte Abschaffung des Reisesicherungsscheins. Die Ausgabe eines Reisesicherungsscheins hat sich in Deutschland als eine praxisgerechte und gut handhabbare Verfahrensweise etabliert, an die die Beteiligten – insbesondere auch der Reisende – gewöhnt und mit der sie vertraut sind. Es erschließt sich uns nicht, warum diese bewährte Praxis nun ohne erkennbaren Handlungsbedarf einer einschneidenden Änderung unterzogen werden soll.
Die Abschaffung des Reisesicherungsscheins erscheint umso unverständlicher, als die Bundesregierung sich noch bei den Verhandlungen zu der Richtlinie auf EU-Ebene für die Beibehaltung der Möglichkeit des Sicherungsscheins eingesetzt hat.

Wir möchten daher dringend dazu raten, von einer Abschaffung des Reisesicherungsscheines abzusehen, da dies ohne jede Not nach unserer Einschätzung zu großer allseitiger Verunsicherung, insbesondere aber auch zu Verwirrung bei den Reisenden und großem Erklärungsaufwand für die Tourismuswirtschaft (vor allem in Reisebüros), führen würde.

4. Vorvertragliche Informations- und Haftungsverpflichtungen des Reiseveranstalters

Mit der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie werden trotz deutlicher Abschwächungen im Vergleich zu vorherigen Entwürfen die Informations- und Haftungspflichten für Reiseunternehmer ausgeweitet. Unter anderem soll der Reiseveranstalter den Reisenden künftig mittels standardisierter Formulare über die dem Reisenden aufgrund der Richtlinie zustehenden Rechte informieren. Schon allein mit Mustern für Formblätter beschäftigt sich der Referentenentwurf in einem Anhang über 17 Seiten. Diese Formularvielfalt und ihr Umfang erscheinen wenig praxistauglich. Die Auswahl des richtigen Formblattes je nach Buchungskonstellation führt zu einem bürokratischen Mehraufwand, der – wie oben bereits dargestellt – mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden ist. Beziehen sich die bestehenden Informationspflichten überwiegend auf Tatsachen und Gegebenheiten, so muss künftig auch in erheblichem Umfang über Rechtsfolgen informiert werden. Die dem Reisenden zur Verfügung zu stellenden Informationen gewinnen somit künftig eine ganz neue Dimension.

Diese Belastungen für Reisebüros werden zwar durchaus in dem Referentenentwurf erkannt, allerdings werden diese lediglich als „Umstellungsaufwand“ bezeichnet, was die zu erwartenden tatsächlichen Folgen für KMU verkennt. Dass der Gesetzgeber hier offenbar von vornherein auf die Verbände setzt, den Reisebüros ein für den Praktiker schwer verständliches Regelwerk begreiflich zu machen, empfinden wir als bedenklich. Wir sehen den Anspruch an die Qualität der Gesetzgebung, die ein Tourismuspraktiker - der zumindest in vergleichsweise einfachen Fallkonstellationen ganz konkrete Handlungsanweisungen aus dem Gesetzestext herleiten können muss – zu Recht erwarten darf, nicht erfüllt. Bereits die Schulungen, zu denen es auch nach unserer Auffassung für kleine Reiseunternehmen – üblicherweise ohne eigene Rechtsabteilung – kaum eine Alternative geben würde, dürften einen erheblichen finanziellen Aufwand verursachen. Die Kenntnis des neuen Pauschalreiserechts muss dabei für jeden einzelnen Mitarbeiter des Reisebüros sichergestellt sein. Diese organisatorische und finanzielle Beanspruchung der Branche sehen wir jedoch mit dem Entwurf und einer mit diesem verbundenen Interessenabwägung unzureichend berücksichtigt.

Die Aufklärung der Reiseunternehmen durch Schulungen erlangt auch vor dem Hintergrund der geplanten Rechtsfolgen, die wir für nicht angemessen halten, besondere Bedeutung. Jede Verletzung der Informationspflichten, die wegen ihres Umfangs ein erhebliches Fehlerpotential bergen, würde gegebenenfalls die strengere Haftung nach den Regelungen für die Pauschalreise auslösen. Dies wäre beispielsweise schon dann der Fall, wenn dem Reisenden irrtümlich ein falsches Formular ausgehändigt würde. In derartigen Fällen erscheint es nicht verhältnismäßig, das Reiseleistungen vermittelnde Reisebüro in die Veranstalterhaftung rücken zu lassen.

