Wirtschaftsfaktor Bus
Erster bdo-Doppelkongress in Berlin zu den Themen ÖPNV und Bustouristik
Mit viel Selbstbewusstsein formulierte der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) auf seinem achten Kongress am 16. und 17. März 2010 in Berlin die Erwartungen des privaten Busgewerbes gegenüber der Politik. Vor mehr als 300 Teilnehmern forderte bdo-Präsident Wolfgang Steinbrück eine mittelstandsfreundliche Politik im Sinne der Bustouristik und der privaten Busunternehmer im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). „Förderung statt Bestrafung“ erwarte der Verband für den umweltfreundlichsten und sichersten Verkehrsträger, an dem über eine Million Arbeitnehmer partizipieren.
Am ersten Tag der Veranstaltung, der ganz im Zeichen der Bustouristik stand, formulierte Steinbrück unter Applaus der Kongressteilnehmer sechs Hauptforderungen des Verbandes. „Der umweltfreundliche Bus muss aus der Umweltzonen-Bestimmung herausgenommen werden“, begann Steinbrück. Es könne nicht sein, dass dem umweltfreundlichsten Verkehrsträger das Leben schwer gemacht werde. Wichtig für die Bustouristik sei zudem eine europaweit einheitliche Anerkennung des Nachweises für arbeitsfreie Zeiten von Busfahrern. Es dürfe keine Busmaut im Busfernlinienverkehr geben, setzte Steinbrück fort, das grüne EU-Fahrtenblatt müsse abgeschafft und Bürokratie sowie Gebühren abgebaut werden. Auch die modifizierte Wiedereinführung der 12-Tage-Regelung sei noch nicht die endgültige Lösung. „Wir fordern flexible, busspezifische Lenk- und Ruhezeiten. Busunternehmer sind keine Lkw-Fahrer, wir befördern Menschen“, sagte der bdo-Präsident.
Mit ebenso klaren Worten führte Steinbrück auch in den zweiten Tag des Kongresses ein, welcher der Gewerbepolitik und dem ÖPNV gewidmet war. Im Mittelpunkt stand dabei die angekündigte Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) durch die Bundesregierung. Dabei müsse der Vorrang kommerzieller Verkehre erhalten bleiben, forderte Steinbrück und lobte die Regierung, die diese Absicht bereits im Koalitionsvertrag festgehalten hat. „Wer eine Systemänderung will, ist für Planwirtschaft“, so Präsident Steinbrück. Was „alle Macht den Räten“ bringe, zeige sich in Hessen, wo viele Mittelständler vom Markt gefegt wurden. „Eine solche Entwicklung können wir nicht zulassen“, formulierte Steinbrück unter Beifall der Teilnehmer und stellte fest: „Die Verordnung zwingt nicht zu einer Veränderung des bewährten Ordnungsrahmens für den ÖPNV. Deutschland hat ein ausgezeichnetes System, das weltweit mehr als anerkannt ist.“
Die PBefG-Novellierung stünde auch für die Politik im Mittelpunkt, wie Enak Ferlemann MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, auf dem Kongress erläuterte. Dabei halte sich der Anpassungsbedarf an die EU-Verordnung in Grenzen. Ferlemann bestätigte die Aussagen der Koalitionsvereinbarung und stellte klar, dass man den Vorrang kommerzieller Verkehre gewährleisten werde. „Der Staat wird nur eingreifen, wenn der Markt die Bedürfnisse nicht befriedigen kann“, so Ferlemann. Noch in diesem Jahr soll das Gesetzgebungsverfahren möglichst abgeschlossen sein. 2011 wolle sein Ministerium intensiv über die Finanzierung im ÖPNV diskutieren. An die Branchenvertreter appellierte Ferlemann, die Verkehrsträger nicht gegeneinander auszuspielen. „Jedes Verkehrssystem ist wichtig in diesem Land. Es werden alle gleich behandelt. Jeder Verkehrsträger hat seinen Nutzen.“
Hochkarätige Experten informierten im Rahmen des bdo-Kongresses über zentrale Aufgabenstellungen in ÖPNV und Bustouristik. Das Vortragsprogramm reichte von Informationen über das Reiserecht und erste Ergebnisse der Studie „Wirtschaftsfaktor Bustourismus“ bis hin zur künftigen Ordnung und Finanzierung des ÖPNV. Im Mittelpunkt standen Chancen wie Herausforderungen der Branche. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine Fachausstellung und durch eine Abendveranstaltung im Tipi am Kanzleramt.
Einen ausführlichen Bericht sowie eine Fotoauswahl über den bdo-Kongress 2010 finden Sie ab Freitag, 19. März unter www.bdo-online.de im Veranstaltungsarchiv. Journalisten und Medienvertreter können vorab Fotomaterial für Ihre Berichterstattung erhalten.
Eine Auswahl an Vorträgen finden Sie hier:
16. März
Wolfgang Steinbrück, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer, Berlin
Dr. Bernhard Harrer, Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr, München
Jürgen Krause, Weisse Flotte, Waren an der Müritz
17. März 2010
Prof. Dr. Herfried Münkler, Lehrstuhl Politische Theorie, Humboldt-Universität zu Berlin (Träger des Leipziger Buchpreises 2009)
Gunther Mörl, Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer, Berlin
Katja Hessel, Staatssekretärin im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie
Edi Reiz, Kreisverwaltung Cochem-Zell
Dr. Stefan Breuer, Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt/M.
Prof. Dr. Jan Ziekow, Lehrstuhl für öffentliches Recht, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer
Prof. Dr. Holger Zuck, Anwaltskanzlei Zuck, Stuttgart