SN77 Reisebusbranche im Umbruch - wie kann der Branche dabei geholfen werden

Reisebusbranche im Umbruch - wie kann der Branche dabei geholfen werden

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) ist der Spitzenverband der deutschen Busbranche und vertritt die Interessen der privaten und mittelständischen Unternehmen aus dem Bereich Personennahverkehr, Bustouristik und Fernlinienverkehr gegenüber Politik und Öffentlichkeit.

Ist-Zustand

Die mittelständische und privat geführte Bustouristik ist nun seit mehr als zwei Jahren stark durch die Corona-Pandemie gebeutelt. Immer wiederkehrende Schließungsanordnungen, verwirrende und unterschiedliche Masken- und Abstandsgebote sowie sogar teilweise bestehende Busreiseverbote, haben die rund 3.000 privaten und mittelständischen Busunternehmen bis aufs Äußere belastete. Hinzu kamen dann die schwerwiegenden Auswirkungen des furchtbaren Kriegsgeschehens in der Ukraine, die Explosion der Energie- und Lebenshaltungskosten. Aktuell kämpfen die Unternehmen u. a. mit einer immensen Steigerung des Dieselkostenanteils. Daraus resultieren die in dieser Stellungnahme aufgerührten unternehmensschädlichen Konsequenzen, welche einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in Deutschland gefährden. 2021 beförderten die Reisebusunternehmen laut dem Statistischen Bundesamt 59 Millionen Fahrgäste weniger als zwei Jahre zuvor. Dies führte zu einer Reduzierung der Beförderungsleistung um eine Fünftel gegenüber 2019. Jede weitere Krise gefährdet Arbeitsplätze, derzeit rund 42.000 direkt in der Busbranche und insgesamt knapp 240.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt bei ihren Zulieferern.

Mit der stückweisen Aufhebung der coronabedingten Auflagen im Busreisesegment stimmte sich eine Erholungsphase in den Unternehmen ein. Die Verunsicherung seitens der Kundinnen und Kunden sank, das Interesse und somit das Buchungsverhalten stabilisierte sich wieder und es existierte annähernd wieder eine Planungssicherheit zum Sommer 2022 hin.

Mit den derzeitigen Preisexplosionen sind aber jegliche Reise- und Auftragskalkulationen wieder hinfällig geworden und die Rentabilität einzelner Fahrten nicht mehr gewährleistet. In der Tourismusbranche bieten Busse, unter anderem Personen ohne Zugang zum Individualverkehr, sichere und komfortabel Mobilität. Außerdem ist der Bus mit seiner hervorragenden Umweltbilanz nach wie vor fast alternativlos, wenn es um motorisiertes und klimafreundliches Reisen geht. Damit der von Ihnen thematisierte „Umbruch“ in dem geplanten Fachgespräch eine Chance hat, nehmen Sie sich bitte den nachfolgenden Punkten an, um ganzheitliche und branchenübergreifende Lösungen auf den Weg zu bringen.

Einfluss der Energiepreisentwicklung auf die Branche

Der Krieg in der Ukraine hat auch die Bustouristik erschüttert. Zahlreiche Unternehmen der privaten und mittelständischen Bustouristik haben sofort Ihre Bereitschaft gezeigt, die flüchtenden Personen auf sicherem Weg nach Deutschland zu bringen. Inzwischen entstehen sogar die ersten Arbeitsverhältnisse zwischen die geflüchteten Personen und den deutschen Busbetrieben. Jedoch stürzen die durch den Krieg explodierenden Energiepreise die privaten, mittelständischen Busunternehmen nach 2 Jahren Corona in die nächste Krise.

Derzeit steigt der Dieselkostenanteil in den Unternehmen von rund regulären 10 Prozent aktuell auf bis zu 30 Prozent. Diese Verdreifachung des Kostenanteils kann von den Busunternehmen an ihre preissensiblen Kunden nicht 1 zu 1 weitergegeben werden. Schließlich müssen sowohl die Unternehmen als auch die Kunden zusätzlich mit den Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Heizkosten kämpfen. Der bdo und seine Unternehmen befürchten zudem, dass durch die allgemeinen Preissteigerungen die Kundinnen und Kunden keine Busreisen mehr buchen, auf Tagesfahrten verzichten und den Fernbus nicht mehr für längere Fahrten nutzen. Hierbei muss außerdem beachtet werden, dass rund 80 Prozent der rund 3.000 Busunternehmen Mischbetriebe sind, die sowohl Busreisen als auch ÖPNV-Verkehre durchführen. Das bedeutet: Verluste im Reisebusgeschäft wirken sich unmittelbar auf den ÖPNV und die Schülerbeförderung aus.

