Kommunale Verkehrsinfrastruktur in Stadt und Land verlässlich fördern

Mi, 13.06.2012

Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Fortführung der Gemeindeverkehrsfinanzierung für 2014 bis 2019 im Rahmen des Entflechtungsgesetzes verlaufen schleppend. Im Vorfeld des Austausches der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin anlässlich der Ministerpräsidentenkonferenz am 14. Juni veröffentlichen deshalb 23 Verbände der Nutzer und der Wirtschaft folgende Erklärung:

Bund und Länder müssen Gemeindeverkehrsfinanzierung über das Entflechtungsgesetz bis 2019 auf höherem Niveau fortsetzen

Verkehrsinfrastrukturvorhaben sind für Kommunen und Verkehrsunternehmen eine große finanzielle Herausforderung. Selten können sie diese allein stemmen. Dennoch sind diese Investitionen für die Entwicklung von Gemeinden, Städten und Kreisen weit über den Verkehr hinaus bedeutsam. Daher fördert der Bund seit 1971 über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) und seit 2007 über das Entflechtungsgesetz den Bau oder Ausbau von kommunalen Straßen sowie Investitionen für den Öffentlichen Personennahverkehr. Bisher werden den Ländern jährlich 1,335 Milliarden Euro zur Förderung solcher Vorhaben bereitgestellt. Zusätzlich besteht ein Bundesprogramm mit 333 Millionen Euro pro Jahr für Großvorhaben des ÖPNV.

Die unterzeichnenden Verbände sehen mit Sorge, dass Bund und Länder nun diese Förderung in Frage stellen, ohne Perspektiven für eine verlässliche Finanzierung kommunaler Verkehrsprojekte aufzuzeigen.

Bund und Länder haben mit der Föderalismusreform 2006 den Ausstieg aus der Gemeindeverkehrsfinanzierung zum Ende des Jahres 2019 beschlossen. Dazu haben sie u.a. das GVFG (Ausnahme: Bundesprogramm) in das Entflechtungsgesetz überführt. Nur bis 2013 wurde eine unveränderte Fortsetzung der Finanzzuweisungen für die Gemeindeverkehrsfinanzierung zugesichert.

  • Die Höhe der Förderung des Bundes für 2014 bis 2019 wurde offen gelassen. Sie ist jetzt Gegenstand von Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. Der Bund plant, seine Förderung zu verringern und dadurch – vor dem Hintergrund der Schuldenbremse – seine Ausgaben zu Lasten der kommunalen Investitionen zu verringern.
  • Die verkehrliche Zweckbindung wurde bis 2013 begrenzt. Danach gilt diese nur noch übergreifend für alle Infrastrukturbereiche des Entflechtungsgesetzes. Wie die Mittel ausgegeben werden, liegt ab 2014 im Ermessen der Länder. Der Anreiz ist damit hoch, die Bundesfinanzhilfen nicht oder nicht mehr in vollem Umfang in die Verkehrsinfrastrukturen, sondern in anderen Bereichen zu investieren. Die Zurückhaltung mancher Länder bei der Verankerung einer Zweckbindung für Verkehr in Landesrecht spricht Bände.

Insgesamt droht sich die 2006 getroffene Vereinbarung für den Zeitraum 2014 bis 2019 in eine Absprache zu Lasten der Kommunen zu wenden. Die Finanzprobleme, insbesondere der Verkehrswege, in Städten und Gemeinden würden sich weiter verschärfen.

Ohnehin sind die jährlichen Investitionen in den Umbau, Ausbau und die Sanierung der kommunalen Verkehrsnetze im letzten Jahrzehnt stark gesunken. Sie erreichen nur noch rund die Hälfte des jährlichen Bedarfs. Das von Generationen geschaffene gesellschaftliche Vermögen verliert schon seit Jahren an Wert, weil die Investitionen geringer als die Abschreibungen sind. Der Investitionsrückstand wird im aktuellen Kommunalpanel der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf 26 Milliarden Euro geschätzt. Jede weitere Kürzung der Finanzmittel gefährdet die Funktionsfähigkeit der kommunalen Verkehrsnetze. Die Grundlage unserer mobilen Gesellschaft zerfällt.

Ein Kurswechsel ist überfällig: Nicht nur der Sanierungsstau, auch steigende Anforderungen durch demografischen Wandel, Lärmschutz, Luftqualität und Klimaschutz erfordern eine Modernisierungsstrategie für Verkehrsnetze in Stadt und Land. Moderne und leistungsfähige Verkehrsnetze sind zudem eine wichtige Voraussetzung für zusätzliche private Investitionen, Wachstum und Beschäftigung.

Wenn der mit der Föderalismusreform eingeschlagene Kurs der Stärkung der finanziellen Selbstverantwortung aller staatlichen Ebenen eine Zukunft haben soll, müssen Bund und Länder glaubwürdig für den Erhalt kommunaler Investitionsfähigkeit eintreten: ** Die Gemeindeverkehrsfinanzierung ist dazu auch im Zeitraum 2014 bis 2019 fortzusetzen.** Der hohe Bedarf ist durch Untersuchungen des VDV und der Verkehrsministerkonferenz nachgewiesen und durch die Finanzministerkonferenz anerkannt. Unter Berücksichtigung gestiegener Anforderungen und Baupreise ist sogar eine jährliche Förderung auf höherem Niveau erforderlich.

Deshalb ist aus Sicht der Unterzeichner unverzichtbar, dass:

  1. der Bund die Verkehrsinfrastruktur der Kommunen im Zeitraum 2014 bis 2019 mit 1,9 Milliarden Euro pro Jahr fördert,
  2. die Länder im Landesrecht die für den Verkehr fließenden Entflechtungsmittel für den Zeitraum 2014 bis 2019 vollständig für den ÖPNV und Straßen in der Baulast von Kommunen, Kreisen und kommunalen Zusammenschlüssen zweckbinden,
  3. Bund und Länder zügig zu einer Übereinkunft in diesen beiden Punkten kommen, denn Projekte brauchen angesichts des Planungsvorlaufs schnellstens mehrjährige Finanzierungssicherheit,
  4. Bund und Länder für Transparenz über die Verwendung der Mittel sorgen und dazu dem Deutschen Bundestag und Öffentlichkeit jährlich einen Bericht vorlegen.

Die Unterzeichner:

ACE Auto Club Europa e.V.

ADAC e.V.

Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V.

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. ** Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) e.V.**

Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) e.V.

Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste e.V.

Bundesverband Mineralische Rohstoffe e.V.

Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V.

Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) e.V.

Deutscher Asphaltverband (DAV) e.V.

Deutsches Verkehrsforum e.V.

Fachverband Bitumenemulsionen und Straßenerhaltungsbauweisen e.V.

Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.

Pro Mobilität - Initiative für Verkehrsinfrastruktur e.V.

RDA - Internationaler Bustouristik Verband e.V.

Verband Beratender Ingenieure e.V.

Verband der Automobilindustrie e. V.

Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V.

Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller e.V.

Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) e.V.

Zentralverband Deutsches Baugewerbe e.V.

ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.