Hinzu kommt, dass Online-Portale durch die Automatisierung der Buchungsvorgänge die Fehlerquellen reduzieren können, während beim Reisevertrieb im Reisebüro im vertrauensvollen Von-Angesicht-zu-Angesicht-Gespräch wesentlich einfacher einmal ein Versehen vorkommen kann. Gerade hier dürfte der Reisende jedoch wegen des persönlichen Kontakts weniger schutzbedürftig sein, als bei einer zunächst unpersönlichen Online-Buchung.

Je umfangreicher die Vorgaben für Unternehmen, desto höher auch die Anzahl der möglichen Fehlerquellen für redliche Unternehmer. Viele Unternehmen sehen sich daher auch bei größtmöglicher Sorgfalt einem erhöhten Abmahnrisiko ausgesetzt, ohne dass sich daraus ein direkter Mehrwert für den Verbraucher herleiten ließe. Die Schaffung einer „Abmahnindustrie“ sollte der Gesetzgeber nicht befördern. Nach wie vor halten wir an dem Leitbild des mündigen Verbrauchers fest und halten es für praxisgerecht, wenn der Reisende auf gezielte Nachfrage hin mit Informationen versorgt wird.

5. Beistandspflicht des Reiseveranstalters

Das derzeit auch dem Reiseveranstalter zustehende Kündigungsrecht in Fällen höherer Gewalt soll nach dem Referentenentwurf entfallen. Darüber hinaus soll der Reiseveranstalter dem Reisenden Beistand leisten, wenn sich dieser in Schwierigkeiten befindet. Auch die derzeitige Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung des Reiseveranstalters bei Schäden, die nicht Körperschäden sind, soll eingeengt werden. Hier sehen wir eine Aufbürdung von allgemeinen Risiken allein zu Lasten der Reiseunternehmen.

Wir halten die Formulierung in dem Referentenentwurf, wonach neben unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen auch aus anderen Gründen eine Beistandspflicht des Reiseveranstalters begründet wird, für zu weit gefasst und zu unbestimmt. Die Richtlinie spricht hier von Schwierigkeiten, unter denen vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte aus dem vormaligen Begriff der höheren Gewalt heraus eine gewisse Notfalllage und keine alltäglichen Situation zu verstehen ist. Dies muss unseres Erachtens in dem Gesetzestext deutlicher formuliert werden.

6. Tagesreisen

Wir halten es im Grundsatz für verfehlt, Tagesreisen ab einem Wert von 75 EUR gemäß dem Entwurf zu § 651a Abs. 5 Nr. 2 BGB den Vorschriften für Pauschalreisen zu unterwerfen, während die Richtlinie weniger als 24 Stunden andauernde Reisen – ohne einen Schwellenwert - aus dem Anwendungsbereich herausnimmt. Für das Festhalten an dem alten Schwellenwert können wir keinen Handlungsbedarf aus der Praxis herleiten. Auf einen Schwellenwert und die damit verbundene Einbeziehung von Tagesreisen in die Regelungen für Pauschalreiseverträge sollte daher verzichtet werden.

Die Beibehaltung einer Wertgrenze von 75 EUR halten wir auch angesichts der üblichen Eintrittspreise für die klassischen Ziele solcher Tagesfahrten (Musical, Theater, Oper, Sportveranstaltungen) für nicht sachgemäß.

Zudem sollen mit der bestehenden 75 EUR-Wertgrenze des § 651k Abs. 6 Nr. 2 BGB Reiseleistungen unterhalb dieses Schwellenwertes nicht dem Reiserecht unterworfen werden. Dagegen würden künftig Reiseverträge oberhalb dieser Grenze über den Regelungsgehalt der Richtlinie hinaus dem Geltungsbereich des Pauschalreiserechts unterworfen.

Allerdings begrüßen wir in diesem Zusammenhang, dass nach § 651x Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz BGB-E bei Tagesausflügen unabhängig vom Preis und damit abweichend von § 651a Abs. 5 Nr. 2 BGB-E die Regelungen über verbundene Reiseleistungen keine Anwendung finden sollen.

7. Veranstalter ohne Gewinnerzielungsabsicht

Wir nehmen mit Sorge zur Kenntnis, dass Veranstalter ohne Gewinnerzielungsabsicht wie Schulen, Kirchen oder Vereine vom Anwendungsbereich der Regelungen zu Pauschalreisen ausgenommen werden sollen. Die Verschonung bei derartigen Reisekonstellationen von den Vorschriften für Reiseveranstalter geht unseres Erachtens vollständig in die falsche Richtung. Um den nach unseren Beobachtungen wachsenden Bereich der wettbewerbswidrigen Schwarztouristik einzudämmen, dürfen diese faktischen Reiseveranstalter nicht von den ansonsten geltenden Verantwortlichkeiten freigestellt werden. Hier bestehen schon jetzt erhebliche Wettbewerbsnachteile für Busunternehmen, da diese sich aufgrund der gesetzlichen Verpflichtungen als Reiseveranstalter entsprechend absichern müssen, was sich natürlich auch auf das Preisniveau der Reiseangebote auswirkt.

