SN01 Auswirkungen Kennzeichenverordnung

Wirtschaftliche Auswirkungen der Kennzeichnungsverordnung für Reisebusunternehmen

Berlin, 03.04.2009

Wirtschaftliche Auswirkungen der Kennzeichnungsverordnung für Reisebusunternehmen

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.

1. Umweltzonen in Deutschland und ihre Auswirkungen

Die Busbetriebe sind mittlerweile sehr stark von den 31 bestehenden Umweltzonen für Reisebusse (Bremen und Hannover aufgrund der Ausnahmeregelung ausgenommen) betroffen, die seit Jahresbeginn 2008 eingerichtet wurden und die Einfuhr der Busse reglementieren. In diese Zonen dürfen nur noch Busse einfahren, die mindestens den EURO 2-Standard erfüllen. Bislang ist vorgesehen, die Einfahrtbestimmungen 2010 noch einmal drastisch zu verschärfen.

Die Umweltzonen haben erhebliche Auswirkungen  auf den Städtetourismus,  auf die erforderlichen Investitionen in neue Busse,  auf den Wiederverkauf von Gebrauchtfahrzeugen (künstlicher Wertverlust),  auf kostenintensive Nachrüstungen,  auf zusätzliche Kosten durch Beantragung von Ausnahmegenehmigungen und  auf die Ertragssituation der Unternehmen.

Bisher planen die Städte ab 2010 die zweite Stufe der Kennzeichnungsverordnung einzuführen, die nur noch Bussen mit EURO 4-Standard Einfahrt gewähren soll. Für Unternehmen mit älteren Fahrzeugen bedeutet dies, dass sie in viele Innenstädte nicht mehr ohne Weiteres einfahren können. Beispielsweise sind dies EURO 3-Reisebusse, die noch im Jahr 2006 produziert und ausgeliefert wurden und einen Anschaffungspreis von bis zu 350.000 € haben.

Die grünen Plaketten bedeuten folglich freie Fahrt in jeder Umweltzone Deutschlands. In allen anderen Fällen stehen die meisten Busunternehmen vor der Wahl: Neuanschaffung eines neuen und Verkauf des alten Reisebusses mit Mindererlösen, Nachrüstung oder Beantragung von Ausnahmegenehmigungen.

2. Neuanschaffung mit Wertverlust

Die Neuanschaffung von Bussen erfolgt in der Regel sukzessive nach Ablauf der betrieblichen Nutzungsdauer.

In Folge der Kennzeichnungsverordnung werden die Unternehmen zum vorzeitigen Verkauf der Busse mit erheblichem Wertverlust gezwungen. Bei den Fahrzeugen der EURO 3-Klasse entsteht nach sechs Jahren Nutzung und vorzeitiger Veräußerung ein Mindererlös gegenüber dem eigentlichen Verkehrswert von ca. zehn Prozent. Dieser Mindererlös entspricht in diesem Fall ca. 23.000 € (Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 2004). Geht man davon aus, dass die steuerliche Abschreibedauer im Durchschnitt acht Jahre beträgt, kommt es auch dort zu weiteren Problemen.

3. Mehrkosten durch Nachrüstung

Ohne Mehrkosten durch Nachrüstung ist die höhere Einfuhrnorm nicht zu erreichen. Einige Busunternehmer lassen ihre Busse je nach Motorklasse für 8.000 bis 12.000 € pro Fahrzeug mit Partikelfiltern umrüsten. Das Nachrüsten mit Partikelfiltern kostet somit durchschnittlich 10.000 Euro pro Fahrzeug. Diese hohen Investitionskosten können in der Regel nicht über einen erhöhten Reisepreis auf den Verbraucher abgewälzt werden. Zudem ist oftmals ungeklärt, wie sich der nachträgliche Einbau von Partikelfiltern auf bestehende Gewährleistungs- und Garantieansprüche der Unternehmer auswirkt.

4. Ausnahmegenehmigung und Ausnahmepraxis

Die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen obliegt den Städten und Kommunen, die die jeweilige Umweltzone eingeführt haben. Dies führte in der Praxis dazu, dass bundeseinheitliche Regelungen fehlen und regional unterschiedliche Anforderungen an die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gestellt werden. Derart sind viele Ausnahmegenehmigungen meist auf ein Jahr befristet. Zudem sind die Antragsverfahren mit immensem Verwaltungsaufwand verbunden und die zu zahlenden Gebühren sind teilweise unverhältnismäßig hoch. In der Folge führt dies zu höheren Personalkosten und zu einem „Beantragungs-Flickenteppich“ beim Unternehmen.

