SN06 bdo-Stelln. Umweltzonen

Zur gegenwärtigen Umweltzonenproblematik in Deutschland

Berlin, 03.06.2011

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.

Aktuelle Situation

Derzeit gibt es in Deutschland mehr als 40 Umweltzonen, die seit Jahresbeginn 2008 eingerichtet wurden und die Einfahrt von Bussen reglementieren. Nur wenige Städte (z.B. Hannover und Berlin) haben auf Druck des Gewerbes befristete Ausnahmeregelungen für Busse geschaffen.

Einheitliche Regelungen für das gesamte Bundesgebiet gibt es nicht. Unterschiedliche Standards, Ausnahmebedingungen und Fristen in den Städten verwirren in- und ausländische Fahrgäste ebenso wie das Fahrpersonal und die Busunternehmer. Es ist für die Praktiker der Reisebranche schlichtweg nicht darstellbar, sich mit den in den einzelnen Städten geltenden und permanent ändernden Einfahrtbestimmungen vertraut zu machen und ständig auf dem Laufenden zu halten. Von einer langfristigen, verlässlichen Planungsgrundlage kann keine Rede sein, da Busunternehmer nicht mehr wissen können, mit welchen Fahrzeugen sie im kommenden Jahr noch in welche Städte einfahren können.

Auch eine Nachrüstung ist längst nicht für jedes Fahrzeug technisch machbar bzw. wirtschaftlich vertretbar. Zudem ist oftmals ungeklärt, wie sich der nachträgliche Einbau von Partikelfiltern auf bestehende Gewährleistungs- und Garantieansprüche der Unternehmer auswirkt. Hinzu kommt, dass eine Nachrüstung der Busse in anderen Ländern nur bedingt anerkannt wird (Beispiele: Österreich, Polen). Hat man langfristig die Senkung der Stickstoff(NOx)-Emissionen im Blick, ist Nachrüstung ohnehin kritisch zu betrachten. Ein teurer Partikelfilter (ca. € 10.000,- - 15.000,-) hat derzeit keine positiven Auswirkungen auf den NOx-Ausstoß, die Stickoxidbelastung würde im Gegenteil sogar ansteigen. Zudem wird die Nachrüstung mit Stickoxidkatalysatoren flächendeckend gar nicht möglich sein, weil die Technik für viele Fahrzeuge schlichtweg nicht zur Verfügung steht. Der Busunternehmer hat also – selbst wenn er eine fünfstellige Summe für einen Partikelfilter investiert – keine Garantie dafür, nicht doch in ein oder zwei Jahren aufgrund der Stickoxidproblematik aus den Innenstädten ausgesperrt zu werden. Er hat somit keinerlei Investitionssicherheit.

Fahrzeugbestand

Der Bestand an EURO II und EURO III-Bussen ist noch immer sehr groß. Dies erklärt sich vor allem daraus, dass EURO III- Busse bis 2006 nach neustem Stand der Technik produziert und ausgeliefert wurden und einen Anschaffungspreis von rund 200.000 bis 300.000 Euro haben. Allein der Zeitraum für die steuerliche Abschreibung beträgt acht Jahre.

Gemäß offizieller Statistik des Kraftfahrtbundesamtes zum 01.01.2011 sind in Deutschland derzeit 76.463 Busse unterwegs. Davon sind

• 19 Prozent der Busse ohne Umweltplakette, (im Vorjahr 23 %) • 22 Prozent der Busse mit roter Plakette EURO 2, (im Vorjahr 24 %) • 30 Prozent der Busse mit gelber Plakette EURO 3, (im Vorjahr ebenfalls 30 %) • 29 Prozent der Busse mit grüner Plakette EURO 4, 5, EEV unterwegs (im Vorjahr 23 %).

Mit Inkrafttreten der nächsten („gelben“) Stufe der Kennzeichnungsverordnung dürfen nun 41 Prozent der Busse nicht mehr in die betroffenen Städte einfahren. 71 Prozent des Busbestandes sind derzeit von Einfahrtverboten im Rahmen der „Grünen Plakette“ bedroht, wie sie bereits nächstes Jahr in Bremen, Berlin und weiteren Städten geplant sind. Darunter sind etwa 23.000 Fahrzeuge, die noch nicht annähernd steuerlich abgeschrieben sind. Angesichts der im Reisebusgewerbe geringen Margen stellt dieser Umstand für viele private Omnibusunternehmer ein existenzgefährdendes Problem dar.