Wir können keinen Grund erkennen, weswegen von dem Beurteilungsmaßstab nur „gelegentlich“ durchgeführter Reisen nun auf das Abgrenzungskriterium „nicht gewerblich“ abzustellen beabsichtigt wird.

In der Praxis ist zu beobachten, dass Vereine, Kirchengemeinden und ähnliche Einrichtungen in bedeutsamem Umfang Freizeitreisen anbieten, die sich lediglich in der engeren Verbindung der Reiseteilnehmer von rein gewerblichen Angeboten unterscheiden.

Wenn an anderer Stelle sehr großer Wert auf den Verbraucherschutz gelegt wird, so erscheint es hier inkonsequent, wenn man den Reisenden bei nichtgewerblichen Veranstaltern mangels Absicherung - beispielsweise gegen Insolvenz - vollständig sich selbst überlässt.

Die Ausnahme des § 651a Abs. 5 Nr. 1 des BGB-Entwurfes sollte daher vollständig gestrichen werden.

8. Ausweitung der Rügefrist auf 2 Jahre

Nur sehr schwer vermögen wir uns vorzustellen, wie ein Sachverhalt bei einer Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Reiseveranstalter annähernd 2 Jahre nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise überhaupt noch aufgeklärt werden soll, wenn die vormals einmonatige Ausschlussfrist nun wie beabsichtigt auf 2 Jahre ausgeweitet würde.

9. Ordnungswidrigkeiten/ Ordnungsgelder (§ 147b Abs. 2 GewO-Entwurf)

Den geplanten Bußgeldrahmen von 5.000 bis 30.000 EUR halten wir gerade auch vor dem Hintergrund von für KMU nur sehr schwer verständlichen Regelungen für völlig unverhältnismäßig. Gerade die gleichzeitige Einführung komplexer neuer Regelungen in Kombination mit einer Versechsfachung des Ordnungsgeldes halten wir für sehr problematisch. Derart hohe Strafzahlungen dürften viele kleine Reisebüros in existenzielle Schwierigkeiten bringen.

Wir halten es außerdem schon vom Grundsatz her nicht für gerechtfertigt, die Einhaltung zivilrechtlicher Normen über das Ordnungswidrigkeitenrecht durchsetzen zu wollen. Hier würde ein Sonderweg beschritten, für den wir keine Begründung erblicken können.

10. Fazit

Aufgrund dieser Punkte sehen wir bei dem Referentenentwurf noch grundlegenden Nachbesserungsbedarf.

Angesichts der mit der Richtlinie bereits festgeschriebenen Mehrbelastungen für kleine und mittelständische Reiseunternehmen appellieren wir an den deutschen Gesetzgeber, Handlungsspielräume bei der Umsetzung in Bundesrecht so weit wie möglich zugunsten von Unternehmen zu nutzen bzw. keine über den Inhalt der Richtlinie hinausgehenden und für Unternehmen belastenden Regelungen einzuführen, um den Verwaltungsaufwand und den Haftungsumfang für Busunternehmen möglichst gering zu halten.

Anderenfalls bleibt es unseres Erachtens nach völlig offen, ob dem Verbraucher im Ergebnis gedient ist. Wenn der bürokratische Aufwand und die Haftungsrisiken für Unternehmer zusätzlich zu den bereits bestehenden Verpflichtungen immer noch weiter ausgeweitet werden, besteht die große Gefahr, dass kleine Reiseveranstalter ihre Reiseangebote in der bestehenden Vielfalt nicht mehr unternehmerisch vertretbar aufrechterhalten können. Einige Busunternehmen könnten sich gezwungen sehen, ihr Angebotsportfolio auszudünnen, die Preise für Reisen zu erhöhen oder ganz aus dem Geschäft auszusteigen. Dem Verbraucher stünden dann weniger oder teurere Reisen zur Auswahl und damit auch weniger Möglichkeiten, überhaupt von seinen schon bestehenden und neu hinzugewonnenen Verbraucher- bzw. Reiserechten zu profitieren.