Mit dem Auslaufen des temporären Tankrabatts stehen den Busunternehmen nun keinerlei Hilfen mehr zur Verfügung. Deshalb begrüßt der bdo den geplanten Einsatz des „Energiekostendämpfungsprogramms“, um über einen breiten Rettungsschirm die kleinen und mittleren Unternehmen zu unterstützen. Allerdings befürchtet der bdo, dass die Busbranche nicht von den angekündigten Hilfen profitieren wird. Das derzeitige Programm zielt bislang ausschließlich auf Gas- und Strom als Energieträger. Trotz aller Anstrengungen bei der Antriebswende ist Diesel bei Busunternehmen jedoch noch der dominierende Kraftstoff. Es ist zu beachten, dass in diesem Zusammenhang der „Befristete Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ der EU hinzugezogen werden kann. Damit ist es den Mitgliedstaaten möglich, unter gewissen, leicht zu erfüllenden, Voraussetzungen, Unternehmen durch Zuschüsse in Höhe von bis zu 400.000 Euro zu stützen – auch über eine Unterstützung bei den Gas- und Stromkosten hinaus. Hiermit kann die nächste verheerende Krise von den Busunternehmen abgewendet werden und diese vor einer endgültigen Geschäftsaufgabe geschützt werden, indem KMU nicht nur für Gas und Strom Hilfen gewährt werden. Auch für die gestiegenen Dieselkosten kann und muss es eine Unterstützung geben.

Fahrpersonalmangel

Der Fahrpersonalmangel hat inzwischen bei den privaten und mittelständischen Busbetrieben ein existenzbedrohliches Ausmaß angenommen. Umfragen des bdo unter seinen Mitgliedsunternehmen haben ergeben, dass sich die Situation immer weiter zuspitzt: Während im Oktober 2021 noch bei rund 85 Prozent der deutschen Busunternehmen ein akuter Fahrpersonalmangel bestand, sind es im September 2022 bereits 94 Prozent. Außerdem gehen über 95 Prozent der befragten Unternehmen davon aus, dass sich das Problem zukünftig weiter verschärfen wird.

Derzeit können über 80 Prozent der Busunternehmen geplante Fahrten nicht durchführen, nicht an Ausschreibungen teilnehmen oder müssen Kundenanfragen ablehnen. Sie können daher ihr umfangreiches Angebot nicht mehr halten und auch nicht weiter ausdehnen. Die Auswirkungen dieses Mangels sind inzwischen für den privaten Bustourismus mehr als dramatisch. Hinzu kommen die fehlenden Fachkräfte in den Werkstätten und in den Reisebüros der Reisebusunternehmen.

Damit ist das umfangreiche Angebot des privaten mittelständischen Busgewerbes und das Gelingen der Verkehrswende insgesamt gefährdet: Mietomnibusverkehre, Busreisen, die öffentliche Grundversorgung im Nah- und Fernverkehr sowie die Schülerverkehre. Die Gründe für den Fahrperso-nalmangel sind vielfältig und dementsprechend auch die notwendigen Maßnahmen:

  1. Die vielen Pflichtstunden und dass die Berufskraftfahrerqualifikation in Deutschland zusätzlich zur Fahrausbildung absolviert wird führt im europäischen Vergleich dazu, dass die Ausbildung dadurch erheblich länger und teurer wird - bis zu 244 Pflichtstunden und 10.000 Euro. Daher müssen beide Ausbildungen zusammengelegt werden. Mit einer Unterrichtseinheit sowie einer Theorie- und Praxisprüfung werden Synergien genutzt, Bürokratie abgebaut und der Zeit- und Kostenaufwand erheblich reduziert. Inhalt und Qualität der Ausbildung bleiben erhalten. In europäischen Nachbarstaaten ist das bereits Praxis. „2 in 1“ ist die Zukunft für das Busgewerbe.

  2. Die Rekrutierung von Fahrpersonal aus dem Ausland ist unerlässlich. In diesem Zusammenhang bedarf es einer umfassenderen und zügigeren Anerkennung von ausländischen Führerscheinen und Berufskraftfahrerqualifikationen, insbesondere aus Drittstaaten. Zusätzlich sind bürokratische Hürden bei der Anerkennung der Ausbildungen und bei der Wohnsitzverlegung abzubauen.

  3. Außerdem schlägt der bdo die Herabsenkung des Mindestalters für Busfahrer:innen vor. Erst ab 23 Jahren sind Busfahrer:innen vollumfänglich einsetzbar. Jüngeres Fahrpersonal kann nur kleine Busse der Klasse D1, eingeschränkte Strecken oder leere Fahrzeuge führen. Mit neuen EU-Regelungen sollte das Busfahren ohne Einschränkungen ab 21 Jahren und mit einer Berufsausbildung ab 18 Jahren erlaubt werden.

