Einseitige Senkung der Mehrwertsteuer im Bahnfernverkehr verstößt gegen das deutsche Grundgesetz und europäisches Recht

Do, 24.10.2019

Ein neues Rechtsgutachten bestätigt die bisherige Auffassung des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (bdo): Die von der Bundesregierung geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf Tickets im Fernverkehr ausschließlich für den Schienenverkehr verstößt gegen geltendes Recht. Eine steuerliche Ungleichbehandlung von Bus und Bahn ist aufgrund ihrer Gleichartigkeit und Ihrer Wettbewerbssituation nicht gerechtfertigt.

Ein vom Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten hat am 22. Oktober die klare Einschätzung ergeben, dass eine einseitige Senkung der Mehrwertsteuer im Bahnfernverkehr (SPFV) sowohl gegen das deutsche Grundgesetz als auch gegen europäisches Recht verstößt, sofern sie nicht auch für den Bus gilt. Für eine Ungleichbehandlung bei der Besteuerung verlangt das Bundesverfassungsgericht mindestens einen sachlich nachvollziehbaren Grund. So müsste zum Beispiel ein ökologisches Lenkungsziel vorliegen. Gegenüber Flieger und Pkw ist dies der Fall. Bus und Bahn allerdings haben zusammen die besten CO2-Werte, so dass eine sachliche Trennung nicht nachvollziehbar ist. Auch die unterschiedliche Netzabdeckung könnte ein sachlich nachvollziehbarer Grund sein. Hier liegt allerdings der Fernbus mit über 500 Haltestellen weit vor der Fernbahn mit 300 Haltestellen. Weit abgeschlagen sind die Linienflieger mit 20 Flughäfen mit nationalen Verbindungen.

„Ich habe durchaus Sympathien dafür, dass die Politik derzeit die Bahn mit einer großen Kraftanstrengung stärken will“, so bdo-Präsident Karl Hülsmann zu den Plänen. „Tatsächlich verdienen die umweltfreundlichen Verkehrsträger einen solchen Impuls im Wettbewerb gegen Pkw und Flieger. Neben den Vorschlägen für den großen Staatskonzern sollten kleine private Busbetriebe im Fernlinienverkehr und im Bustourismus aber nicht vergessen werden. Der Mittelstand braucht einen festen Platz in solchen politischen Vorstößen – und nicht nur in den Sonntagsreden. Das ist vor allem eine Frage der Gerechtigkeit im Wettbewerb der Verkehrsträger. Und es ist eine wichtige Chance beim Versuch, den Klimaschutz im Verkehrssektor zu stärken.“

Das bedeutet: Auch wenn Fernbusse bei Haltestellenabdeckung oder CO2-Abdruck besser als Fernbahnen abschneiden, sind beide so nah beieinander, dass eine steuerliche Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt werden kann. Eine Mehrwertsteuersenkung für das Flugzeug ergibt sich daraus nicht. Zu ungleich sind die Verkehrsträger. Auf der großen Mehrheit der Strecken, die mit Bus und Bahn zurückgelegt werden (im Durchschnitt 300 km), ist das Flugzeug kein Wettbewerber. Nur 20 Verkehrsflughäfen verfügen in Deutschland über nationale Linien. Konsequenterweise sind Flugreisen nicht mit Bahn- und Busreisen gleichzusetzen. Hinzu kommt: Die zusätzlichen Kosten im Falle einer Mehrwertsteuersenkung für Fernbusse wäre in Höhe von etwa 30 Millionen Euro jährlich, wären durch die nunmehr angehobene Luftverkehrsabgabe mehr als gegenfinanziert.

Weiterhin kommt das Rechtsgutachten zu dem Ergebnis, dass der derzeitige Gesetzentwurf auch mit dem europäischen Unionsrecht nicht vereinbar ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfen Dienstleistungen, die gleichartig sind und miteinander im Wettbewerb stehen, nicht unterschiedlich behandelt werden.

Zum Hintergrund: Das „Klimaschutzprogramm 2030“ findet derzeit im „Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht“ seine parlamentarische Debatte und Beschlussfassung. Die stärkere Verantwortung der Linienverkehre ist absolut richtig. Hierzu schlägt die Bundesregierung vor, die Mehrwertsteuer auf Tickets im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) zu senken. Fernlinienbusse sind von einer Mehrwertsteuersenkung nicht betroffen. So sinnvoll eine Mehrwertsteuersenkung im Eisenbahnbereich ist, so wenig sinnvoll ist eine vom Fernbus unterschiedliche Besteuerung – weder aus ökologischer, noch verkehrs- und sozialpolitischer oder gar wettbewerbsrechtlicher Perspektive. Denn Busse und Bahnen sind die ökologischen Verkehrsträger, welche für das Gelingen der Verkehrswende benötigt werden. Der Fernbus ist das sauberste Verkehrsmittel. Ihm folgt die Eisenbahn. Mit großen Abstand folgen Pkw und Flieger mit dem schlechtesten Klimafußabdruck.