SN 79 Gesetzentwurf zur Anpassung des Arbeitnehmer - Entsendegesetzes für die Entsendung von Kraftfahrer:innen

Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) nimmt der bdo wie folgt Stellung:

I. Ausgangslage

Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1057 sieht Änderungen im Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) vor. Die Regelungen dienen einerseits der Umsetzung von Artikel 1 der Richtlinie (EU) 2020/1057 (Straßenverkehrsrichtlinie), verbunden mit dem Ziel: Diskrepanzen zwischen der Auslegung, Anwendung und Durchsetzung der Vorschriften für die Entsendung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen im Straßenverkehrssektor durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu beseitigen. Des Weiteren dienen die Regelungen zur Harmonisierung der Vorschriften, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Rechtsdurchsetzung zu erleichtern.

Der bdo begrüßt das mit dem Referentenentwurf verfolgte Ziel der Verfahrensangleichung in allen EU-Mitgliedstaaten.

II. Stellungnahme

Die im Referentenentwurf vorgesehenen Gesetzesänderungen sind in weiten Teilen ausdrücklich zu begrüßen. Allerdings sieht der bdo in Teilen Korrekturbedarf:

§ 38 Abs. 3 AentG: Wortneuschöpfung „trilaterale Beförderung“ schafft Unklarheiten − Klare Formulierung der EU-Richtlinie übernehmen

Der § 38 Abs. 3 AentG hat, wie die übrigen Bestimmungen, zum Ziel, die Richtlinie (EU) 2020/1057 national umzusetzen. Dadurch, dass § 38 Abs. 3 AentG jedoch eine neue, in der EU-Richtlinie nicht verwendete Formulierung „trilaterale Beförderung“ wählt, werden die praktischen Anwendungsfälle des Busverkehrs nicht präzise genug erfasst. Zudem können bei den ausländischen Busbetrieben Unklarheiten und Verwirrung entstehen.

Artikel 1 Abs. 4 Unterabsatz 2 RL (EU) 2020/1057 regelt, dass Busbetriebe, die in einem Staat einen einzelnen Halt zum Zweck des Ein- und Ausstiegs von Fahrgästen vornehmen, keine Entsendung begehen. Die entsprechende Formulierung in Artikel 1 Abs. 4 Unterabsatz 2 RL (EU) 2020/1057 ist hier klar verständlich:

„(…) wenden die Mitgliedstaaten die Ausnahmeregelung auf bilaterale Beförderungen von Fahrgästen nach den Unterabsätzen 1 und 2 des vorliegenden Absatzes auch an, wenn der Kraftfahrer zusätzlich zu einer bilateralen Beförderung einmal Fahrgäste aufnimmt; und/oder einmal in den Mitgliedstaaten oder Drittländern, durch die er fährt, Fahrgäste wieder absetzt, sofern Kraftfahrer keine Beförderung von Fahrgästen zwischen zwei Orten innerhalb des Durchfuhrmitgliedstaats anbietet. Dasselbe gilt für die Rückfahrt.“

Diese eindeutige, klare Formulierung ist im Entwurf des AentG nicht enthalten. § 38 Abs. 3 AentG spricht stattdessen (mit Verweis auf § 36 Abs. 1 Nr. 2 AentG) von „trilateraler Beförderung“:

„Nicht als im Inland beschäftigt gelten Kraftfahrer und Kraftfahrerinnen abweichend von § 36 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, wenn

  1. es sich um die erste trilaterale Beförderung im Rahmen einer bilateralen Beförderung nach Absatz 2 handelt und

  2. sie keine Beförderung von Fahrgästen zwischen zwei Orten innerhalb des Durchfuhrmitgliedstaats anbieten.“

Zum einen werden die typischen Anwendungsfälle dieser Ausnahme-Regelung im Personenverkehr durch die Formulierung „trilaterale Beförderung“ nicht treffend beschrieben. In der Praxis wird die Ausnahme des Artikel 1 Abs. 4 Unterabsatz 2 RL (EU) 2020/1057 hauptsächlich bei der Personenbeförderung mit Fernbussen Anwendung finden, wenn ein Fernbus durch mehrere Staaten fährt und in den einzelnen Staaten jeweils einen fahrplanmäßigen Halt für den Zu- und Ausstieg von neuen Fahrgästen durchführt. Diese Tätigkeit wird in der Formulierung trilaterale Beförderung“ nicht wiedergegeben.

Zum anderen erschwert die nicht selbsterklärende Formulierung „trilaterale Beförderung“ das Verständnis der neuen Vorschriften. Werden die Begriffe „trilaterale Beförderung“ und „bilaterale Beförderung“ zusätzlich wie in § 38 Abs. 3 Nr. 1 AentG in einem Satz verwendet, mutiert der Gesetzestext sprichwörtlich zum Zungenbrecher. In der Praxis werden diese Irritationen gravierende Auswirkungen haben – sowohl für die in- und ausländischen Behörden als auch für die Busunternehmen.

Der bdo schlägt daher vor, für § 38 Abs. 3 AentG die Formulierung aus Artikel 1 Abs. 4 Unterabsatz 2 RL (EU) 2020/1057 wörtlich in das AentG zu übernehmen. Die Vorschriften geben so die Ausnahmeregelung des EU-Rechts rechtssicher und wie beabsichtigt 1:1 wieder und werden zudem lesbarer und verständlicher. Dies ist insbesondere aufgrund der Sprachbarrieren für ausländische Unternehmen und Behörden relevant. Zudem profitieren der deutsche Gesetzgeber sowie die die Vorschriftenden anwendenden, in- und ausländischen Behörden und Unternehmen von einer leichteren Handhabe und der größtmöglichen Rechtssicherheit, wenn bei einer 1:1 Übernahme von EU-Vorschriften deren Wortlaut vollständig übernommen wird. Dies wird auch der Zielsetzung der neuen Entsendevorschriften und der Einführung des IMI-Meldeportals gerecht: Die Entbürokratisierung der Entsendung von Berufskraftfahrer:innen.

§ 38 Abs. 2 Nr. 3 AentG: Präzisierung örtliche Ausflüge in mehrere EU-Staaten keine Entsendung

Gemäß den Auslegungsleitlinien der Europäischen Union stellen Fahrten, bei welchen Fahrgäste im Niederlassungsmitgliedstaat des Arbeitgebers aufgenommen und wieder abgesetzt werden, um örtliche Ausflüge in mehrere andere EU-Staaten oder Drittstaaten durchzuführen, keine Entsendung dar. § 38 Abs. 2 Nr. 3 AentG spricht jedoch nur von „einen anderen Mitgliedsstaat“ und „einen Drittstaat“. Diese Formulierung könnte dahingehend missverstanden werden, dass nur ein einziger EU-Staat oder ein einziger Drittstaat im Rahmen des örtlichen Ausflugs durchfahren werden darf, ohne dass es als Entsendung eingestuft wird. Die Formulierung des § 38 Abs. 2 Nr. 3 AentG sollte wie folgt präzisiert werden:

  1. Fahrgäste im Niederlassungsmitgliedstaat des Arbeitgebers aufnimmt und wieder absetzt, um örtliche Ausflüge in andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums oder in Drittstaaten durchzuführen.