Umweltfreundlichkeit

Der Omnibus ist die umweltfreundliche Alternative zu Pkw, Flugzeug und Bahn – dies belegen die amtlichen Statistiken des Umweltbundesamtes. Der von Bussen verursachte Beitrag zur Luftbelastung in den Städten ist vernachlässigbar gering.

Der Flottenverbrauch eines Reisebusses bei einer realistischen Auslastung von 60 Prozent liegt bei nur 1,4 Liter Diesel pro 100 Kilometer und Fahrgast – bei voller Auslastung sogar nur bei 0,9 Liter. Mit 3,1 kg Kohlendioxidausstoß je Person verfügt er zudem mit Abstand über den geringsten Abgasausstoß. Dagegen verbraucht ein Pkw auf 100 km pro Person die vierfache Dieselmenge (6,0 l) und stößt dabei die vierfache Schadstoffmenge (13,8 kg CO₂) aus.

Der Bus ist somit hinsichtlich Energieverbrauch und Kohlendioxidausstoß das umweltfreundlichste Verkehrsmittel und darf aufgrund seiner guten Klimabilanz gegenüber der Bahn und dem Flugzeug nicht benachteiligt werden.

Nach Messungen des Umweltbundesamtes trägt der Fahrzeugverkehr in Deutschland zu 27 Prozent zur Feinstaubbelastung bei, auf das Konto des Busses gehen hiervon jedoch lediglich drei (!) Prozent. Der Omnibus ist damit weder bundesweit eine nennenswerte Ursache des Feinstaubproblems, noch werden Fahrverbote für Busse zu einer spürbaren Reduzierung von Feinstaub in den Innenstädten beitragen. Im Gegenteil: je mehr Menschen den Bus nutzen, desto besser für die Umwelt.

Verkehrsraumeinsparung

Ein Reisebus kann mehr als 30 Pkw ersetzen. Dabei nimmt er aber nur einen Bruchteil des Verkehrsraumes in Anspruch, bei weitaus geringerer Umweltbelastung. Ein Fahrverbot für Busse in den Umweltzonen und Ausweichen der betroffenen Bürger auf den Pkw hat eine erhebliche Mehrbelastung der Straßen und Umwelt zur Folge; die Staugefahr vergrößert sich.

Auch der oft genannte Vorschlag, Busreisende könnten auf einem Parkplatz am Rande großer Touristenzentren mit Umweltzone in den ortsansässigen ÖPNV umsteigen, entbehrt jeglicher realistischer Betrachtungsweise. Eine bedeutende Zielgruppe der Omnibustouristik stellen mobilitätseingeschränkte und/oder ältere Fahrgäste dar, die gerade deshalb diesen Verkehrsträger wählen, weil er sie zielgenau an Ort und Stelle befördert – ohne umsteigen zu müssen. Derartige Vorschläge gehen schlichtweg an den Bedürfnissen der Verbraucher vorbei.

Auswirkungen der Umweltzonen

Kaum einem Unternehmer ist es möglich, auf einen Schlag alle seine Fahrzeuge auszutauschen. Die überwiegend mittelständisch geprägte Busbranche ist nicht in der Lage, die immens hohen Anschaffungskosten neuer Busse kurzfristig aufzubringen. Ein 2006 gekaufter moderner EURO III-Bus kann schon in diesem Jahr nicht mehr in alle Umweltzonen einfahren, obwohl er noch 2006 dem neuesten Stand der Technik entsprach; es also zu diesem Zeitpunkt keine besseren Fahrzeuge zu kaufen gab. Für mittelständische Busunternehmen ist dies ein betriebswirtschaftliches Desaster. Die Neuanschaffung von Bussen erfolgt in der Regel sukzessive nach Ablauf der betrieblichen Nutzungsdauer. Infolge der Anforderungen der Kennzeichnungsverordnung werden die Unternehmen zum vorzeitigen Verkauf der Busse mit erheblichem Wertverlust gezwungen, da die Nachfrage nach Bussen, denen die Einfahrt in Innenstädte verwehrt ist, denkbar gering ist.

