SN31 bdo-Stellungnahme Mindestlohngesetz

Zum Mindestlohngesetz und den dieses Gesetz flankierenden Verordnungen

Berlin, 09.04.2015

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.

Ausgangssituation

Der bdo hat das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns in Deutschland beobachtet, war aber in dieses Verfahren nicht aktiv eingebunden. Dieses wäre aus unserer Sicht allerdings dringend notwendig gewesen. Nicht wegen der Lohnuntergrenze; diese ist für unsere im Personenverkehr tätigen Unternehmen kein Thema. Die Löhne der Fahrer in den durch unsere Landesverbände als Tarifpartner abgeschlossenen Tarifverträgen liegen ausnahmslos über 8,50 €, größtenteils sogar sehr deutlich darüber.

Allerdings müssen wir feststellen, dass das Mindestlohngesetz unsere Unternehmen in erheblichem Umfang belastet. Seine Ursache hat dies in dem außer jedem Verhältnis stehenden bürokratischen Aufwand, den dieses Gesetz für unsere Branche mit sich bringt. Die Hauptprobleme werden im Folgenden dargestellt:

1. Dokumentationspflichten
Es ist selbstverständlich, dass ein Gesetz ohne entsprechende Kontrollmöglichkeiten wirkungslos ist, daher haben wir Verständnis für die Aufzeichnungspflichten. Aber diese müssen mit Augenmaß konzipiert werden. Die Pflicht, „Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen“, ist mit den tagtäglichen praktischen Abläufen in unseren Betrieben nicht vereinbar. Hier muss dringend ein direkter Bezug zur Lohnberechnung und Lohnzahlung hergestellt werden. Die monatliche Aufzeichnung der Arbeitsleistung ist nach unserer Auffassung zur Kontrolle der Einhaltung der gesetzgeberischen Vorgaben völlig ausreichend.

Die Verordnung zur Abwandlung der Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmerentsendegesetz (im Folgenden MiLoAufzV) sieht eine Vereinfachung der Aufzeichnungspflicht dahingehend vor, dass Arbeitnehmer mit mobiler Tätigkeit unter bestimmten Bedingungen nur die Dauer ihrer täglichen Arbeitszeit aufzeichnen müssen. Das Bundesministerium der Finanzen hat uns auf Nachfrage mitgeteilt, dass diese Erleichterung nicht für das Personenbeförderungsgewerbe gilt. Im Text der Verordnung (Art. 1) findet sich jedoch explizit das Wort „Personenbeförderung“, weshalb wir die Auskunft des BMF nicht nachvollziehen können. Hier bedarf es der Klarstellung, dass von der mit der Verordnung beabsichtigten Vereinfachung auch Busfahrer erfasst sein sollen. Die unterschiedliche Behandlung bzw. in diesem Fall Begünstigung von z.B. Kurierfahrern ist unsererseits anderenfalls nicht nachvollziehbar. Zudem muss klargestellt werden, dass sich die Aufzeichnungspflicht nur auf die gewerblichen Arbeitnehmer, nicht aber auf das kaufmännische Personal bezieht.

2. Einordnung von Bereitschaftszeiten
Bezüglich der Vergütung der Bereitschaftszeiten ist ebenfalls dringend eine Klarstellung erforderlich. Für die Beschäftigung im Straßentransport gilt § 21 a des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Diese Norm wurde geschaffen, um den Besonderheiten des Straßenpersonen- und Straßengüterverkehrs Rechnung tragen zu können. Gemäß § 21 a Abs. 3 Nr. 3 des ArbZG handelt es sich bei der Zeit, während derer sich ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereithalten muss, um seine Tätigkeit aufzunehmen oder während derer sich ein Arbeitnehmer bereithalten muss, um seine Tätigkeit auf Anweisung aufnehmen zu können, ohne sich an seinem Arbeitsplatz aufhalten zu müssen oder die ein Arbeitnehmer, der sich mit einem anderen beim Fahren abwechselt, während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbringt, nicht um Arbeitszeit im Sinne des ArbZG, sondern um Bereitschaftszeit. Das Bundesarbeitsgericht hat es in seiner Entscheidung vom 12.03.2008 (4 AZR 616/06) für zulässig erachtet, für Bereitschaftszeiten - individualrechtlich oder kollektivrechtlich - eine geringere Vergütung als für “Vollarbeitszeit” zu vereinbaren. Wenn diese Vereinbarung unterbleibt, sind sie wie Vollarbeitszeit zu vergüten. Von der Möglichkeit dieser Vereinbarung ist in unserer Branche Gebrauch gemacht worden, d. h. Bereitschaftszeiten werden niedriger vergütet als Arbeitszeiten. Auf Nachfrage bei der vom BMAS geschalteten Hotline ist uns mitgeteilt worden, dass das Mindestlohngesetz nichts an den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts ändert. Wir gehen daher davon aus, dass es weiterhin zulässig ist, Bereitschaftszeiten niedriger, d. h. unter Mindestlohn, zu vergüten. Anderenfalls würde die höchstrichterlich bestätigte Regelung des § 21 a Abs. 3 ArbZG ins Leere laufen.

