Kommunalisierung im ÖPNV stoppen - PBefG-Kompromiss nicht aufkündigen – Mittelstand fördern – VDV-Vorschlag bedeutet Aus für eigenwirtschaftliche Verkehre
Der Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) hat sich heute intensiv mit den Vorschlägen des VDV, des Deutschen Städtetages und anderen Vertretern der kommunalen Verkehrsbranche zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes auseinandergesetzt.
„Wir haben nicht den Eindruck, dass sich VDV und andere Befürworter von PBefG-Änderungen noch an den 2012 mit allen Beteiligten ausgehandelten Kompromiss gebunden fühlen“, so Präsident Steinbrück. „Man kann sich nicht gleichzeitig zum aktuellen PBefG bekennen und Änderungen fordern, denn keinesfalls handelt es sich bei den Vorschlägen des VDV um „leichte Präzisierungen“. Im Gegenteil werden die in § 13 Abs. 2 a PBefG abschließend geregelten sog. Kernanforderungen zur Unterscheidung zwischen eigenwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Verkehren angegriffen. „Dies ist kein minimal invasiver Eingriff, sondern eine Operation am offenen Herzen“, so Steinbrück.
Überhaupt kein Verständnis habe der bdo für die Initiative des VDV, der sich bereits einige Bundesländer angeschlossen haben, die noch in dieser Legislaturperiode den seit Bestehen des PBefG verankerten Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre aus dem Gesetz kegeln wollen, obwohl der gesetzlich vorgesehene Evaluationsbericht noch gar nicht auf dem Tisch liegt, so Steinbrück weiter. Der Bericht werde zeigen, dass es der Mittelstand ohnehin schon schwer genug mit den Rahmenbedingungen hat. Aufgrund der Weigerung vieler Aufgabenträger, allgemeine Vorschriften zu erlassen, ist die eigenwirtschaftliche Verkehrserbringung seit Inkrafttreten des PBefG erheblich geschrumpft - in einigen Bundesländern, wie Mecklenburg-Vorpommern, sogar gegen Null. Während kommunale Unternehmen unter das Dach der Direkt- und Inhouse-Vergaben schlüpfen und sich damit jeglichem Wettbewerb entziehen, werden kleine und mittlere Unternehmen gnadenlos in einen Preiswettbewerb geschickt. Nur 4 % aller Direktvergaben gehen an kleine und mittlere Unternehmen.
Der bdo sieht vor diesem Hintergrund durchaus Verbesserungspotential beim PBefG. Dies hat er im Rahmen seiner Stellungnahme zum Evaluationsbericht der Bundesregierung bereits deutlich gemacht. Neben der verbindlichen Verpflichtung, bei soziapolitisch vorgegebenen Tarifabsenkungen allgemeine Vorschriften zu erlassen, gehört hierzu auch eine gesetzliche Verankerung von sog. KMU-Vergaben an kleine und mittlere Unternehmen, die dann zum Tragen kommen muss, wenn sich der Aufgabenträger gegen ein Wettbewerbsmodell entscheidet. „Auf keinen Fall“, so Steinbrück „darf es in Zukunft so bleiben, dass kommunale Unternehmer flächendeckend Inhouse- und Direktvergaben erhalten und gleichzeitig die bisher eigenwirtschaftlich erbrachten Leistungen der privaten mittelständischen Unternehmen in einen ruinösen europaweiten Preiswettbewerb mit offenem Ausgang und bestenfalls Subunternehmerdasein überführen.“ Steinbrück weiter „wenn schon Direktvergaben, dann aber auch bitte schön gleiches Recht für alle.“
Viele in den bdo-Landesverbänden organisierte Familienbetriebe sind bereits vom Markt verschwunden oder stehen unmittelbar vor dem Aus. Neben der 95 Jahre alte AFAG in Flensburg, Busbetriebe Wismar, Kraftverkehr Wiedenhoff GmbH im Rheinisch-Bergischen Kreis, Omnibusbetrieb Kirschner in Diepholz, Reisedienst von Rahden in Schwanewede, Fa. Kocher und Fa. Schnaith in Tübingen, Reisedienst Dreßler GmbH Heidenau, B.B. Reisen GmbH Neustrelitz und dem über 100 Jahre alten Unternehmen Hörmann Reisen in Augsburg gibt es inzwischen in jedem Bundesland eine Vielzahl weiterer Beispiele.
Der bdo sieht vor diesem Hintergrund durchaus Anpassungsbedarf beim PBefG, hält sich aber zum jetzigen Zeitpunkt an den Kompromiss aus 2012 gebunden. Eine erneute PBefG-Diskussion muss fair und offen auf Grundlage der Evaluation geführt werden. „Die vorliegenden Änderungsanträge kommen zur Unzeit“, so Steinbrück. Der bdo appelliert daher eindringlich an Bund und Länder, den PBefG-Kompromiss nicht in einem „Hau-Ruck-Verfahren“ aufzukündigen, sondern alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. „Wir sind fest überzeugt“, sagte Steinbrück, „dass dann deutlich wird, dass es sich bei dem von VDV und kommunalen Spitzenverbänden gezeichneten Schreckensszenario der „Zwangs-privatisierungen durch die Hintertür“ bei faktenbasierter Betrachtung lediglich um die Reaktion privater Busunternehmen auf die zunehmende Kommunalisierung des ÖPNV handelt.“ Eine Lösung der bestehenden Probleme im Markt könne nur im Miteinander der Beteiligten gefunden werden, so wie das die Väter des PBefG-Kompromisses im Jahr 2012 beabsichtigt und auf den Weg gebracht haben.