SN18 bdo SN Änderung Kontrollgeräte VO 3821_85

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und der Verordnung (EG) Nr. 561/2006

Berlin, 20.09.2012

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.

Am 3. Juli 2012 hat das Europäische Parlament (EP) über den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Kontrollgeräte-Verordnung 3821/85/EWG und der VO 561/2006/EG abgestimmt und dabei u.a. zahlreiche Änderungsanträge zur dringend notwendigen Flexibilisierung bei den Lenk- und Ruhezeiten mit großer Mehrheit angenommen. Der bdo setzt sich seit langem für eigenständige auf die Besonderheiten des Personenverkehrs zugeschnittene Sozialvorschriften ein und begrüßt das Abstimmungsergebnis deshalb außerordentlich.

Hinsichtlich des Vorschlags zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr hat das EP allerdings einige problematische Vorschriften angenommen, die aus unserer Sicht abzulehnen sind :

1) Artikel 3 Absatz 3 (ÄA 38): Keine Verpflichtung zur Ausrüstung mit einem „intelligenten Fahrtenschreiber“ bis 2020

Wir bitten dringend darum, die Verpflichtung zur Nachrüstung von Omnibussen mit einem intelligenten Fahrtenschreiber bis zum Jahr 2020 zu streichen. Eine Verpflichtung zum Austausch älterer Kontrollgeräte entwertet von Unternehmen im Vertrauen auf die Rechtslage getätigte Investitionen. Durch die laufend stattfindende Erneuerung der Flotten steigt der Einsatz von digitalen Kontrollgeräten der jeweils neuesten Generation kontinuierlich und rasch an. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen würden hingegen unverhältnismäßige Kostenbelastungen durch einen verpflichtenden Kontrollgerätetausch entstehen.

2) Artikel 3 c Absatz 1 lit. c) (neu) (ÄA 41); Artikel 4 Absatz 1 Satz 1 (ÄA 46): Berücksichtigung des Datenschutzes

Der bdo ist der Auffassung, dass die Erfassung der Standortdaten zu Beginn und am Ende der täglichen Arbeitszeit ausreicht und eine vorgeschlagene, darüber hinausgehende Erfassung bei jedem einzelnen Beförderungsvorgang die Grenze der Verhältnismäßigkeit bei Weitem überschreitet. Mit solchen Daten könnte z. B. ein lückenloses Bewegungsprofil erstellt werden, was datenschutzrechtlich nicht zulässig sein dürfte. Der Vorschlag des EP führt auch keineswegs zu einer größeren Verkehrssicherheit oder einer besseren Arbeitszeitüberwachung.

3) Artikel 4 Absatz 1 Satz 2 (ÄA 46); Artikel 5 Absatz 1 (ÄA 51); Artikel 6 Absatz 2 (ÄA 61): Keine überhastete Einführung

Entgegen des Vorschlags des EP, einen GNNS-gestützten intelligenten Tachografen bereits 24 Monate nach Inkrafttreten technischer Spezifikationen verpflichtend einzuführen, sprechen wir uns für eine Einführungsfrist von mindestens 40 Monaten aus.

Die Erfahrungen bei Einführung des aktuellen digitalen Kontrollgeräts haben gezeigt, dass für die Nutzer umfangreiche vorherige Praxis- und Belastungstests zwingend erforderlich sind. Sofern dort Probleme auftreten, müssen die Kontrollgerätehersteller noch genug Zeit haben, diese zu beseitigen. Zudem benötigen auch die Zulassungsbehörden eine längere Vorbereitungszeit.

4) Artikel 29 Absatz 3 (ÄA 94, 124, 133): Keine Ausweitung der Unternehmerhaftung

Entschieden abzulehnen sind die Änderungen hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Unternehmer. Die nun verabschiedete Textfassung schließt es leider weiter nicht aus, dass ein Unternehmer für grob fahrlässige oder vorsätzliche Verstöße eines bei ihm angestellten Fahrers oder sogar eines Leihfahrers bzw. Fahrers eines Subunternehmers gegen die Verordnung haftbar gemacht werden kann. Diese pauschale Unternehmerhaftung ist für den bdo nicht akzeptabel.

Die Haftung bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln des Fahrers muss im Risikobereich des Fahrers verbleiben. Auch die Haftung bei Leiharbeit kann nur dann beim Verkehrsunternehmen liegen, wenn der Fahrer dem unmittelbaren Weisungsrecht des Unternehmers unterliegt. Der Unternehmer darf ebenfalls nicht haftbar gemacht werden für Fahrer von Subunternehmen, die nicht durch ihn direkt disponiert werden.

5) Artikel 30 Absatz 3 Unterabsatz 2 (ÄA 95): Praxisgerechte Benutzung des Kontrollgeräts

Wir fordern die Beibehaltung des ursprünglichen Textes des Kommissionsvorschlages: „Zu Kontrollzwecken werden Zeiten, für die keine Tätigkeiten aufgezeichnet wurden, als Pausen- oder Ruhezeiten betrachtet. Die Fahrer sind nicht verpflichtet, tägliche oder wöchentliche Ruhezeiten aufzuzeichnen, wenn sie sich nicht im Fahrzeug aufhalten.“

Das Parlament hat den Vorschlag der Kommission nur bezüglich Satz 1 bestätigt. Satz 2, der in der Praxis große Erleichterungen bringen würde, soll hingegen abgeändert werden (ÄA 95). Danach würde der Satz lauten: „Die Mitgliedstaaten dürfen den Fahrern keine Verpflichtung auferlegen, Formulare vorzulegen, mit denen die Tätigkeit der Fahrer, während sie sich nicht im Fahrzeug aufhalten, bescheinigt wird.“

Eine solche Abänderung des Satzes hätte zur Folge, dass für die Fahrer umfangreiche Nachkorrekturen nach Einschub der Fahrerkarte nötig werden, da eine Aufzeichnungspflicht gerade nicht ausgeschlossen wird. Eine Beibehaltung des Kommissionstextes würde hingegen in der Praxis zu mehr Rechtssicherheit und einer enormen Reduktion des Verwaltungsaufwands für Unternehmer und Fahrer führen.

6) Artikel 35 a (neu) (ÄA 109); Artikel 37 Absatz 3 (ÄA 112): Keine unverhältnismäßigen Sanktionen

Nach den Vorschlägen sowohl der Kommission als auch des EP sollen jegliche Unregelmäßigkeiten als schwerste Manipulationen gelten. Im Güterbereich mag dieser Verdacht durch Kontrollerfahrungen begründet sein. Im Bereich der Personenbeförderung ist er es nachweislich nicht.

Insbesondere einfache Bedienungsfehler dürfen nicht per se als Verstoß gegen die Verordnung gelten. Eine Verschärfung der Sanktionen gefährdet den Zweck des Gesetzes, die Fahrer bei ihrer Berufsausübung zu schützen. Stattdessen wird Stress bei den Fahrern hervorgerufen und die Verantwortung und Haftung auf Unternehmerebene auf ein nicht vertretbares Maß ausgedehnt.

Die Verhältnismäßigkeit ist u.a. bei weitem nicht mehr gewahrt, sollte beispielsweise ein „fehlender Name auf dem Schaublatt“ (Art. 35 a Abs. 3) einen „sehr schwerwiegenden Verstoß“ darstellen, der mit Sanktionen belegt werden muss, die „zu den höchsten Kategorien gehören, die in dem Mitgliedstaat für Verstöße gegen das Straßenverkehrsrecht gelten“ (Art. 37 Abs. 3).