3. Verdienstgrenze (Schwellenwert verstetigtes Monatsentgelt)
Die in der Mindestlohndokumentationspflichten-Verordnung (MiLoDokV) vorgesehene Verdienstgrenze von 2.958 € wird von uns als willkürlich und viel zu hoch angesehen und bedarf dringend einer Absenkung. Für eine Tätigkeit von 40 Stunden pro Woche wird im Monat ein Mindestlohn in Höhe von 1.472,20 € fällig. Nach unserer Auffassung sollte sich die Verdienstgrenze nach MiLoDokV auch in diesem Bereich befinden. Im Übrigen muss dies von der Aufzeichnungsverpflichtung nach § 16 Abs. 2 ArbZG entkoppelt werden.

4. Anrechenbare Lohnbestandteile
Sämtliche Lohnbestandteile, auf die der Arbeitgeber Sozialabgaben und Steuern entrichtet, müssen für die Berechnung des Mindestlohns herangezogen werden können. Dazu zählen in der Busbranche neben dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld (bei ratierlicher, d. h. anteiliger Zahlung) auch das Mankogeld und die Anwesenheitsprämie.

5. Auftraggeberhaftung
Die Auftraggeberhaftung für die Löhne fremder Fahrer und die bußgeldrechtliche Verantwortung werden von uns als zu weitgehend und unpraktikabel abgelehnt. In der Gesetzesbegründung heißt es, der Auftraggeber solle im eigenen Interesse darauf achten, dass die Arbeitnehmer, die bei von ihm beauftragten Sub- und Nachunternehmern beschäftigt sind, den Mindestlohn erhalten. Dieser Ansatz ist zwar nachvollziehbar, aufgrund der Kollision der damit oktroyierten Kontrollpflicht mit dem Datenschutzrecht allerdings nicht praktisch umsetzbar.

6. Arbeitszeitkonten
Nach § 2 Absatz 2 MiLoG dürfen die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen. Diese Regelung führt im sehr saisonabhängigen Omnibusgelegenheitsverkehr zu erheblichen Problemen. Saisonspitzen, für die sog. Minijobber in unserer Branche benötigt werden, sind somit auf diesem Weg nicht mehr aufzufangen. Die Reisebusbranche ist ein Saisongeschäft von Mai bis Oktober und bietet speziell sozialen Einrichtungen, Schulen, Kindergärten und Vereinen eine bezahlbare Möglichkeit, ihre Mobilitätsinteressen wahrnehmen zu können. In der Hauptreisesaison fallen die meisten der über das Jahr zu leistenden Stunden an. Eine Begrenzung der Mehrstunden auf 50 % der in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen maximal möglichen 52,9 Stunden zu derzeit 8,50 € schränkt die Einsatzmöglichkeiten dieser Fahrer erheblich ein. So können höchstens 79 Stunden in einem Monat gearbeitet werden, um noch unter die Regelungen der geringfügigen Beschäftigung zu fallen. Gerade in den sehr nachfragestarken Monaten Juli/August wären wegen der hohen Spitzenauslastung der Fahrzeuge jedoch mehr Stunden nötig. Daher wäre es wünschenswert, für geringfügig Beschäftigte eine Möglichkeit zu finden, in einem begrenzten Zeitraum (Hauptsaison) mehr als 79 Stunden monatlich zu arbeiten, ohne gegen die Regelungen des MiLoG zu verstoßen. Voraussetzung hierfür muss natürlich sein, dass über den Jahreszeitraum hinweg die höchstmöglichen Arbeitszeiten eingehalten werden.

Fazit

Wir teilen die Auffassung des Gesetzgebers, dass sich Arbeit lohnen muss. Das Ziel des Mindestlohngesetzes, für alle in unserem Land vollzeitbeschäftigten Menschen ein existenzsicherndes und eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen und soziokulturellen Leben ermöglichendes Einkommen sicherzustellen, ist unumstritten. Nach dem derzeitigen Wortlaut des MiLoG und seiner flankierenden Verordnungen ist der Preis für dieses Ziel allerdings eine überbordende und insbesondere klein- und mittelständische Unternehmen überfordernde Bürokratie. Die private Busbranche ist nicht bereit, diesen Preis zu zahlen. Daher gilt es nun, die aufgezeigten Probleme in Angriff zu nehmen und die bürokratischen Hürden umgehend zu beseitigen.