Eine detaillierte Erläuterung entnehmen Sie bitte dem Positionspapier des bdo.

Herausforderungen und Chancen der Mobilitätswende für die Reisebusbranche

Die privaten Busunternehmen sind mehr als bereit, sich für die Klimaziele der Bundesregierung einzusetzen und Teil der Verkehrswende zu sein. Leider gibt es derzeit in der Reisebusbranche noch keine Alternative zum Dieselantrieb. Namhafte deutsche Bushersteller haben angekündigt, dass die ersten elektrisch betriebenen Reisebusse frühestens am Ende dieses Jahrzehnts angeboten werden können. Irrelevant, ob zukünftig Elektrizität, Wasserstoff oder übergangsweise ein hybrider Antrieb für den Reisebus möglich wird, es muss für eine geeignete Lade- bzw. Tankinfrastruktur gesorgt sein. Das bedeutet, dass nicht nur auf den Hauptverkehrsstrecken diese Infrastruktur zur Verfügung stehen sollte, sondern dass vor allem auch im ländlichen Raum ausreichende Möglichkeiten bestehen. Hierfür ist ein Dialog mit den Leistungsträgern der Busunternehmen, wie der Hotellerie, Gastronomie oder unterschiedlichsten Sehenswürdigkeiten, zwingend notwendig, damit diese in die Entstehung der Lade- und Tankinfrastruktur miteinbezogen werden. Zu beachten ist außerdem, dass diese Infrastruktur vor der Anschaffung der Fahrzeuge entstehen muss.

Sobald die notwendige Technologie für die Fahrzeuge zur Verfügung steht, benötigen die Unternehmen niedrigschwellige Fördermaßnahmen. Beispielhaft hierfür steht die derzeitige Förderung des BMDV für die Umstellung des ÖPNV auf klimafreundliche Antriebe. Gerade der zweite Förderaufruf hat gezeigt, wie wichtig die Einbindung von KMU ist.

Trotz der Bemühungen der Busunternehmen und den Herstellern zeitnahe und klimaorientierte Lösungen zu schaffen, dürfen bis zur endgültigen Umstellung die Reisebusunternehmen gegenüber dem motorisierten Individualverkehr nicht benachteiligt werden. Der Reisebus ist nach wie vor das klimafreundlichste motorisierte Verkehrsmittel, läuft aber trotz dessen auf eine immer weiter steigende Besteuerung zu. Gemäß der geplanten Reform der EU-Energiesteuerrichtlinie sollen im Endeffekt höhere Kosten für klimaschädliche Schadstoffe klimafreundliche Alternativen fördern. Im Pkw-Bereich werden damit auch erste Ziele erreicht, belasten aber gleichzeitig unverhältnismäßig den Busreiseverkehr. Solange es keine Alternative gibt, wird durch die (sinnvolle) Bevorzugung von Elektrizität Pkw-Fahren für viele Menschen absehbar deutlich günstiger. Busfahren auf längeren Strecken wird hingegen deutlich teurer und unattraktiver. Damit würden mehr Pkw auf unseren Straßen und weniger Reisende in Bussen unterwegs sein. Das genaue Gegenteil einer Verkehrswende. Deshalb schlägt der bdo eine Überarbeitung des jetzigen Entwurfs vor. Die ermäßigten Energiesteuersätze für alle öffentlichen und Gelegenheitsverkehre sollten gestattet und die Energiesteuerbefreiung von „grünen“ Treibstoffen für Bus- und Bahnverkehre ermöglicht werden, da diese die klimafreundlichen, motorisierten Reisen ermöglichen.

Damit der hier angesprochene „Umbruch“ zielgerichtet stattfinden kann und die Reisebusbranche beim Übergang geholfen wird, bietet sich zusätzlich die Reduzierung der Mehrwertsteuer für Busreisen – sowohl für Tickets im Fernbus als auch für Fahrten im Gelegenheitsverkehr an. Neben Deutschland gibt es lediglich drei EU-Mitgliedstaaten, die noch den vollen Mehrwertsteuersatz auf internationale Busreisen erheben. Alle anderen Länder haben sich richtigerweise dafür entschieden, entweder gar keine Mehrwertsteuer oder nur den ermäßigten Satz zu fordern.

Diese Ungleichbehandlung innerhalb Europas kann und darf nicht so bleiben. Denn die Erfahrung beim Schienenfernverkehr zeigt: Eine niedrigere Mehrwertsteuer führt zu deutlich mehr Fahrgästen. Im Busbereich ist eine ähnliche Entwicklung zu erwarten.