Ausnahmepraxis anhand von Beispielen:

Busunternehmen, die mehrere Städte anfahren, sind somit gezwungen, viele verschiedene Genehmigungen zu beantragen. Beantragt man die Ausnahmegenehmigungen als Reisebusunternehmen für alle Städte, zahlt man derzeit mehr als 3.000 € (Quelle: Omnibusrevue Nr. 04.2008). Der Verwaltungsaufwand ist hierbei noch nicht eingerechnet; dieser kann mit zusätzlichen 600 € pro Bus und pro Jahr beziffert werden.

5. Rückgang des Städtetourismus

Die Errichtung der Umweltzonen bedeutet für viele Busunternehmer, dass sie Städte mit Umweltzonen zukünftig meiden werden. Immerhin sind derzeit ca. 80 Prozent des Reisebusbestandes von Einfuhrverboten im Rahmen der „Zweiten Stufe“ der Umweltverordnung bedroht. Für eine Stadt wie Berlin hat das fatale Auswirkungen. Städtereisen stehen in der Beliebtheitsskala der Bustouristen ganz oben. Täglich fahren allein in Berlin mehr als 300 Reisebusse ein und befördern damit jährlich rund drei Millionen Besucher zu den Sehenswürdigkeiten. Die negativen Auswirkungen für das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie den Einzelhandel sind noch nicht absehbar. Nach einer ersten Prognose des bdo belaufen sich die Reiseausgabenverluste durch Ausbleiben von nur einem Prozent der Reisebuskunden auf durchschnittlich 200 Mio. €.

6. Wirtschaftliche Auswirkungen in Zahlen

Laut Kraftfahrtbundesamt sind in Deutschland derzeit 75.270 Busse unterwegs. Davon sind ca. 38.000 Reisebusse im Einsatz.

Auf Basis der Angaben des Kraftfahrtbundesamtes hat der bdo den Fahrzeugbestand der privaten Omnibusunternehmer ermittelt. Demnach gehörten im Jahr 2008  -39 Prozent den Schadstoffklassen Euro 0 und 1 an (15.000 Reisebusse),
 -54 Prozent der Schadstoffklassen EURO 2 und 3 (21.000 Reisebusse)und -7 Prozent der Schadstoffklassen EURO 4, 5 und EEV an (2.600 Reisebusse).

Nach aktuellen Angaben im Jahr 2009 ist die Zahl der grünen Plaketten für Reisebuse zwar im Jahr 2009 auf ca. 16 Prozent gestiegen. Allerdings muss auch konstatiert werden, dass bereits ab 2010 die restlichen 84 Prozent der Busse von Einfahrverboten der Zweiten Stufe betroffen sind.

Im Jahr 2009 gehören  -28 Prozent den Schadstoffklassen Euro 0 und 1 an (11.000 Reisebusse),
-56 Prozent der Schadstoffklassen EURO 2 und 3 (21.000 Reisebusse) und
 -16 Prozent der Schadstoffklassen EURO 4, 5 und EEV an (6.000 Reisebusse).

Wenn Reisebusunternehmer ihre Busse trotz Einfahrverbot in Umweltzonen einfahren lassen wollen, entstehen die nachfolgend zusammengefassten Kosten pro Bus.

7. Fazit

Unter Berücksichtigung aller genannten Kosten, belaufen sich die wirtschaftlichen Effekte der Kennzeichnungsverordnung für den Reisebusverkehr derzeit auf ca. 240 Mio. € pro Jahr. Zusätzlich entstehen insgesamt Kosten von rund 70 Mio. € für Nachrüstungen der EUR 1 bis 3-Busse.

Fahrverbote für Reisebusse richten aber nicht nur ökonomischen Schaden an, sie sind im Sinne einer richtungweisenden Umweltpolitik auch wenig zielführend. Nach Messungen des Umweltbundesamtes werden nur drei Prozent des Feinstaubs aus dem Straßenverkehr durch Omnibusse verursacht. Der Bus ist hinsichtlich Energieverbrauch und Kohlendioxidausstoß das umweltfreundlichste Verkehrsmittel und sollte aufgrund seiner guten Klimabilanz gegenüber der Bahn und dem Flugzeug nicht benachteiligt werden. Erste Prognosen gehen zudem davon aus, dass durch die Einführung der Umweltzonen keine wesentliche Reduzierung des Feinstaubaufkommens erreicht wurde. Die Branche fordert, dass Omnibusse, die mindestens die Euro-III-Norm erfüllen, von allen feinstaubbedingten Fahrverboten befreit werden. Denn bis Oktober 2006 gab es in Deutschland ausschließlich Busse zu kaufen, die dieser Abgasnorm entsprachen. Sollte eine generelle Herausnahme des Reisebusses aus der Kennzeichnungsverordnung nicht möglich sein, so fordert der bdo zumindest die Einführung bundesweit anerkannter Ausnahmegenehmigungen sowie die Förderung der Anschaffung von umweltfreundlicheren Neufahrzeugen.