Die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen obliegt den Städten und Kommunen, die die jeweilige Umweltzone eingeführt haben. Dies führt in der Praxis dazu, dass regional unterschiedliche Anforderungen an die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gestellt werden. Viele Ausnahmegenehmigungen sind zudem auf ein Jahr befristet. Die Antragsverfahren sind mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden und auch die zu zahlenden Gebühren sind teilweise unverhältnismäßig hoch (Beispiel: über 500 € für Ausnahmegenehmigung in Berlin). In der Folge führt dieser „Beantragungs-Flickenteppich“ zu höheren Personalkosten beim Unternehmen.

Wirtschaftsfaktor Bustourismus

Die Errichtung der Umweltzonen bedeutet für viele Busunternehmer, dass sie Städte mit Umweltzonen zukünftig meiden müssen. Somit haben Umweltzonen auch erhebliche Auswirkungen auf den Städtetourismus. Zu bedenken ist, dass die ausländische Busflotte noch deutlich älter ist als die deutsche. Dies hat eine von der Europäischen Kommission veröffentlichte Studie ergeben. Danach ist die deutsche Reisebusflotte mit durchschnittlich 6,3 Jahren am jüngsten. Fahrverbote für Reisebusse werden somit unweigerlich zu einem Rückgang von Städtereisen und damit zu einem Rückgang der Touristenzahlen aus dem In- und Ausland verbunden mit sinkenden Umsätzen der ortsansässigen Gastronomie, Hotellerie, des Einzelhandels und anderer Wirtschaftszweige führen. Diese Entwicklung kann nicht im Interesse der Kommunen liegen. Die Bedeutung des Bustourismus als Wirtschaftsfaktor ist jüngst durch eine Studie des dwif (Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr an der Universität München) bestätigt worden. Die Branche erwirtschaftet jährlich über 10 Mrd. € und sichert mehr als 200.000 Arbeitsplätze. Hinzu kommt der sog. Multiplikatoreffekt: Stärker als die eigentlichen Busunternehmen profitieren in Bezug auf die Arbeitsplätze die Leistungserbringer in den Zielgebieten. Fast 80.000 Beschäftigte erzielen ihr Einkommen in Hotels, Gaststätten und Kultureinrichtungen, die unmittelbar von den Leistungsbausteinen bei Busreisen abhängen. Über 50.000 weitere Arbeitsplätze werden in den Zielgebieten bei Gastronomie und Handel für die von Bustouristen getätigten Zusatzausgaben gesichert. Mit einem Arbeitsplatz in Busunternehmen profitieren damit 4,7 Beschäftigte in anderen Betrieben.

Fazit des bdo

Unterschiedliche Zugangsbeschränkungen oder Fahrverbote, insbesondere für Reisebusse der Abgasnorm EURO III (gelbe Plakette), die nur wenige Jahre alt sind, sind völlig unverhältnismäßig und zudem ungeeignet, die Feinstaubbelastung in den Städten zu reduzieren. Auch die Nachrüstung mit Partikelfiltern stellt – wie oben aufgezeigt - keine befriedigende Lösung dar. Deutlich sinnvoller als hohe Summen in ältere bzw. veraltete Technik zu investieren, ist es, dem Mittelstand über einen überschaubaren und vernünftigen Zeitraum die sukzessive Erneuerung der Fahrzeugflotte zu ermöglichen. Dies bedarf Ausnahme- und Übergangsregelungen mit Augenmaß.

Daher erlauben wir uns, die Bundesregierung an ihr Versprechen im Koalitionsvertrag zu erinnern, wo es heißt: „Bei der Einrichtung von Umweltzonen muss auf die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit geachtet werden. Wir wollen Einfahrtverbote dort lockern, wo die Einschränkungen in keinem vernünftigen Verhältnis zur erzielten Feinstaubreduzierung stehen. Dazu wollen wir die Ausnahmeregelungen bundesweit vereinheitlichen.“

Das umweltfreundliche Verkehrsmittel Omnibus ist nicht Teil des Umweltproblems, sondern Teil der Lösung und darf schon aus diesem Grund gegenüber anderen Verkehrsmitteln nicht benachteiligt werden. Der Omnibus muss von den in der Kennzeichnungsverordnung geregelten Fahrverboten ausgenommen werden.